Das Jahr der Begegnungszone

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Beruhigung einer Straße, die Farbe einer neuen U-Bahn und ortsunkundige Polizisten. Aber auch abseits der Fortbewegung erlebte Wien bewegende Momente.

Wien. Es war ein bewegtes Jahr. Gut, das lässt sich im Rückblick über die meisten sagen. Und in Wien müsste man vermutlich ohnehin von einem fortbewegten Jahr sprechen. Denn kaum ein Thema hat die Stadt dermaßen polarisiert wie die Frage, ob man sich auf der Mariahilfer Straße weiter mit dem Auto fortbewegen können soll.

Die Antwort lautet bekanntlich Nein mit leichtem Hang zum Jein. Soll heißen, ein Teil des Einkaufsboulevards wurde komplett zur Fußgängerzone gemacht. Zwei weitere Teilstücke bescherten den Wienern das Aha-Erlebnis einer Begegnungszone, in der weiter gefahren werden kann – allerdings eben nur sehr langsam und garniert mit Fußgängern und Radfahrern, mit denen die Straße gleichberechtigt geteilt wird.

Das Prestigeprojekt der Wiener Grünen, das über Monate einen großen Graben zwischen Gegner und Befürworter gezogen hatte, wurde am 7. März in einer Anrainerbefragung durchgewinkt. Im November waren zwei Drittel der Umbauarbeiten beendet, 2015 wird der Rest erledigt. Und ja, der eine oder andere Kompromiss im Zug der Umbauarbeiten mutet skurril an – etwa die Route des 13A, der nun einen Umweg durch enge Gässchen machen muss, um nicht durch die Fußgängerzone fahren zu müssen. Die Busfahrer der Wiener Linien hatten sich das ausbedungen.

Jenes Stück der Mariahilfer Straße, das der Bus nun befährt, ist übrigens noch eine Begegnungszone mit eigener Fahrbahn – beginnt hier der Umbau, könnte der Protest der Busfahrer erneut aufflammen. Bleiben wir bei der Fortbewegung, gehen wir aber noch ein Stück weiter in die Zukunft: 2014 beschloss die Stadt Wien, die U5 zu bauen. Fertig sein wird das erste Teilstück zwischen Altem AKH und Karlsplatz zwar erst 2023, doch immerhin durfte die Bevölkerung schon 2014 die vermutlich wesentlichste Frage bereits demokratisch klären: In einem Online-Voting im August setzte sich Türkis als Farbe der neuen Linie mit 65,01 Prozent deutlich gegen Rosa durch.

Aber auch abseits der Fortbewegung erlebte Wien bewegende Momente. Etwa rund um den von der FPÖ veranstalteten Akademikerball in der Hofburg im Jänner (siehe auch: Seite 10). Bei Demonstrationen gegen die Veranstaltung kam es zu Ausschreitungen mit neun Verletzen und einem Sachschaden von rund 100.000 Euro.

Die Polizei nahm rund 20 Menschen fest, ein deutscher Student wurde (nicht rechtskräftig) verurteilt. Und auch die Polizei hat dazugelernt: Künftig sollen aus anderen Bundesländern zur Verstärkung geholte Beamte, die nicht ortskundig sind, besser vorbereitet werden. Vielleicht auch mit einer Liste versehen werden, was man denn so alles tun darf in einer Begegnungszone. (eko)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2014)

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