Volksbefragung: Fusion auf Oberösterreichisch

Oesterreich, Oberoesterreich, Rohrbach
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Anders als in der Steiermark entscheiden am Sonntag Rohrbach und Berg von sich aus über eine Gemeindefusion. Gegen den einhelligen Wunsch der Politik in beiden Kommunen formiert sich im Finale Widerstand.

Rohrbach/Berg. Die Fußballer sind ihrer Zeit voraus. In der oberösterreichischen Landesliga treten die Kicker aus der Bezirksstadt Rohrbach im oberen Mühlviertel und aus dem benachbarten Berg bei Rohrbach als „Union“ gemeinsam an, wie der Schaukasten auf dem Stadtplatz zeigt. Im Sport und in Vereinen ist es gang und gäbe, dass Bewohner von Nachbarorten gemeinsam aktiv sind. Ob die Kommunen zusammengelegt werden, wird morgen, Sonntag, in einer Volksbefragung in den beiden Gemeinden, die jeweils rund 2500 Einwohner zählen, entschieden.

In der Steiermark wehren sich manche Gemeinden und Bürgermeister mit Händen, Füßen und Klagen bis hin zum Verfassungsgericht gegen die von SPÖ und ÖVP vom Land aus vorangetriebenen Fusionen. In Rohrbach und Berg ist sich die Lokalpolitik hingegen einig: Die Allianz wurde einstimmig befürwortet. Jetzt müssen noch die Bürger ihren Sanktus geben.

Die zehn Kilometer entfernten Orte Aigen und Schlägl haben schon im September mit klaren Mehrheiten bei einer Volksbefragung ihren Zusammenschluss abgesegnet. Eine Frau aus der neuen Doppelgemeinde ist zum Einkaufen auf dem Rohrbacher Stadtplatz. Ihr Mann sei bei der Gemeinde und frage sich selbst, was etwa beim Winterdienst schon gespart werden könne. Allein, weil nun die Schneestangen entlang der Straßen durchgehend gesteckt werden könnten.

Eine jüngere Passantin aus Rohrbach pflichtet ihr bei: „Ich sehe keinen Sinn in der Trennung.“ 500Meter vom Rohrbacher Rathaus entfernt stehe das Gemeindeamt von Berg: „Für mich ist das sinnlos.“ In der Trafik gegenüber verraten Angestellte, dass sie zwar hier am Stadtplatz arbeiten, aber in Berg wohnen. Eine Frau mittleren Alters ist noch skeptisch: „Die Nachwehen wird man erst spüren.“

Ein Traktor mit Ästen auf dem Anhänger rattert an der Ausfallstraße in Richtung der gut ausgebauten Bundesstraße, die in das 50 Kilometer entfernte Linz führt. Das Gefährt rollt unter einem Transparent hindurch, auf dem mit einem Häkchen „für eine gemeinsame Stadt“, also für ein Ja am Sonntag geworben wird.

Mitterlehner war im Einsatz

„Jetzt für Generationen denken“, ist auf einem Dreiecksständer 30Meter entfernt zu lesen. Dabei ist die Veranstaltung mit Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, der Rohrbacher ÖVP-Bezirksobmann ist, und dem Direktor des Landesrechnungshofs, Friedrich Pammer, zur Fusion schon eine Woche vorbei. Rohrbach und Berg sind jeweils klar ÖVP-dominiert. Für Andreas Lindorfer ist es die erste Bewährungsprobe. Der ÖVP-Politiker amtiert erst seit Anfang Oktober als Bürgermeister von Rohrbach. Er tritt im Herbst 2015 als ÖVP-Spitzenkandidat an, nach Plan als Bewerber der vereinten Gemeinden. In Berg zieht ÖVP-Bürgermeister Josef Pernsteiner die Volksbefragung durch, bevor er 2015 Platz macht, der Vizebürgermeister soll Lindorfers Stellvertreter werden.

30, 40 Jahre wird hier, wo das Ortsende von Rohrbach an den Ortsanfang von Berg anschließt, über eine Zusammenlegung diskutiert. Seit 2008 intensiver, seit eineinhalb Jahren gibt es einen von beiden Kommunen beschickten, von einer Unternehmensberaterin geleiteten Ausschuss zur Vorbereitung. Gebe es keine Ortstafeln, wüssten viele gar nicht mehr, wo die Gemeindegrenzen verlaufen, heißt es.

Auf der Webseite sind Vorteile, etwa bei der Raumplanung, ebenso aufgelistet wie manche Nachteile („Umlernen“ für die Verwaltung). Ein Indiz dafür, dass es sich um eine überparteiliche Initiative handelt, ist, dass die grüne Gemeinderätin Ulrike Schwarz die überregionale Pressearbeit für die Fusion macht. Den Parteienkonsens hebt sie besonders hervor: „Das ist eben der Unterschied zur Steiermark.“ Rohrbachs SPÖ-Stadtrat Andreas Hannerer ist für die Regionalmedien zuständig. In Rohrbach, das erst 1986 zur Stadt erhoben worden ist, wird mit einer klaren Mehrheit der Befürworter gerechnet. Hier dominieren die Bürgerlichen, im flächenmäßig fünfmal so großen Berg mit einigen Ortschaften, die sich verstreut ins hügelige Hochland ducken, spielen die schwarzen Bauern noch eine wichtige Rolle.

Selbst die Finanzen hat man geregelt. Bund und Land lassen bei einem Zusammengehen zusätzlich Geld springen. 1,8 Millionen Euro mehr für mehrere Jahre hat Bürgermeister Lindorfer errechnet, der aber nicht nur das Geld als Argument anführen will. Vor allem könne man dann alle Projekte für das gesamte Gebiet planen. In der Gemeinde-Info engagiert sich die Bergerin Valie Buchinger, die betagte Mutter von Ex-Sozialminister Erwin Buchinger (SPÖ), für die Vereinigung: „Auch die Pfarre Rohrbach verbindet uns alle.“

„Das Lebenslicht ausblasen“

Wenige Tage vor der Volksbefragung haben die Gegner aus Berg mobil gemacht. Treibende Kraft ist der Ex-Amtsleiter von Berg, Franz Fuchs. In einer zweiten Postwurfsendung hat er diese Woche gewarnt, man wolle Berg „das Lebenslicht ausblasen“. Bürgermeister Lindorfer ist stocksauer, weil auch Aussagen abgedruckt sind, die er so nie getätigt haben will.

Im Gasthof Dorfner wird der Zettel kopfschüttelnd auf den Tisch gelegt, so als ob damit Ebola verbreitet würde. Freilich, nach langen Diskussionen an den Stammtischen sind jetzt alle schon froh, dass nun die Entscheidung fällt.

Gibt es in beiden Orten ein Ja, wird das Gemeindeamt von Berg als Kindergarten ausgebaut. Weit haben es Rohrbacher Kinder nicht. Das Amtshaus steht nur 50 Meter nach dem Ortsende von Rohrbach. Eine Frau im Arbeitskittel ist die Einzige, die der „Presse“ offen sagt: „Ich bin dagegen.“ Gründe will sie nicht nennen. Wenige Meter weiter steigt ein junger Mann ins Auto: „Alle Leute, die ich kenne, sind dafür.“ Kostenersparnis nennt eine rotblonde Spaziergängerin aus Berg als Grund für ihr Ja.

Eine Mutter mit Piercings druckst herum, sie interessiere sich nicht so „für das Politische“. Dann stampft sie von Berg zu Fuß mit ihrem Kind zum Fußballtraining – bei der Union Rohrbach-Berg.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2014)

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