In Wien diskutierten Experten ohne Tabus über Bezahlsysteme auf allen heimischen Straßen. Noch scheint vieles nicht umsetzbar. Schmale Budgets könnten jedoch einiges ändern.
Wien. Ist die Autobahn-Vignette genug? Soll auch die Benutzung von Landesstraßen kostenpflichtig werden? Ist eine Stadtmaut in Österreich sinnvoll? Oder ist die Verkehrspolitik gut so, wie sie ist?
Am Institut für Verkehrswesen der Wiener Universität für Bodenkultur diskutierten am Montag Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft ohne Tabus über Notwendigkeit, Technik und Effekte von Bezahlsystemen auf Straßen. Vortragende aus der ganzen Welt stellten dabei unterschiedlichste Lösungen vor. Was bedeutet das aber für Österreich?
„Die Ziele des aktuellen Gesamtverkehrsplans sind ohne Pkw-Maut auf allen Straßen wohl unerreichbar“, glaubt Boku-Emeritus Gerd Sammer, der einst die wissenschaftliche Vor- und Nachuntersuchung zur Ausweitung der Wiener Kurzparkzonen durchführte. Im Gesamtverkehrsplan ist nämlich ausdrücklich von „nachhaltiger Verkehrspolitik“ die Rede, die Maßnahmen ergreifen soll, die auf „beschränkt vorhandene Ressourcen“ Rücksicht nehmen, und die „ökologisch, ökonomisch sowie sozial ausgewogen“ sind.
Im Rahmen der Tagung wurde jedoch auch klar, dass die Politik hierzulande ein unausgesprochenes Denkverbot zum Thema fahrleistungsabhängiger Pkw-Maut erteilt hat. Ein Vertreter des im Eigentum der Republik stehenden Autobahnbetreibers Asfinag stellte jedenfalls klar, dass man von der derzeitigen Vignettenlösung keinesfalls abkommen möchte.
Richtwert: 1 bis 2 Cent pro Kilometer
Auf lange Sicht erscheint ein sogenanntes „Road Pricing“ auf allen Straßen jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen. Nicht, weil die Politik es unbedingt will, sondern weil es dann wohl nötig wird. Die Budgets des Bundes und – vor allem – der Länder sind knapp. Die Erhaltung des dichten Straßennetzes ist extrem teuer. Im Frühling dachten die Verkehrsreferenten der Bundesländer erstmals laut über eine Maut für Lkw auf Landes- und Gemeindestraßen nach. Eine Arbeitsgruppe arbeitet bereits an einem Konzept. Grund: Laut aktueller Berechnung kostet allein der Erhalt der bestehenden Straßen die Länder jährlich 1,2 Mrd. Euro. Geld, das niemand hat, weshalb Sanierungen oft verschoben werden. Vor diesem Hintergrund ist es wahrscheinlich, dass irgendwann auch der Druck auf die Pkw-Fahrer steigt. Experten halten einen Preis von 1 bis 2 Cent pro Kilometer für akzeptabel.
Einigermaßen deutlich wurde im Rahmen der Tagung auch, dass sich Systeme mit Vignetten eher zum Inkasso denn zum Steuern von Verkehrsströmen und dem Ändern von Verkehrsgewohnheiten eignen. Das Nutzungsverhalten der Lenker, so Organisator Wolfgang Berger, verändere sich dadurch nämlich kaum. Manchmal steht sogar die Wirtschaftlichkeit selbst im Zweifel. Für das geplante Vignetten-Mautsystem in Deutschland gibt es Berechnungen, die von einem Kontrollaufwand in der Höhe zwischen 70 und 120 Prozent ausgehen. Im schlimmsten Fall wäre das System also nicht einmal mehr kostendeckend.
Abseits fahrleistungsabhängiger Gebühren und Vignetten ist man in den USA dazu übergegangen, Problemzonen ganz gezielt zu bemauten. Auf der kalifornischen Interstate 15 etwa steht der Verkehr häufig mehrspurig still. Es sei denn, man zahlt – je nach Uhrzeit – ein paar Dollar mehr. Dann nämlich fährt man auf eigens eingerichteten Spuren sprichwörtlich am Stau vorbei.
Wichtig für die Akzeptanz von Mautsystemen ist laut mehreren Vorträgen, dass die Einnahmen entweder direkt in den Straßenbau, oder – in Städten – in Alternativangebote wie den öffentlichen Verkehr investiert werden. In Stockholm führte das dazu, dass sich die Bevölkerung im Rahmen einer Abstimmung über den Fortbetrieb eines Citymaut-Testlaufs für den Verbleib des Systems aussprach.
In Städten gibt es jedoch auch negative Entwicklungen. Ganzheitlich betrachtet gilt Londons Citymaut zwar als Erfolg, die zusätzlichen Busspuren und Radwege, die mit den Einnahmen finanziert werden, haben inzwischen jedoch dazu geführt, dass die Kapazität des Straßennetzes in manchen Bereichen stärker schrumpfte, als der Verkehr selbst. Die Folge: Immer öfter stehen Autofahrer – trotz hoher Gebühren – wieder im Stau.
Auf einen Blick
Was Maut kann, und was nicht. Zu diesem Thema diskutierten am Montag an der Wiener Universität für Bodenkultur Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft. Kilometerabhängige Gebühren für Pkw sind in Österreich derzeit weder geplant noch realistisch. Aber: Für Lkw könnte es bald – nach der Autobahn – auch auf Landesstraßen soweit sein. Die hohen Kosten der Länder zur Erhaltung der Straßen erhöhen allerdings auch den Druck auf die Pkw-Fahrer. In vielen Ländern Europas ist die kilometerabhängige Pkw-Maut auf Autobahnen längst Realität.