Ohne Auto geht in Liesing fast nichts

(c) Clemens Fabry
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Der öffentliche Verkehr lässt in den großen Stadtrandbezirken sehr zu wünschen übrig. Vorschläge wie der Bau einer zusätzlichen S-Bahn-Station sind in naher Zukunft nicht machbar.

Wien. Mit knapp 100.000 Einwohnern ist der 23. Bezirk (Liesing) einer der größten Bezirke Wiens und zugleich aber auch jener mit der geringsten Dichte an öffentlichen Verkehrsmitteln. Was umgekehrt zur Folge hat, dass der Ruf des grün geführten Verkehrsressorts „Autos raus aus der Stadt“ hier weniger fruchtet als anderswo. Mit etwa 500 Autos pro tausend Bewohnern (VCÖ-Studie aus 2013) liegt Liesing weit über dem Schnitt der Inner-Gürtel-Bezirke (rund 350) – wenngleich zuletzt die Zahl der Pkw leicht abgenommen hat.

Liesing steht stellvertretend für andere große Flächenbezirke Wiens, die allesamt beim Verkehr ganz andere Probleme haben als die inneren Bezirke. Und laut Meinung der Opposition würden diese Probleme beim Verkehrsressort, konkret bei Stadträtin Maria Vassilakou, nur ungenügend beachtet werden. „Die Grünen setzen auf ihre Basisklientel innerhalb des Gürtels. Sie machen viel Tamtam um die Mariahilfer Straße, aber tun nichts für die Flächenbezirke“, sagt der Verkehrssprecher der Wien-ÖVP, Roman Stiftner, selbst ein Liesinger, zur „Presse“.

In Liesing geht es nicht nur um den massiven Pendlerverkehr, der die südlichen Bezirke besonders betrifft (nicht einmal ein Fünftel der Pendler aus dem angrenzenden Bezirk Mödling kommt öffentlich), sondern es geht auch um die verbesserungswürdigen Verbindungen innerhalb des Bezirks, vor allem die Tangentialverbindungen.

Versuch eines Dialogs

Im September fand in Liesing eine von der Stadtplanung organisierte Perspektivenwerkstatt statt, bei der ein Team der TU (Abteilung Raumplanung) mit interessierten Bewohnern eine Woche lang brennende Probleme des Bezirks wälzte. Die genauen Ergebnisse dieses Dialogs werden Mitte Jänner präsentiert. Laut Bezirksvorsteher Gerald Bischof (SP) war die Kritik am öffentlichen Verkehr ein Hauptkritikpunkt. Konkret geht es um die Tangentialrouten, also um die Ost-West-Verbindungen, die nur rudimentär vorhanden sind, womit etwa eine Bezirksquerung in sinnvoller Zeit nicht zu bewältigen ist. Es gibt keine Straßenbahnen, lediglich Busverbindungen, die zuletzt etwas besser geworden sind: Aber deshalb verzichtet in Liesing noch niemand auf das Auto.

Einigermaßen attraktiv sind in Liesing nur die stadtauswärts führende U6 sowie die Schnellbahn. Für einen so großen Bezirk ist dies zu wenig. VP-Stiftner kann sich den Bau einer Staßenbahnlinie über die Breitenfurter Straße zumindest bis Atzgersdorf vorstellen. Die Grünen setzen auf den Ausbau der Schnellbahn. Sie wollen eine Verkürzung der Takte und schlagen neuerdings den Bau einer zusätzlichen Schnellbahnstation zwischen Hetzendorf und Atzgersdorf vor.

Klingt interessant, bei genauerem Hinsehen entpuppt sich das freilich als derzeit nicht durchführbares Projekt. Laut Auskunft der ÖBB ist die – nur zweispurig geführte Strecke zwischen Meidling und Mödling – mit S-Bahn, Regional- und Fernzügen – voll ausgelastet. Eine neue Station, vor der sich die Züge wieder einbremsen müssen, würde die Takte auf dieser Strecke deutlich verlangsamen, was wohl kontraproduktiv wäre.

Projekt der Zukunft

Technisch sei es machbar, sagt Bezirks-Chef Bischof. Die ÖBB müssten die Strecke vierspurig ausbauen, was wohl nicht billig wäre. Einem ÖBB-Sprecher zufolge werde das Projekt angedacht, aber sei erst weit in den Zwanzigerjahren spruchreif. Von rascher Entlastung Liesings kann also keine Rede sein.

Die zweite große stadtauswärts führende Verbindung ist die U6, die im Süden bis Siebenhirten fährt und viele Bewohner zum Umsteigen auf Öffis ermuntert. Vor einigen Wochen wurde groß verkündet, dass die Intervalle der U6 zu Stoßzeiten auf zwei Minuten verkürzt würden. Das Problem: In einem großen Teil Liesings, nämlich in den Stationen südlich von Alterlaa, hat sich gar nichts geändert. Tausende Menschen – es gibt dort große Wohnanlagen und eine Park&Ride-Anlage – müssen zwischen sechs und zehn Uhr weiterhin sechs Minuten auf eine U-Bahn warten.

Laut Wiener Linien sei die Wendeanlage der U-Bahn in Siebenhirten dafür nicht ausgebaut. Vielleicht einmal in ferner Zukunft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2014)

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