Kein Schleier vor Gericht: „Blödes Land!“

(c) APA (Roland Schlager)
  • Drucken

„Wie kann Religionsausübung eine Missachtung des Gerichts sein?“, fragt die Angeklagte, Mona S. Der Richter-Senat bleibt hart: Weil die 21-Jährige den Schleier nicht ablegt, wird sie des Saals verwiesen.

WIEN. Dürfen Angeklagte voll verschleiert vor Gericht auftreten? Zumindest im Fall Mona S. gibt es eine Antwort des Obersten Gerichtshofes. Die lautet: nein! Mona S. – angeklagt als al-Qaida-Mitglied – will das nicht hinnehmen. Daher kam es am Mittwoch im zweiten „Durchgang“ des Wiener Terrorprozesses zum Eklat.

Während der streng bewachte Hauptangeklagte Mohamed Mahmoud (23) als U-Häftling von der Justizwache in den Verhandlungssaal geführt wird, betritt ihn seine Lebensgefährtin als „freier Mensch“ (ihre U-Haft wurde nach 13 Monaten beendet). Wie im ersten Prozess (der OGH hatte die Fragen an die Geschworenen gerügt und eine Neuaustragung des Verfahrens angeordnet), erscheint Mona S. (21) mit einem schwarzen Schleier. Richterin Michaela Sanda muss daher erst mit der jungen Frau in einen Nebenraum gehen, um festzustellen, dass sich unter dem Schleier auch wirklich die Angeklagte befindet. Zurück im Saal, wird Mona S. gefragt, ob sie ihren „Gesichtsschleier ablegen“ wolle. Eine Bedeckung des Kopfes könne im Namen des Islam durchaus bestehen bleiben. Mona S.: „Kein einziges Mal steht Kopftuch im Koran!“

Richterin: „In vielen muslimischen Ländern wird auch kein Gesichtsschleier getragen.“ Mona S.: „Das sind unwissende Leute, die haben keine Ahnung.“ Und: „Wie kann die Ausübung einer Religion eine Missachtung des Gerichts sein?“ Richterin: „Bräuche haben im Gerichtssaal nichts verloren.“ Die Angeklagte: „Das ist kein Brauch, und ich bin keine Terroristin, nur Muslimin.“

Die bereits ergangene OGH-Entscheidung im Rücken (Schleier als „politisch-weltanschaulich motivierte Demonstration“), verkündet die Senatsvorsitzende den wenig überraschenden Beschluss: Mona S. wird wegen „ungeziemenden Benehmens“ des Saales verwiesen. Verteidiger Lennart Binder probiert es mit einem Kunstgriff: „Darf sie als Zuschauerin im Saal bleiben?“ – „Nein!“ Eine Frage, die übrigens durchaus Potenzial hat, zumal im ersten Rechtsgang immerhin voll verschleierte Zuschauerinnen im Publikum saßen.

„Tötung der Ungläubigen“

Mit ihrem „Rauswurf“ hat Mona gerechnet, sie steht auf, geht zu ihrem Lebensgefährten und will diesen umarmen. Das lässt die Justizwache nicht zu. Ruhig, aber entschlossen, stellt sich ein Beamter zwischen die beiden. Mona S. lässt nicht ab, mehrere Beamte drängen sie weg. Beim Hinausgehen schreit sie: „Das sind Vollidioten. Das ist unglaublich. Was ist das für ein blödes Land. Ich bin Österreicherin, verdammt.“

„Spätpubertäre Trotzreaktion“

Staatsanwalt Christian Walzi nennt das Verhalten der Frau eine „spätpubertäre Trotzreaktion“ und erinnert an die eigentlichen Vorwürfe. Bei beiden Angeklagten – der Mann hatte im ersten Prozess vier Jahre, die Frau 22 Monate Haft erhalten – gehe es nun um die Frage, ob sie durch radikal-islamische Internetbotschaften („Tötung der Köpfe des Unglaubens“) als Mitglieder einer terroristischen Vereinigung und einer kriminellen Organisation einzustufen seien.

Anwalt Binder: „Das ist eine völlig unsinnige Behauptung und Ausprägung eines Verfolgungswahns.“ Auch kritisiert Binder die Auswahl der Geschworenen scharf: Solche mit türkischen Namen seien vom Gericht „übergangen“ worden. Ein Sprecher des Gerichts dementiert – nur so viel: Ein türkischstämmiger Mann habe erklärt, er könne kaum Deutsch, daher sei er ausgeschieden worden.

Dann erklärt Mohamed Mahmoud ausführlich seine Weltsicht: Alle Muslime weltweit sollten sich in einem „Kalifat-Staat“ vereinen. Besetzte Länder, dazu zählt er den Irak, Afghanistan, aber etwa auch Ägypten oder Saudiarabien, sollten von Mudjaheddin „zurückerobert“ werden. Der Prozess wird heute, Donnerstag, mit Zeugeneinvernahmen fortgesetzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.