14-jähriger Jihadist plante Bombe nach IS-Vorbild

Westbahnhof: Im Verhör beschrieb der Verdächtige den Standort als lohnendes Anschlagsziel.
Westbahnhof: Im Verhör beschrieb der Verdächtige den Standort als lohnendes Anschlagsziel. APA/HANS KLAUS TECHT
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Ein Jugendlicher aus St. Pölten beschaffte sich den Bauplan für eine "unkonventionelle Sprengvorrichtung". Innenministerin: "Nirgendwo Terroranschläge mit Sicherheit auszuschließen."

St. Pölten. Weit ist Mertkan G. mit den Vorbereitungen für seinen „Heiligen Krieg“ nicht gekommen. Eine konkrete Gefahr für seine Mitmenschen war er nicht. Noch nicht. Für die nahe Zukunft hatte er sich nämlich einiges vorgenommen. Eine Bombe bauen, sie in einer größeren Menschenmenge zünden und anschließend für den sogenannten Islamischen Staat (IS) in den Jihad ziehen.

Mertkan G. ist 14 Jahre alt, wohnt im niederösterreichischen St. Pölten und befindet sich – nach seiner Festnahme am Dienstag – seit Mittwochnachmittag in Untersuchungshaft. Der Verdacht: Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung.

Der Fall des Teenagers ist einer von vielen, mit denen sich derzeit Staatsanwaltschaften und Verfassungsschützer im ganzen Land befassen. Die Geschichte des Burschen enthält eine bemerkenswerte Parallele zu zwei aktuellen Gewalttaten von Islamisten in Kanada: Sie alle haben autark und ohne Anleitung gehandelt. Sicherheitsbehörden nennen sie Einsame Wölfe.

Sprengsatz nach IS-Vorbild

G. soll sich als solcher im Internet mit dem Bau von Bomben beschäftigt haben. Das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) spricht dabei kryptisch von sogenannten unkonventionellen Sprengvorrichtungen. Und sagt damit dennoch einiges aus. Solche Bomben entwickelten sich in den vergangenen Jahren zum wichtigsten Werkzeug von Terrorgruppierungen. In der englischen Fachsprache bezeichnet man sie als IEDs (steht für improvised explosive device). Man baut sie entweder aus Chemikalien wie Pflanzendünger oder nutzt Bestandteile gewöhnlicher Munition. Während der Militärinterventionen der USA und ihrer verbündeten Kräfte in Afghanistan und im Irak kamen zwei Drittel aller getöteten Koalitionssoldaten durch den Einsatz von IEDs ums Leben. Besonders häufig eingesetzt wurden diese Kampfmittel von der al-Qaida im Irak, der Vorgängerorganisation der heutigen IS-Miliz.

Eben dieser Organisation wollte sich Mertkan G. anschließen. In den Verhören durch Beamte des LVT Niederösterreich gab er zu, eine Reise nach Syrien geplant zu haben. Vorher aber, eröffnete er den Staatsschützern, wollte er noch seine Bombe zünden. Vorzugsweise in einer Menschenmenge an einem belebten Ort wie dem Wiener Westbahnhof. Theoretisch.

Ein konkreter Tatplan lag nämlich noch nicht vor. Auch der Bau des Sprengsatzes soll noch nicht über das Stadium der Internetrecherche hinausgekommen sein. Zwar soll G. schon versucht haben, an Bauteile zu kommen, bis zuletzt jedoch erfolglos. Einigermaßen sicher scheint, dass die Radikalisierung des Jugendlichen im Stillen und über das Internet stattgefunden hat. Im Rahmen der Vernehmung gab er an, sich auf einschlägigen Websites informiert zu haben. Ohne Komplizen, ohne Mitwisser.

Anschläge nicht auszuschließen

Mit mehr Erfahrung in konspirativem Verhalten wäre G.'s Plan vielleicht sogar unentdeckt geblieben. Auf die Spur gekommen sind ihm die Behörden offenbar deshalb, weil er sich in seinem privaten Umfeld offensiv zu seiner neuen Leitideologie geäußert haben soll. Aus diesem Personenkreis ergingen schließlich dann auch Hinweise an den Staatsschutz, der bereits Anfang Oktober die Ermittlungen zum Fall aufnahm.

Wie ernst der Sicherheitsapparat Einsame Wölfe nimmt, dokumentiert eine Stellungnahme von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Sie sagt: „Nirgendwo auf der Welt können derzeit Terroranschläge mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Die Bürger sollen wissen, dass der Staatsschutz und die Justiz bestmögliche Arbeit leisten.“

Während die Behörden G. verhört haben, hat die APA Details zu den Ermittlungen über jene zehn Jihadisten veröffentlicht, die in Wien seit zwei Monaten in Untersuchungshaft sitzen. Demnach ermittelt die Staatsanwaltschaft nun auch gegen die Familie eines 18-jährigen Inhaftierten. Seine Mutter soll ihm 4250 Euro zur Unterstützung einer terroristischen Organisation mit auf die Reise gegeben haben. Zwei Schwestern der Frau sollen in Tschetschenien selbst an Terrorakten teilgenommen haben. (awe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2014)

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