Wirtschaftskrise? Russen investieren Geld in Wien

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Am Graben(c) FABRY Clemens
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Finanzkrise? Nicht am Markt für Luxusimmobilien. Die Zahl der Anfragen steigt – trotz schwächelnder Oligarchen. Der Markt für echten Wohnluxus ist im Vergleich zu London oder Paris aber sehr klein.

Wien. Die weltweite Finanzkrise hat vielen Superreichen Milliarden von Euro gekostet. Insbesondere das Vermögen von Russlands Upperclass schrumpfte in den vergangenen Monaten gleich um einige Nullen. Was das mit Wien zu tun hat? Gar nicht so wenig. Denn in Zeiten der Krise gewinnen Orte, an die man sich in aller Ruhe zum Ausspannen zurückziehen kann, zusehends an Bedeutung. Österreichs Hauptstadt ist so ein Ort.

Denn obwohl Gerüchten zufolge Oleg Deripaska die Bauarbeiten zu seinem Domizil in der Inneren Stadt bis auf Weiteres eingestellt hat, stehen Wiener Luxusimmobilien in Russland nach wie vor hoch im Kurs. „Wir kennen keinen russischen Kunden, der wegen der Krise seine Luxusobjekte nun wieder verkauft und zu Geld macht. Wir kennen aber immer mehr Russen, die in Wien in Immobilien investieren wollen“, sagt Andrea Mittermayr von Spiegelfeld Immobilien, einem Unternehmen, das sich auf das Premiumsegment spezialisiert hat.

Wobei die Bedeutung des Attributs „premium“ dehnbar ist, denn: Nachdem sich die Superreichen bereits vor einigen Jahren (etwa auch Roman Abramowitsch mit einem Zinshaus am Kohlmarkt) für Unsummen eingekauft haben, folgt nun die „Mittelschicht“, die auch Wohnungen „unter einer Million Euro“ (Mittermayr) kauft. Bevorzugte Regionen sind die Innere Stadt und alle anderen Bezirke innerhalb des Gürtels.

Die meisten der „neuen“ Russen arbeiten demnach für internationale Konzerne, sind viel unterwegs und wählen einen Wohnort, der erstens gut an das internationale Flugnetz angebunden, zweitens sicher und drittens im Vergleich zu Moskau immer noch preiswert ist. Laut Berechnungen der Immobilienexperten des Auktionshauses Christie's liegt der Quadratmeterpreis einer Luxuswohnung in Wien mit durchschnittlich 10.000 Euro bei gerade einmal der Hälfte der russischen Hauptstadt.

Wie beliebt Wien in Russland als Wohnort ist, zeigt auch ein Blick in die Bevölkerungsstatistik. Waren hier im Jahr 2002 gerade einmal 2096 russische Staatsbürger gemeldet, sind es heute mit 5768 fast drei Mal so viele (Quelle: Statistik Austria). Natürlich sind davon nur die wenigsten waschechte Oligarchen (die zudem in Wien allenfalls Nebenwohnsitze unterhalten). Trotzdem dürfte der Anteil der Wohlhabenden relativ hoch sein. So berichten Personenschützer über „erfreuliche Auftragszuwächse“ in diesem Segment. Oberstes Gebot dabei: Diskretion.

Kleiner, aber feiner Wiener Markt

Dennoch verdient die Mär von Wien als Eldorado für die Superreichen aus dem russischen Riesenreich eine realitätsnahe Korrektur. Der Markt für echten Wohnluxus ist im Vergleich zu London oder Paris sehr klein. „In ganz Wien stehen jährlich vielleicht zehn oder 15 Objekte zur Verfügung, die für mehr als zwei Millionen Euro verkauft werden“, sagt Horst Schwarzenberg vom Luxus-Makler Colliers Columbus. Was umgekehrt bedeutet, dass die Nachfrage das Angebot übersteigt. „Wenn ein Objekt frei wird, wird es in der Regel auch gleich wieder verkauft.“

Auf einen Blick

5768 russische Staatsbürger leben derzeit in Wien. Tendenz stark steigend. Immer mehr Wohlhabende entdecken dabei Wien als sicheren und ruhigen Standort für Luxusimmobilien. Darunter auch Oligarchen wie Oleg Deripaska und Roman Abramowitsch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2008)

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