Warum sich Chemie in der Milch „rechnet“

Was ist Melamin überhaupt und warum spielt die Industrie mit dem Leben ihrer Kunden? Fünf Antworten.

Wien(awe). Seit Wochen beschäftigt der Lebensmittelskandal um die Beimengung von Melamin in Milchprodukten die chinesischen – und nun auch die österreichischen – Behörden. Was ist Melamin überhaupt für eine Substanz, welche Auswirkungen hat sie auf die Gesundheit und warum wird sie der Milch beigemengt? „Die Presse“ recherchierte die Antworten.

1Was ist die Substanz Melamin überhaupt?Melamin wird in großen Mengen von der chemischen Industrie produziert. Es hat die Summenformel C3H6N6 und ist bei Chemikern auch unter dem Namen Cyanursäuretriamid bekannt.

2Wofür wird Melamin normalerweise benötigt?Das weiße Pulver Melamin ist ein wichtiger Zusatzstoff bei der Produktion von Pressspanplatten. Es hemmt das Austreten giftiger Formaldehyd-Dämpfe und verändert auch die mechanischen Eigenschaften der Platten. Des Weiteren wird die Substanz bei der Produktion von Leim, Reinigungsmitteln und Bodenbelägen (Melan-Böden) eingesetzt. Im Schaum von Polstermöbeln entfaltet es seine flammhemmende Wirkung.

3Warum wird Melamin illegal Milchprodukten beigemengt?Ein für Behörden und Großabnehmer wesentliches Qualitätskriterium bei Milch ist der Eiweißgehalt. Der wird meistens nach der kostengünstigen Kjeldahl-Methode bestimmt, die den Stickstoff-Anteil des Produkts misst. Da Stickstoff jedoch nicht nur in Aminosäuren, sondern auch reichlich in Melamin enthalten ist, kann Milch so gestreckt werden. Im Kjeldahl-Test erscheint sie dann hochwertiger, als sie eigentlich ist.

4Warum „zahlt“ sich die Praxis für die Milchindustrie aus?Durch das Strecken von Milch können zunächst mehr Milchprodukte aus der gleichen Menge Rohstoff produziert (und verkauft) werden. Rentabel wird es dadurch, weil Melamin billig und in großen Mengen produziert wird. Insgesamt ist es billiger als Milch, die insbesondere in China und im Vergleich zu Europa relativ teuer ist.

5Wie schädigt Melamin den Organismus?Gelangt Melamin in den Körper, reagiert es in den Nieren mit den Phosphaten aus dem Urin zu unlöslichen Partikeln. Diese verklumpen und können die Nieren verstopfen. Aufgrund ihrer geringen Körpermasse und des noch nicht voll entwickelten Stoffwechsels sind Kleinstkinder dafür deutlich anfälliger als Jugendliche oder Erwachsene.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2008)

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