Fall Kampusch: Ex-OGH-Präsident Rzeszut vor Gericht

WIEN: PROZESS GEGEN EX-OGH-PRAeSIDENT RZESZUT WEGEN FALSCHER ZEUGENAUSSAGE
WIEN: PROZESS GEGEN EX-OGH-PRAeSIDENT RZESZUT WEGEN FALSCHER ZEUGENAUSSAGEAPA/HERBERT PFARRHOFER
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Rzeszut soll im Fall Kampusch einen Polizisten mit Privatermittlungen beauftragt und diesen Kontakt dann geleugnet haben. Die Verhandlung wurde auf Februar vertagt.

Der frühere Präsident des Obersten Gerichtshofs (OGH), Johann Rzeszut, muss sich am heutigen Donnerstag wegen falscher Zeugenaussage im Wiener Straflandesgericht verantworten. Hintergrund: Rzeszut hatte einer vom Innenministerium eingesetzten Evaluierungskommission angehört, die allfälligen behördlichen Versäumnissen bei der Suche nach der im Frühjahr 1998 verschwundenen Natascha Kampusch nachgehen sollte.

In dieser Funktion sorgte Rzeszut selbst in ihm wohlgesonnenen Kreisen für Irritationen, indem er öffentlich ein Gutachten anzweifelte, das Kampusch-Entführer Wolfgang Priklopil als Einzeltäter auswies. Weiters unterstellte der Spitzenjurist dem Entführungsopfer, eine Schwangerschaft verheimlicht zu haben.

Als ein Polizist ohne Ermittlungsgrundlage illegal in einer niederösterreichischen Volksschule versuchte, an die DNA eines Mädchens zu gelangen, um Klarheit zu erlangen, ob es sich dabei um die leibliche Tochter Kampuschs handelt, berief sich dieser Beamte auf Rzeszut. Daraufhin wurde Rzeszut im Ermittlungsverfahren gegen den - mittlerweile in erster Instanz wegen Amtsmissbrauchs zu zehn Monaten bedingter Haft verurteilten - Polizisten förmlich als Zeuge vernommen.

Der Ex-OGH-Präsident versicherte unter Wahrheitspflicht, den Mann nicht zu kennen. Die Ergebnisse einer Rufdaten-Rückerfassung sollen allerdings den früheren OGH-Präsidenten widerlegen: Rzeszut und der Polizist sollen in Wahrheit mehrfachen telefonischen Kontakt gehabt haben.

Rzeszut bekennt sich "nicht schuldig"

Vor Gericht bekannte sich Rzeszut am Donnerstag "nicht schuldig". Im Stehen wollte der 73-Jährige seine Einvernahme bewältigen, was Richterin Claudia Geiler mit der Bemerkung "Bleiben'S sitzen, das wird länger dauern. Sie werden net a Stund' stehen" unterband.

Richterin Geiler fand die Zusammenhänge zwischen den Telefonkontakten Rzeszuts und dessen Aussagen in der Einvernahme im Ermittlungsverfahren "eher komisch". Rzeszut vrsuchte daraufhin wortreich zu erklären, weshalb die über Telefon gelaufene Kommunikation zum Zeitpunkt seiner Zeugenaussage für ihn "keinen Erinnerungswert" hatte.

Er sei bei seiner Einvernahme "auf die Aktion des Polizisten fokussiert gewesen" und habe sich "in mentaler Fixierung auf dieses Thema" befunden, legte der Höchstrichter im Ruhestand dar. Er habe "stereotyp immer gesagt, ich hab' damit nix zu tun", insistierte Rzeszut: "Ich hab' einen mentalen Tunnel gehabt." Von daher habe er nicht bewusst etwas verschwiegen oder die Unwahrheit gesagt.

Zudem habe es damals "eine Fülle an Telefonaten" gegeben und er könne sich beim besten Willen nicht "an jedes kleine Telefonat erinnern", gab Rzeszut zu bedenken. Nach einem Auftritt in der TV-Diskussion "Im Zentrum" sei er am 4. März 2012 von unzähligen Personen angerufen worden. Am 5. März habe er Geburtstag gehabt: "Da haben den ganzen Tag Freunde, Bekannte, Journalisten durchgehend angerufen. Eine Telefondichte, die ich noch nie erlebt habe." Das habe auch noch am 6. März vor seiner Zeugenaussage angedauert.

Er habe nicht jedes einzelne Gespräch im Kopf gehabt: "Das Kurzzeitgedächtnis von einem 74-Jährigen ist nicht mehr so intakt wie von einem jungen Menschen. Da ersuche ich um Verständnis." Rzeszut wird am 5. März des kommenden Jahres 74 Jahre alt.

Verhandlung vertagt

Die Verhandlung wegen falscher Zeugenaussage wurde schließlich zur ergänzenden Beweisaufnahme auf den 12. Februar vertagt. Weil zunächst vermutet wurde, Rzeszut könnte auch mit dem strafrechtlichen Fehlverhalten des Polizisten etwas zu tun gehabt haben - dieser wurde im vergangenen August wegen Amtsmissbrauchs nicht rechtskräftig zu zehn Monaten bedingt verurteilt -, waren gegen den Ex-OGH-Präsidenten auch in diese Richtung Ermittlungen gelaufen. Das Verfahren wegen Verdachts auf Beteiligung am Amtsmissbrauch wurde im September 2014 eingestellt.

(APA)

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