Schwerst bewacht stand der Tschetschene Magomed Z. in Krems wegen Mitgliedschaft in der Terrororganisation IS vor Gericht. Er sei aber „absolut unschuldig“, erklärte der 30-Jährige.
Krems. Die Stimmung im Schwurgerichtssaal des Kremser Landesgerichts ist gespenstisch. Vier mit Glock-Pistolen bewaffnete und mit beschusshemmenden Westen ausgestattete Männer der Justizwache führen den Angeklagten herein. Die Beamten tragen dunkelblaue Overalls – und schwarze Gesichtsmasken. In eigentümlichem Kontrast dazu trägt der „Delinquent“, ein schlanker Mann mit dicker Brille, einen knallroten Sweater.
Die Anklagepunkte Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und – auch dies wirkt wie ein eigentümlicher Kontrast – pornografische Darstellungen Minderjähriger werden dem 30-Jährigen vorgeworfen. Magomed Z., ein seit September des Vorjahres in U-Haft sitzender Asylwerber aus Tschetschenien, bekennt sich „absolut unschuldig“. Und während die Vorwürfe vorgetragen werden, umstellen die schwarz Maskierten den Angeklagten. Später, während der stundenlangen Einvernahme, steht abwechselnd immer einer der Beamten dicht hinter Z., während die anderen drei sitzen.
Terroristische Vereinigung also. Die Staatsanwältin, die auf Drängen des Justizressorts nicht namentlich genannt werden soll, holt maximal weit aus: „9/11, die Anschläge in Madrid, London und Paris – all das ist terroristische Vereinigung.“ Stimmungsmache würde die Anklage keineswegs betreiben, heißt es gleich dazu. Und Z.? Was wird ihm angelastet? Er soll von Ende Juli 2013 bis Anfang Dezember 2013 in Syrien „eine Waffen- und Kampfausbildung des IS (Islamischer Staat, Anm.) absolviert und auch an Kampfhandlungen teilgenommen haben. Außerdem soll er 800 US-Dollar im Juli 2014 an ein bisher unbekanntes IS-Mitglied überwiesen haben. Und: Er soll drei Pornofotos von 14- bis 17-jährigen Minderjährigen auf sein Mobiltelefon heruntergeladen haben. Apropos: Eine Anleitung zum Bau von Bomben sei auf dem Handy auch gefunden worden.
Anwalt Wolfgang Blaschitz wendet sich zunächst an die beiden Schöffen (rechtliche Laien) im Richtersenat. Ihm scheint eine Klarstellung vonnöten: „Der Angeklagte ist nicht einer der Attentäter von Paris. Er hat auch nicht an 9/11 teilgenommen.“ Und: „Kein vernünftiger Mensch heißt es gut, was sich in Paris zugetragen hat“, fügt er im Hinblick auf das omnipräsente „Charlie Hebdo“-Attentat noch an.
„Das Kalifat gab es noch nicht“
Am stärksten wird Z. durch seine Chats via Nachrichtendienst WhatsApp belastet. Ebendort unterhielt er sich mit einem Kampfgefährten über den Jihad. Auch tauchten Bilder von Z. auf, die diesen bewaffnet posierend zeigen.
Sein Mandant habe sich als besonders männlich darstellen wollen, er habe damit seine extreme Sehschwäche, wegen der er immer wieder „verspottet“ werde, kompensieren wollen. Sagt der Verteidiger. Im Übrigen: „Einfache zeitgeschichtliche Abläufe widerlegen die Anklage.“ 2013, als Z. in Syrien war, habe es das „Kalifat“ des IS noch gar nicht gegeben.
Kalifat, Jihad, Scharia, Mudjaheddin – Prozessleiterin Monika Fasching-Lattus fragt nun stichwortartig ab, was Z. zu diesen Begriffen einfällt. „Wie stehen Sie zur Scharia?“ Z. antwortet wie ein Musterschüler: „Das sind Gesetze der muslimischen Länder. Ich bin hier in Österreich und muss die Gesetze Österreichs einhalten.“
„Wie stehen Sie zum Jihad?“ – „Der bringt nur Krieg und Leid.“ – „Wie stehen Sie zum IS?“ – „Diese Organisation macht vieles falsch.“
Warum er dann nach Syrien gereist sei, will die Richterin wissen. – „Ich bin hingefahren, um etwas Gutes zu tun.“ Er habe in einem Flüchtlingslager im türkisch-syrischen Grenzgebiet eine Verwandte getroffen, die nach ihrem verschollenen Sohn gesucht habe. Diesen Sohn habe er dann auf syrischer Seite gesucht und gefunden. Die Organisation, der er sich anschloss, sei keine Splittergruppe des IS gewesen, sondern vielmehr eine „karitative Organisation“. So habe er etwa in einem Flüchtlingslager Essen verteilt. Fast schon kitschig klingt es, wenn Z. auf die Frage der Richterin, was er sonst noch alles getan habe, antwortet: „Wir sind spazieren gegangen, in der Natur, in der frischen Luft.“
Als Asylwerber im Waldviertel
Immer wieder geht Z. selbst auf seine Sehschwäche ein. Zur Richterin: „Ich bin fast ein blinder Mensch, wenn ich meine Brille abnehme, bin ich blind.“ Alsdann wird ihm sein Augenleiden auch von einem Mediziner im Gerichtssaal attestiert. Daher sei er von Syrien mithilfe eines Schleppers nach Österreich gekommen, um hier seine Augen behandeln zu lassen. Schon einmal hier habe er auch gleich um Asyl angesucht. Nach einem Aufenthalt im Zentrum Traiskirchen landete er in einer Flüchtlingsunterkunft im Waldviertler Ort Heidenreichstein.
Eine Videokonferenz mit einem mutmaßlichen, derzeit in Deutschland lebenden Kampfgefährten muss Donnerstagnachmittag entfallen. Der Mann „schwänzt“ kurzerhand den Gerichtstermin. Z. will diesen Mann gar nicht kennen.
Die Verhandlung wurde nach fast 13 Stunden auf 11. Februar vertagt.
Auf einen Blick
Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung – nämlich in der unter anderem in Syrien aktiven Terrormiliz IS – sowie pornografische Darstellungen Minderjähriger wurden dem 30-jährigen Asylwerber aus Tschetschenien, Magomed Z., vorgeworfen. Z. bekannte sich bei seinem Prozess im Landesgericht Krems nicht schuldig. Die Verhandlung, die durch hohes Medieninteresse und nur mäßiges Publikumsinteresse gekennzeichnet war, fand unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen statt.