Abwasser: Finanz will Millionen zurück

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Der Fiskus fordert von einer Tochtergesellschaft der Stadt Wien drei Millionen Euro zurück – und löst damit neue Spekulationen über die Ausgliederung des Kanalnetzes der MA30 aus.

Wien. Die Ausgliederung städtischer Abteilungen in 100-Prozent-Tochtergesellschaften soll einerseits Kosten sparen, andererseits aber auch den Einfluss von Politik und Partei(en) auf die so „privatisierte“ Unternehmung sicherstellen. Die Stadt Wien muss nun erkennen, dass damit nicht nur Annehmlichkeiten, sondern auch Pflichten verbunden sind, die für Steuerzahler eine Selbstverständlichkeit darstellen: Das Finanzamt fordert nämlich seinen gesetzlich zugesicherten Anteil vom Kuchen.

Eben den will der Fiskus nun von den Entsorgungsbetrieben Simmering (EBS). Die innerhalb der Wien-Holding angesiedelte Firma, die in 100-prozentigem Eigentum der Stadt steht, betreibt unter anderem die Groß-Kläranlage im elften Bezirk. Im Rahmen einer unlängst durchgeführten Großbetriebsprüfung kam die Finanz zu dem Schluss, dass das Unternehmen von der Republik zu Unrecht eine Investitionszuwachsprämie in Höhe von knapp drei Millionen Euro kassiert hatte. Der entsprechende Bescheid langte vor einem Monat bei den EBS ein. Das Unternehmen und sein Eigentümer, die Stadt Wien, gingen in Berufung.

„Verfahren kann lange dauern“

„Das Verfahren dazu kann nun sehr lange dauern“, sagt Josef Kramhöller, Leiter der MA4 (Finanz und Wirtschaftsangelegenheiten) und gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender bei den EBS. Was passiert, wenn das Unternehmen die drei Millionen Euro zurückzahlen muss? „Dann wird das der Bürger in irgendeiner Form abgelten.“ Es sei denn, die MA30 (Kanal) schafft es, die Investitionszuwachsprämie ihrerseits geltend zu machen. Zumindest für künftige Investitionen in das Kanalnetz ist das jedoch ausgeschlossen. Die Investitionszuwachsprämie, mit der Steigerungen bei den Investitionen im Vergleich zum dreijährigen Durchschnitt „belohnt“ wurden, schüttete die Republik nur von 2002 bis 2004 aus. Mit 1.1.2005 wurde sie abgeschafft: Das Steuerzuckerl kostete den Finanzminister deutlich mehr als prognostiziert.

Es ist die Verquickung zwischen einer Magistratsabteilung (MA30) und der formal privaten, de facto aber ebenfalls von der Gemeinde abhängigen EBS, mit der das Finanzamt seinen Rückforderungsbescheid begründet. So errichteten die EBS im Auftrag der Stadt (und nach einem Beschluss im Gemeinderat) die beiden Hauptsammelkanäle unter dem Stadtpark und beim Donaukanal. Die Investitionen (165 Mio. Euro) wurden steuerlich geltend gemacht, weil man im Rathaus davon ausging, dass die mit Steuergeld errichteten Kanäle nun im Eigentum der „privaten“ EBS stünden. Das Finanzamt sieht das in seinem Bescheid anders.

Weil die Hauptsammelkanäle integrativer Bestandteil des Wiener Kanalnetzes (MA30) seien, stünden diese auch im Eigentum der Stadt – und nicht der EBS. Um den Gegenbeweis anzutreten, ließ die Stadt das Anlagevermögen der MA30 neu bewerten. Auftragnehmer war der Immobilienexperte Alfons Metzger.

Das lässt die Gerüchteküche im Rathaus nun an einer anderen Front überkochen. Sabine Gretner, Planungssprecherin der Grünen, vermutet hinter der Neubewertung des Kanalnetzes nämlich den Plan der Ausgliederung: „Das wäre falsch, schließlich ist die Abteilung eine der profitabelsten und innovativsten der ganzen Stadt.“

Zusätzlich angefacht werden die Vermutungen durch eine Aussage Metzgers, die dieser im Rahmen seiner Auszeichnung mit dem Silbernen Ehrenzeichen des Landes Wien am 3. Juni tätigte. In seiner Rede bedankte er sich vor anwesenden SP-Spitzenvertretern dafür, dass er die Stadt bei der Ausgliederung des Kanalnetzes begleiten und beraten dürfe.

Ausgliederung, ein Tabuthema

Im Gespräch mit der „Presse“ sieht Metzger keinen Anlass für ein Dementi. Allerdings wollte er auch nicht mehr zu den Spekulationen sagen, weil man erst „ganz am Anfang eines sehr langen Weges“ stehe, schließlich sei die Ausgliederung öffentlicher Infrastruktur für die Politik schon immer eine Art Tabuthema gewesen.

Das musste der ehemalige Vizebürgermeister und Finanzstadtrat Sepp Rieder schon im Jahr 2005 zur Kenntnis nehmen. Damals hatte Rieder in einem „Presse“-Interview laut über die Ausgliederung der Wiener Entsorgungsbetriebe (MA48, MA30) nachgedacht – und sich damit den Mund verbrannt. Die kurze und heftig geführte Diskussion wurde von Bürgermeister Michael Häupl für beendet erklärt.

Im Ressort der für die MA30 zuständigen Umweltstadträtin Ulli Sima will man heute (wie damals) nichts von einer Ausgliederung des Kanalnetzes wissen. „Das Abwassersystem wird auch in Zukunft ein Teil des Magistrats sein“, so ein Sprecher. Eine Formulierung, die Raum für Spekulationen lässt, trifft das doch auch für die EBS zu, die zwar ausgegliedert sind, aber von der Gemeinde finanziert werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2008)

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