Ein Jahr Amoklauf: Gedenken an Morde in Annaberg

WILDERER: SCHAUPLATZ DER ERSTEN SCHIESSEREI
WILDERER: SCHAUPLATZ DER ERSTEN SCHIESSEREIAPA/ROLAND SCHLAGER
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Vor einem Jahr starben drei Polizisten und ein Sanitäter bei einer Schießerei mit einem Wilderer. Heute wird ein Gedenkstein für die Opfer enthüllt.

Der heutige Mittwoch steht im Gedenken an die Morde von Annaberg vor einem Jahr. Am 17. September 2013 starben drei Polizisten, darunter ein Cobra-Beamter, sowie ein Sanitäter bei Schießereien mit einem Wilderer im Bezirk Lilienfeld. Der Täter, der 55-jährige Alois H., verschanzte sich danach in seinem Anwesen in Großpriel bei Melk, wo er Selbstmord beging.

Für die Polizei sind die Ermittlungen abgeschlossen. Alois H. wurden 108 Straftaten zugeordnet, deren Gesamtschaden betrug 9,8 Millionen Euro. Nach der Veröffentlichung eines Evaluierungsberichts wurden neue Richtlinien für die Tragepflicht von Schutzwesten eingeführt, an weiteren Maßnahmen wird gearbeitet. Die FPÖ sah hingegen Widersprüche zwischen interner und öffentlicher Darstellung und kündigte eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft an. Heute wird bei einem Festakt mit der Enthüllung eines Gedenksteines der Opfer gedacht.

Wilderer durchbrach Straßensperre

Es war einer der spektakulärsten Kriminalfälle der vergangenen Jahre. Die Polizei fahndete nach einem Wilderer, der mehrere Hirsche erlegt, ihre Schädel sauber abgetrennt und den restlichen Körper liegen gelassen hatte. Schließlich fiel der Verdacht auf Alois H. Eine nächtliche Straßensperre, mit der der 55-jährige in Annaberg aufgehalten werden sollte, durchbrach der Mann allerdings - und eröffnete das Feuer.

Auf der Flucht kam er mit dem Auto von der Straße ab und prallte gegen einen Zaun. Alois H. schoss dann in einen Streifenwagen und tötete einen 38-jährigen Cobra-Beamten. Ein zufahrendes Rettungsfahrzeug geriet ebenfalls ins Visier des Schützen, ein 70-jähriger Sanitäter wurde tödlich getroffen. Auf seiner weiteren Flucht zu Fuß stieß der Mann bei Lassinghof auf eine Streife und feuerte auf die im Wagen sitzenden Beamten. Der Lenker (51) kam ums Leben, der Wilderer zog den Toten aus dem Auto und warf ihn auf die Straße. Er tötete auch den zweiten Polizisten (44) und fuhr im Streifenwagen mit der Leiche zu seinem Anwesen in Großpriel bei Melk. Dort verschanzte er sich.

Verbrannte Leiche im Keller

Ein Großaufgebot an Beamten, darunter Dutzende Cobra-Kräfte, umstellte in der Folge den Vierkanthof. Auch drei Panzer des Bundesheeres rückten an, Hubschrauber wurden angefordert. Immer wieder schoss Alois H. aus dem Haus. Erst Stunden später drangen Beamte in den Hof ein. In einem Geheimraum im Keller stießen sie schließlich auf die verbrannte Leiche des Täters. Der Wilderer hatte Feuer gelegt, bevor er sich mit einem Kopfschuss tötete.

Monatelange Ermittlungen waren die Folge. In dem Geheimraum stieß die Polizei auf ein enormes Waffenarsenal, unzählige Jagdtrophäen und andere gestohlene Gegenstände. Fast drei Monate nach der Bluttat, am 19. Dezember, war die Sicherstellung der gestohlenen Gegenstände, u.a. 305 Schusswaffen, Munition, 90 Hirsch- und etwa 500 Reh- sowie 100 weitere Jagdtrophäen, abgeschlossen. Insgesamt wurden Alois H. 108 Straftaten in mehreren Bundesländern zugerechnet, der Schaden wurde mit 9,8 Millionen Euro beziffert.

Nicht alle Fragen konnten geklärt werden

Für die Polizei ist der Fall abgeschlossen: Ende Mai wurde ein Evaluierungsbericht vorgestellt. Der Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit, Konrad Kogler, sagte zum Jahrestag der Bluttat: "Wir haben alles erhoben, was für uns von Interesse war." Der Fall sei für die Exekutive eine Novität gewesen: "Es bleibt jemand am Tatort und sucht bewusst diese Konfrontation - mehrfach", schilderte Kogler das Geschehen. Alois H. habe ein "atypisches Verhalten" an den Tag gelegt. Durch den Selbstmord des 55-Jährigen seien aber letztlich nicht alle Fragen beantwortbar gewesen.

Eine Folge des Evaluierungsberichts war die Neubewertung der Tragepflicht der Schutzwesten: Anders als zuvor habe man eindeutig festgelegt, "bei gefahrengeneigten Tätigkeiten zumindest die leichte Schutzweste zu tragen", ergänzte der Leiter der Einsatzkommandos (Eko) Cobra, Bernhard Treibenreif. Es sei denn, wesentliche einsatztaktische Überlegungen sprechen dagegen.

Zusammenarbeit mit dem Bundesheer

Ein weiterer wichtiger Punkt der Empfehlungen aus dem Evaluierungsbericht soll in Kooperation mit dem Bundesheer umgesetzt werden. Dabei geht es um die Verfügbarkeit gepanzerter Fahrzeuge, wie es in dem Bericht angesprochen wurde. Kogler will auch, dass in Zukunft bei bestimmten Einsatzlagen immer ausgebildete Rettungssanitäter dabei sind. Mit den Rettungsorganisationen sollen darüber hinaus entsprechende Prozesse für die Zusammenarbeit überlegt werden.

Zudem kritisierte ein Gutachter die von der Polizei verwendete Munition als nicht mehr "zeitgemäß". Die Polizei habe den Wilderer trotz der Abgabe Dutzender Schüsse nicht stoppen können.

Für die FPÖ birgt der Evaluierungsbericht hingegen einige Ungereimtheiten. Die "öffentliche Darstellung ist widersprüchlich zu den internen Ergebnissen", sagte Bundesrat Werner Herbert, gleichzeitig auch Vorsitzender der Freiheitlichen Exekutivgewerkschaft AUF. Eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft wurde angekündigt.

Am Mittwoch wird für die Opfer des Wilderers ein Gedenkstein errichtet. Dem Festakt werden hochrangige Vertreter des Innenressorts ebenso wie des Roten Kreuzes beiwohnen, sagte Polizeisprecher Johann Baumschlager auf APA-Anfrage. Der 7,5 Tonnen schwere Gedenkstein, der an die Opfer erinnern soll, wird seinen Platz an der Kreuzung der B20/B28 in Annaberg haben. Zur Enthüllung des Steines ist auch ein gemeinsamer Sternmarsch von Rettungskräften und Polizisten geplant.

17. September 2013 - Blutbad in Annaberg
17. September 2013 - Blutbad in Annaberg(c) APA

(APA)

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