Terrorismus-Anklagen: Das Jahr der großen Jihadistenprozesse

(c) REUTERS (STRINGER)
  • Drucken

Der Auftakt erfolgt am 22. Jänner im Landesgericht Krems: An dem Tag findet Österreichs erster Prozess um die Mitgliedschaft bei der Terrorgruppe IS statt. Verhandlungen in Wien, Graz und St. Pölten werden folgen.

Auf dem Mobiltelefon des Angeklagten habe das Landeskriminalamt Niederösterreich „Abbildungen“ sicherstellen können – heißt es in der Anklageschrift. „Darauf zu sehen sind geschlechtliche Handlungen zwischen Personen, von denen zumindest jeweils eine offenkundig minderjährig ist.“ Konkret handle es sich bei den Opfern um „mündige minderjährigen Personen“. Also um 14- bis 17-Jährige. Gezählte „drei wirklichkeitsnahe Abbildungen“ fand man.

Und der Angeklagte? Der steht am 22. Jänner in Krems vor Gericht. Gewiss: Die (Straf-)Sache sieht nach einem typischen Sittlichkeitsprozess (Vorwurf: pornografische Darstellungen Minderjähriger) aus. Wären da nicht noch ganz andere, sehr massive Vorwürfe. Nämlich solche, die das Ganze zum österreichweit ersten großen Strafverfahren rund um die Terrororganisation IS machen.

Kämpfer aus dem Waldviertel

Trotzdem: Die drei auf das Handy heruntergeladenen Bilder sind Teil der Anklage. Dieser Umstand wäre angesichts der Schwere der Terroranklage zu vernachlässigen – gäbe es da nicht eine Entwicklung, die mit der Geschäftsverteilung im Landesgericht Krems zu tun hat: Eben weil auch ein Sexdelikt dazukommt, ist die Strafsache zu einer Richterin gewandert, die auf Sexualstraftaten spezialisiert ist. Dies mutet kurios an, folgt aber den internen Regeln des Gerichts.

Dieser Prozess wird im neuen Jahr nicht der einzige seiner Gattung bleiben; andere Verhandlungen gegen Jihadisten werden folgen. 2015 könnte sogar ganze Serien von einschlägigen Verhandlungstagen mit sich bringen.

Den Auftakt macht eben der 30-jährige tschetschenische Asylwerber Magomed Z. Er lebte zuletzt im Waldviertler Ort Heidenreichstein. Und soll 2013 in Syrien eine Kampfausbildung absolviert haben „sowie Unterweisungen im Umgang mit Bomben und Sprengstoffen“ (Zitat Anklage) erhalten haben. Resultierend daraus und auch aus Korrespondenzen via Nachrichtendienst WhatsApp (siehe Faksimile) wird ihm Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zur Last gelegt. Gemeint ist die in Syrien und im Irak wütende Terrormiliz IS (Islamischer Staat). Dieser Verbund radikaler Islamisten, der ein Kalifat frühmittelalterlicher Prägung ausgerufen hat, wird vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen als terroristische Vereinigung eingestuft.

Ob nun genug Beweise für eine Verurteilung (Strafdrohung: ein Jahr bis zehn Jahre Freiheitsstrafe) vorliegen, wird sich zeigen. Magomed Z., verteidigt vom Wiener Anwalt Wolfgang Blaschitz, bestreitet alle Vorwürfe. Er gibt an, sein Syrien-Aufenthalt habe nur der Suche nach einem Sohn einer Verwandten gegolten. Mit der Errichtung eines Gottesstaates will er nichts zu tun haben.

Indes läuft auch in Graz alles auf einen großen Jihadistenprozess hinaus: Dort sitzt der in Serbien geborene Prediger Mirsad O. (33) in U-Haft, bei Salafisten besser bekannt unter dem selbst gewählten Namen Ebu Tejma. So weit fortgeschritten wie ihre Kollegen in Krems sind die Grazer Justizvertreter aber noch lang nicht. Nach Lauschangriffen, Telefonüberwachungen und Observationen wurden Ende November in Wien und Graz 14 Personen festgenommen.

Mittlerweile befinden sich aber zehn von ihnen wieder auf freiem Fuß. Der größten Anti-Terror-Aktion des Verfassungsschutzes, die es bisher in Österreich gab (900 Beamte waren im Einsatz) folgte so etwas wie Ernüchterung. Der Nachweis, dass junge, möglicherweise bereits radikalisierte Männer – im Fall „Ebu Tejma“ sind es mutmaßlich zum Teil Türken bzw. türkischstämmige Österreicher, zum Teil Tschetschenen – auch tatsächlich IS-Mitglieder sind, ist eben nicht einfach zu erbringen.

Vor allem im Fall Mirsad O., dessen Anwalt, Lennart Binder, die Terrorismusvorwürfe für unberechtigt hält, muss man aber stark annehmen, dass die Staatsanwaltschaft Anklage einbringt. Dann würde ein Terrorismusprozess folgen. Wie berichtet hat ein Grazer Haftrichter gar festgestellt, dass O. „in Österreich Hauptideologe für den globalen jihadistischen Islamismus“ sei.

Urlaubs- oder Jihad-Reisen?

Auch die Bundeshauptstadt wird in absehbarer Zeit ihren großen Jihadistenprozess bekommen. Im August des Vorjahres haben zehn Personen, mehrheitlich tschetschenische Flüchtlinge, mit zwei Autos versucht, Österreich Richtung Osten zu verlassen. Laut Ermittlern sei das Endziel der Jihad in Syrien gewesen. Neun der zehn Leute sind nach wie vor inhaftiert.

Die Vorwürfe gegen die Gruppe, die von einer begonnenen Urlaubsreise spricht, wiegen schwer. So wurde einem 27-jährigen mutmaßlichen IS-Mitglied gerichtlich bescheinigt, dass „von der aktiven Unterstützung einer religiös motivierten und sich durch öffentlich inszenierte Gräueltaten in Szene setzenden Weltanschauung sowohl eine innerstaatliche als auch internationale Gefährdung der gesellschaftlichen Sicherheit ausgeht“.

Und auch St. Pölten dürfte bald Prozessschauplatz werden: Ein 14-Jähriger saß dort zwei Wochen in U-Haft, weil er Pläne für einen Anschlag auf den Wiener Westbahnhof zugegeben haben soll. Mittlerweile ist der Sonderschüler wieder frei. Und wartet auf seine Verhandlung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.01.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Österreich

Verurteilt, abgetaucht – der „Drohvideo-Islamist“

Mohammed Mahmoud, einst ein in Österreich tätiger Scharfmacher, dürfte derzeit in Syrien aktiv sein.
 Landesgericht Krems
Österreich

Jihadismus-Prozess in Krems vertagt

Der mutmaßliche Jihadist bekannte sich nicht schuldig. Drei Zeugen wurden befragt. Zu einem Urteil kam es nicht. Das Verfahren wurde auf unbestimmte Zeit vertagt.
Archivbild: Magomed Z. und seine Bewacher am ersten Prozesstag
Österreich

Terror-Prozess in Krems: Anklage tut sich schwer

Die Vorwürfe gegen den mutmaßlichen Jihadisten Magomed Z. wurden abgeändert: Sie wurden weiter und allgemeiner gefasst. Der Angeklagte beklagte seine martialische Bewachung. Diese erzeuge erst das Terror-Bild.
Justizwachebeamte vergangene Woche im Gerichtssaal
Österreich

Warum Justizbeamte Masken tragen (dürfen)

Österreichs erster IS-Terror-Prozess als Geburtsstunde für ungewohnte Bilder: Justizorgane „ohne Gesicht“.
Kam schwarz maskiert zum Prozess und sorgte damit für Stirnrunzeln: die Einsatzgruppe der Justizwache.
Österreich

Terrorprozess: "Der Jihad bringt nur Krieg und Leid"

Schwerst bewacht stand der Tschetschene Magomed Z. in Krems wegen Mitgliedschaft in der Terrororganisation IS vor Gericht. Er sei aber „absolut unschuldig“, erklärte der 30-Jährige.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.