Erhöhte Krebsraten: Kärnten versucht zu beruhigen

(c) BilderBox
  • Drucken

Auffällig viele Neuerkrankungen müssten nichts mit HCB-Skandal zu tun haben, denn: Im Ausland gebe es noch höhere Werte.

Klagenfurt/Wien. Ein Bericht der „Presse“ war am Donnerstag Auslöser für eine noch intensivere Auseinandersetzung mit dem HCB-Skandal in Kärnten. In dem am Donnerstag veröffentlichten Artikel wurde klar dargestellt, dass die Region rund um die kontaminierte Blaukalkdeponie und das nahe gelegene Zementwerk Wietersdorfer auffällig hohe Krebsneuerkrankungsraten aufweist. Und dass daraus nicht automatisch abgeleitet werden könne, dass das Umweltgift Hexachlorbenzol dafür verantwortlich sei.

Funk leitet Untersuchung

Die Kärntner Landesregierung reagierte dennoch distanziert auf die erstmals und in dieser Form öffentlich zugänglich gemachten Daten: Gegenüber der Austria Presseagentur bezeichnete es ein Vertreter als „unseriös“, die Neuerkrankungszahlen mit HCB in Verbindung zu bringen (was aber auch niemand tat).

Weiters veröffentlichte die Landesregierung eine Stellungnahme des Umweltmediziners Michael Kundi, der mit der Risikoanalyse beauftragt war. Er sagt: „Wir haben gerade die regionalen Krebsraten der Alpe-Adria-Region angesehen. Da gibt es weit stärker betroffene Regionen als das Görtschitztal.“ Das letzte Mal ist der „Krebsatlas Alpenraum“ 2010 erschienen. Er umfasst Daten der Jahre 2001 bis 2005. Tatsächlich sind in Slowenien und Norditalien Landstriche vermerkt, die die Bezirke St. Veit, Klagenfurt und Klagenfurt-Land hinter sich lassen. Die absoluten Erkrankungszahlen pro Region nennt der Bericht nicht. Er stellt nur dar, ob in einer Region ein geringeres, ein normales, oder ein hohes Erkrankungsrisiko besteht.

Laut Daten des von der Statistik Austria geführten Krebsregisters erkranken im Bezirk St. Veit an der Glan, in dem das Görtschitztal liegt, pro 100.000 Einwohner jährlich 344 an Krebs. In den nahen Bezirken Klagenfurt und Klagenfurt-Land sind es 343 bzw. 339. Im Kärnten-Schnitt sind es 313 Personen, bundesweit 265. Die Kritik an der bisher intransparenten Datenlage folgte prompt im Landtag. „Es fehlt jede Analyse über die Ursachen, die Berichte des Krebsregisters verschwinden in den Schubladen der Sanitätsbehörde“, bemängelte der Klubobmann der Kärntner Freiheitlichen, Christian Leyroutz.

Ob, und wenn ja, was innerhalb des Verwaltungsapparates bei der Aufarbeitung des HCB-Skandals schiefgelaufen ist, das soll nun eine Untersuchungskommission überprüfen. Die Leitung der Kommission, die nicht mit dem ebenfalls installierten Untersuchungsausschuss des Landtages zu verwechseln ist, wird der prominente Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk übernehmen. Konkret soll das Team alle Abläufe, Informations- und Genehmigungsverfahren des Falls untersuchen. Fehleranalyse und Verbesserungsvorschläge für die Zukunft inklusive.

Landeshauptmann Peter Kaiser versprach größtmögliche Transparenz. „Funk erhält bei der Zusammenstellung der Kommission völlig freie Hand. Wir werden ihm vollen Zugang zu sämtlichen relevanten Unterlagen gewähren.“ Beginnen sollen die Erhebungen nach den anstehenden Weihnachtsfeiertagen. (awe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Österreich

HCB: Blut- und Muttermilchtests im Görtschitztal haben begonnen

Das Interesse der Bevölkerung ist viel geringer als erwartet.
Österreich

HCB: Bisher ein Viertel der Proben positiv

25 Prozent der in Kärnten getesteten Lebensmittelproben waren bisher mit Hexachlorbenzol belastet, davon allerdings nur neun Prozent über den Grenzwerten.
Österreich

HCB: U-Ausschuss startet voraussichtlich am 21. Jänner

Die Beweismittelanträge und die vorläufige Zeugenliste wurden in einer internen Sitzung beschlossen.
Österreich

HCB: Bauern im Görtschitztal bringen ihre Schweine nicht los

600 schlachtreife Tiere ohne Belastung wurden vom Handel abgelehnt.
Österreich

Kärnten: Hohe Krebsrate im HCB-Bezirk

Kärnten ist das Bundesland mit der höchsten Krebs-Neuerkrankungsrate in Österreich. Die Bezirke rund um das HCB-belastete Görtschitztal stechen deutlich hervor. Beweise für einen Zusammenhang gibt es nicht. Aber viele Details, die neue Fragen aufwerfen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.