Gleichberechtigung: Eine Wien-Wahl mit Frauenquote

(c) APA/HERBERT NEUBAUER
  • Drucken

Die ÖVP zieht erstmals mit einer Frauenquote in eine Wien-Wahl, SPÖ und Grüne beraten über effektivere Quoten, im Rathaus gilt bereits (teilweise): keine Frauen, kein Geld.

Wien. Es sind brisante Verhandlungen, die Nationalratspräsidentin Doris Bures für 2015 angekündigt hat: Die SPÖ will mit den anderen Parteien im Parlament über eine Frauenquote sprechen. Konkret soll es weniger Klubförderung geben, wenn der Frauenanteil einer Partei unter eine gewisse Grenze sinkt. Die Bundes-SPÖ selbst hat vor rund einem Monat eine schärfere Quotenregelung beschlossen, die auch für Landesparteien gilt.

Wien ist bereits weiter – eigentlich sogar Vorreiter. Unbemerkt von der Öffentlichkeit wurde vor rund zwei Jahren politisch einstimmig eine Frauenquote eingeführt. Seitdem werden (pro Partei) 75.000 Euro aus der jährlichen Klubförderung an eine Frauenquote gebunden. Parteien, deren Frauenquote im Gemeinderat unter 30Prozent liegt, bekommen von diesen jährlichen 75.000 Euro nichts. Für eine Wiener Partei fällt das bei der millionenschweren Klubförderung nicht wirklich ins Gewicht, es ist aber ein Signal. Und das hat seinen Grund.

Bei der Wien-Wahl 2015 sind etwa 1,144 Millionen Wiener wahlberechtigt. Davon sind 613.000, also rund 54 Prozent, Frauen. Alle Parteien müssen sich entsprechende Strategien überlegen. Auch, weil Frauen (in den Parteien) immer selbstbewusster auftreten. Und nun bewegt sich im Bereich der Gleichberechtigung einiges.

Die Wiener ÖVP geht erstmals mit einer Frauenquote in die Wien-Wahl. Die wählbaren Listenplätze für Gemeinderat und Bezirksparlament werden nach dem Reißverschlussprinzip vergeben. Einem Mann muss eine Frau folgen bzw. umgekehrt. Das gilt auch für die Liste der Wiener ÖVP bei Nationalratswahlen. Derzeit sind von zwölf ÖVP-Mandaten im Gemeinderat fünf mit Frauen besetzt, die ÖVP-Frauenquote liegt damit bei fast 42Prozent.

SPÖ vor ÖVP, Grüne und FPÖ

Den höchsten Frauenanteil im Stadtparlament besitzt mit rund 45Prozent die SPÖ: 22 von 49 Mandaten sind mit Frauen besetzt. Die Bürgermeisterpartei kämpft aber mit einem speziellen Problem. Seit dem Beschluss des Bundesparteitags vor rund einem Monat, bei dem auch den Landesparteien ein Reißverschlusssystem bei den Listenplätzen vorgeschrieben wird, muss einer Frau ein Mann folgen. Allerdings hat die SPÖ auf Bezirksebene oft ein „Tandem“: also zwei Männer oder Frauen, die z.B. als Bezirkschef und Stellvertreter seit Langem zusammenarbeiten und gut harmonieren. Diese Tandems möchte die SPÖ nicht auseinanderreißen. Außerdem müsste in einem Bezirk mit bisher zwei Frauen an der Spitze laut Reißverschlusssystem eine Frau einem Mann Platz machen. Das soll vermieden werden, meint SPÖ-Parteimanager Georg Niedermühlbichler. Er prüft gerade die Möglichkeit „eines doppelten Reißverschlusses“: also zwei Frauen an der Spitze, denen zwei Männer folgen bzw. umgekehrt – das soll mehr Flexibilität bringen. Und ein weiteres Problem verhindern: Scheidet eine Frau aus dem Gemeinderat aus (was öfter als bei Männern vorkommt), folgt laut Reißverschlussprinzip ein Mann – der Frauenanteil sinkt.

Dieses Problem bekamen die Grünen, bei denen Frauenförderung ein Pfeiler ihrer Politik ist, zu spüren. 2010 mit rund der Hälfte an Frauen im Gemeinderat gestartet, ist die Quote nach dem Ausscheiden von Sabine Gretner (sie ging zur Caritas), Monika Vana (sie ist nun EU-Abgeordnete), Maria Vassilakou (als Vizebürgermeister ist sie nicht im Gemeinderat) und Sigrid Pilz (sie wechselte zur Patientenanwaltschaft) im Gemeinderat auf 36 Prozent gesunken. Zurzeit liegt nur mehr die FPÖ schlechter.

„Das wollen wir nicht. Und das wird kein zweites Mal passieren“, kündigte Grün-Klubobmann David Ellensohn an. „Wir müssen und wir werden uns etwas überlegen, damit die Parität hält.“

Derartige Probleme beschäftigen die Freiheitlichen nicht. Ihr Männeranteil im Gemeinderat liegt bei 92Prozent – die Fraktion besteht aus 23Männern und zwei Frauen. Quoten lehnt Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache, der auch Wiener FPÖ-Chef ist, dezidiert ab. Listenplätze würden bei der FPÖ nur nach Leistung vergeben. Den niedrigen Frauenanteil erklärt Strache damit, dass sich Frauen weniger oft als Männer für eine Kandidatur zur Verfügung stellen. Für die FPÖ dürfte das (im Gegensatz zu anderen Parteien) zutreffen. Immerhin rekrutiert die FPÖ ihr politisches Personal massiv aus dem Bereich (schlagender) Burschenschaften. Und dort gibt es naturgemäß keine Frauen.

Neos gegen Frauenquote

Allerdings gibt es noch eine Partei, die sich gegen Quoten ausspricht. Für die Neos, die mit Beate Meinl-Reisinger an der Spitze in die Wien-Wahl gehen, sind Quoten mit einer liberalen Partei unvereinbar. Vor allem auf Bezirksebene würde es nicht genug Kandidatinnen geben, meint Meinl-Reisinger. Den Grund ortet sie in der oft mangelnden Vereinbarkeit von Beruf (Politikerin) und Familie. Die Neos würden aber in ihrer Parteiakademie Frauen, die in die Politik einsteigen wollen, gezielt fördern. Gleichzeitig habe sich der Neos-Parteivorstand, so Meinl-Reisinger, zur Ausgewogenheit der Geschlechter auf der Liste für die Wien-Wahl verpflichtet.

AUF EINEN BLICK

Frauen fordern immer stärker Gleichberechtigung, auch innerhalb politischer Parteien. Die Umsetzung geschieht mittels Quotenregelung bzw. Frauenförderung. Diesem Trend kann sich keine Partei vor der Wien-Wahl 2015 entziehen– ausgenommen der FPÖ.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.