Wien: Sommerferien in der Koranschule

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Im Islamischen Zentrum lernen Kinder im Sommer den Koran lesen – auf Arabisch. 80 Kinder und Jugendliche nehmen im Juli und im August an den Kursen teil.

Wien. Der islamische Gruß, der sitzt schon. „As-salamu aleikum“, ruft lautstark ein vielstimmiger Chor aus elf Kindern. Und wie grüßt man richtig zurück? Auch das wissen sie: „Wa aleikum as-salam.“

Es gibt Kinder, die spielen in den Ferien auf der Donauinsel. Und es gibt Kinder, die lernen in den Ferien den Koran zu rezitieren. Gegenüber der Donauinsel. Im Islamischen Zentrum, Wiens einzig baulich erkennbarer Moschee, nehmen im Juli und August 80 Kinder und Jugendliche an einem Sommerkurs der anderen Art teil: Unterricht in arabischer Sprache, Koranlesen, islamische Ethik und religiös korrektes Verhalten stehen auf dem Programm. Vier mal in der Woche, je zwei Stunden lang.

Aus einem Zimmer dringen gesungene Koran-Suren, in einem anderen Raum – in Gelb, einfach möbliert – schreibt die Lehrerin arabische Buchstaben an die Tafel, die Kinder üben das Alphabet. „Nicht alle Kinder können während des Jahres am Wochenendunterricht teilnehmen“, sagt der Direktor des Zentrums, Fareed Alkhotani. „Deshalb lernen sie jetzt in der Freizeit.“ Für den aus Saudi Arabien stammenden Arzt ist der Islam-Crash-Kurs auch aus einem anderen Grund wichtig: „Die Kinder sollen ihre Identität kennen.“ Und die ist für Alkhotani als gläubigen Muslim selbstredend eine religiöse. Während manche Politiker in einem selbstbewussten Islam eine Gefahr für das Zusammenleben sehen, ist er für Alkhotani die Grundlage eines Kontakts auf gleicher Augenhöhe. „Wenn man nicht weiß, wer man ist, kann man nicht kommunizieren.“ Manche der Kinder fühlten sich in der Schule und von der Öffentlichkeit verachtet. „Zerrissen zwischen zwei Kulturen“ seien sie, sagt einer der Lehrer, ein österreichischer Konvertit.

Als abgeschlossene Gemeinschaft will man freilich nicht auftreten. Prominente Politiker, jüdische Delegationen, alle waren sie schon da. Mit den Anrainern aus den angrenzenden Gartenanlagen habe man ein „gutes Verhältnis“. Dennoch ist nicht allen Verantwortlichen das mediale Interesse geheuer. „Koranschule“, das klinge für die Österreicher „gefährlich“, befürchtet ein Betreuer. „Als ob hier Terroristen ausgebildet würden“. Das nicht. Allerdings sind die Imame der Moschee auch nicht gerade für Liberalität bekannt: Sie vertreten die aus Saudi Arabien kommende wahabitische Ausrichtung des Islams. Als „typische“ Koranschule geht der religiöse Unterricht dennoch schwer durch. Ja, Arabisch wird groß geschrieben, ein anderes Buch als den Koran findet man selten. Streng und andächtig geht es in Floridsdorf aber nicht zu, eher lebhaft und ein wenig chaotisch. Da hat ein Lehrer schon mal Schwierigkeiten, die ihm anvertrauten Kinder zu bändigen.

Die Schüler der deutschsprachigen Gruppe, dem Sammelbecken für all jene, die nicht Arabisch sprechen, sind zwischen drei und 15 Jahren alt. Die Themen des Tages – richtiges Benehmen gegenüber Älteren, islamisches Grüßen – sind nicht gerade mitreißend, die Kinder unruhig. „Das Niveau ist extrem unterschiedlich“, ächzt der österreichische Lehrer. Ebenso wie die Herkunft: Viele der Teilnehmer sind arabischer oder afrikanischer Herkunft, aber auch türkische und bosnische Kids sind darunter, ebenso wie Kinder österreichischer und deutscher Konvertiten. Es dauert, bis sich eine Gruppe bildet.

Mädchen lernen kochen

Von den acht Gruppen ist eine nur für Mädchen. Denn junge Frauen ab Zwölf haben ein eigenes Programm: Neben dem Koran sind das Kochen, Stricken, Haushaltspflichten – ganz traditionell. Ab der Geschlechtsreife sollen Mädchen das Kopftuch tragen, sagt Alkhotani. So wie Emine, 15, bedeckt – und körperbetont in Gelb-Weiß. Sie wolle ihre „Religion kennenlernen“.

Es ist Emines letzter freier Sommer, bevor sie ihre Ausbildung zur Pharma-Assistentin beginnt. Besonders aufmerksam ist das Mädchen nicht. Aber, was vermutlich auch zählt: „Meine Freunde haben Respekt für meine Entscheidung.“

Auf einen Blick

Das islamische Zentrum in Floridsdorf hält in den Ferien eine Sommerschule für 80 Kinder ab. Auf dem Programm stehen Arabisch, Koran-Studien und islamisches Benehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2008)

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