Wie geheim darf die Strafjustiz sein?

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Die gegen mutmaßliche Mitglieder der Terrormiliz Islamischer Staat ermittelnden österreichischen Staatsanwälte wollen, dass ihre Namen aus Sicherheitsgründen geheim gehalten werden. Eine Analyse.

Wien. Ex-Bawag-Boss Helmut Elsner bekam wegen Untreue erstinstanzlich neuneinhalb Jahre Haft (der OGH erhöhte auf zehn Jahre). Elsners erfolgreicher Ankläger, Oberstaatsanwalt Georg Krakow, wechselte mit Richterin Claudia Bandion-Ortner in die Politik. Sie wurde Justizministerin, er Kabinettschef. Diese Karrieren waren mediales Dauerthema. Porträts wurden geschrieben, Fotos veröffentlicht. Sollten sich in den derzeit anhängigen Jihadisten-Verfahren ebenfalls Karrieresprünge abzeichnen, könnte es mit der Berichterstattung eng werden. Das Justizressort will, dass die Namen von Staatsanwälten geheim gehalten werden. Ist das realistisch?

Den Ausgang nahm dieses ministerielle Ersuchen – und ja, es ist angesichts der im Verfassungsrang stehenden Pressefreiheit „nur“ ein Ersuchen – in Krems. Von der dortigen Staatsanwaltschaft kamen laut „Presse“-Informationen die ersten Interventionen in diese Richtung. Stein des Anstoßes waren Zeitungsberichte über die erste Terror/IS-Anklage Österreichs. Laut „Kurier“ wurde die Nennung des Namens einer eingebundenen Staatsanwältin als „Kriegserklärung“ aufgefasst.

In der Anklage wird dem tschetschenischen Asylwerber Magomed Z. (der 30-Jährige lebte zuletzt im Waldviertel), wie berichtet, angelastet, Mitglied der Terrororganisation IS zu sein. Er soll bereits in Syrien eine Kampfausbildung erhalten haben. Er bestreitet das.

Akten werden geschwärzt

Ist es nun plötzlich eine „Kriegserklärung“, wenn der Name der Staatsanwältin im Zusammenhang mit einem Bericht über die Anklage erwähnt wird? Dazu muss man wissen: Viele Akten der aktuell in Wien, Graz und Krems laufenden Ermittlungsverfahren gegen mutmaßliche IS-Mitglieder sind Verschlussakten. Sie werden also vor Einsichtnahme (etwa durch die Verteidigung) großflächig vom Verfassungsschutz geschwärzt. Dennoch geht aus den Papieren hervor, welche Personen seitens der Justiz am Werk sind.

Das heißt, die Verdächtigen wissen sowieso, welcher Ankläger das jeweilige Ermittlungsverfahren leitet. Aber darum gehe es gar nicht, erklärt der Präsident der österreichischen Staatsanwältevereinigung, Gerhard Jarosch. Vielmehr wolle man Trittbrettfahrern in Sachen radikaler Islamismus das Leben schwer machen. Man wolle die eigenen Leute „vor Spinnern schützen“. Daher sollten die Namen von Staatsanwälten nicht in den Zeitungen und natürlich auch nicht in deren Online-Ausgaben zu lesen sein. Jarosch: „Wir wünschen uns das, es ist aber nicht daran gedacht, in die Pressefreiheit einzugreifen.“

Dass gefährdete Personen durch Berichterstattung nicht noch größerer Gefahr ausgesetzt werden sollen, liegt auf der Hand. Der österreichische Presserat hält in seinem Ehrenkodex fest: „Personen, deren Leben gefährdet ist, dürfen in Medienberichten nicht identifiziert werden, wenn die Berichterstattung die Gefährdung vergrößern kann.“

Welche Behörden bei den Jihadisten-Ermittlungen nun zur Zielscheibe möglicher Angriffe werden könnten, ist schwer zu beantworten. Zwei Grazer Justizvertreter bekamen nach einem großen Schlag gegen Jihadisten jedenfalls Personenschutz durch die Cobra. Unter den Verdächtigen befand sich der radikale Prediger Ebu Tejma. ÖVP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner sprach von einem der „größten Einsätze in der Geschichte des österreichischen Staatsschutzes“.

Öffentliche Hauptverhandlung

Wenn man nun primär von einer Gefährdung der Staatsanwälte ausgeht, was sollen dann erst die Richter tun – also jene Organe, die Strafen nicht „nur“ beantragen, sondern auch tatsächlich verhängen? Das Geheimhalten des Namens eines Richters wäre absurd. Bei Prozessen handelt es sich um öffentliche Hauptverhandlungen (ebendort werden wohlgemerkt auch die Anklagen von den Staatsanwälten öffentlich vorgetragen). Zwar ist bei Verhandlungen ein Ausschluss der Öffentlichkeit „wegen Gefährdung der nationalen Sicherheit“ möglich. Die Urteilsverkündung an sich hat aber stets öffentlich zu erfolgen.

„Wenn ein Kollege konkrete Hinweise auf eine Bedrohung hat oder schon Drohungen erhalten hat, würden wir sein Ersuchen um Anonymität unterstützen“, sagt Sabine Matejka, die Vizepräsidentin der österreichischen Richtervereinigung. Dies könnte etwa einen Haftrichter im Vorverfahren betreffen. Die Richtervereinigung fordert aber keineswegs pauschal – also etwa für alle Jihadisten-Verfahren – Anonymität für Richter.

Anwälte sehen die Entwicklung kritisch. Ein Verteidiger eines mutmaßlichen IS-Mitglieds schildert, dass bei Transporten von Verdächtigen vor und hinter dem Transportfahrzeug der Justizwache schwarze SUVs des Verfassungsschutzes fahren und darüber permanent ein Polizeihubschrauber kreise. Wird nicht dadurch, verbunden mit dem Ersuchen nach Anonymisierung der Ankläger, das Bild von gefährlichen Staatsfeinden gezeichnet – bei gleichzeitiger Aushöhlung der Unschuldsvermutung? Ein anderer Anwalt, Wolfgang Blaschitz, der Verteidiger des erwähnten mutmaßlichen „Terroristen aus dem Waldviertel“, befürchtet genau das. „Hier wird von der Anklage ein Gefährdungspotenzial aufgebaut“, sagt er. Und er fragt sich, wie jemand, der von vornherein als Terrorist abgestempelt wird, einen fairen Prozess bekommen kann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2014)

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