Peter Gridling: Der Staatsfreund Nr. 1

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Peter Gridling ist Chef des Verfassungsschutzes. Die Ausbreitung des Jihadismus in Europa machte den einstigen Staatspolizisten ungewollt zu einem Mann der Öffentlichkeit. Ein Porträt.

Die beiden treten immer zu zweit auf. Der große, bullige Mann und die alte, abgewetzte Aktentasche aus dickem Leder tragen gemeinsam und seit vielen Jahren Informationen durch die Gänge des Innenministeriums, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Die Berichte und Analysen zu staatsfeindlichen Bedrohungen bekommt außer ihnen nur die handverlesene Spitze des Sicherheitsapparats zu sehen. Und vielleicht, wenn es der Sache dient, ausgesuchte Mitarbeiter befreundeter Nachrichtendienste. Im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) wird das Amtsgeheimnis hoch gehalten.

Trotzdem wurde Peter Gridling während der vergangenen Monate auch jenem Teil der Bevölkerung bekannt, der sich normalerweise nicht aktiv für die innere Sicherheit der Republik interessiert. Seitdem sich mehr und mehr in Österreich lebende Personen dem Jihad muslimischer Extremisten anschließen, muss der 57-Jährige immer häufiger auch öffentlich die Bedrohungslage im Land erklären. Soweit es das Amtsgeheimnis eben zulässt.


Staatsschutz zum Angreifen. Wirklich gern füllt der gebürtige Osttiroler die Rolle des Medienmannes, der im Rahmen von Interviews und Diskussionen die dunkelsten Winkel unserer Gesellschaft beleuchtet, nicht aus. Dafür hat er im Lauf der Jahre die berufsbedingte Zurückhaltung viel zu sehr verinnerlicht. Und dennoch: Die durch mehrere terroristische Ereignisse entstandene Routine bei öffentlichen Auftritten machte ihn zu einem unaufgeregten, die Lage aber niemals beschönigenden Gesprächspartner.

Dabei erzählt der verheiratete Vater zweier erwachsener Kinder fast immer mehr, als es scheint. Im Laufe seiner Karriere hat Gridling gelernt, für die Ohren oberflächlich informierter Zuhörer nie mehr zu sagen als nötig. Wer jedoch aufmerksam zuhört, seine Äußerungen mit den Inhalten des öffentlichen Verfassungsschutzberichts und den Tagesnachrichten verknüpft, dem erschließen sich überraschend tiefe Einblicke in die jihadistischen, rechts- oder linksextremen Abgründe dieses Landes.

Abgründe, mit denen Gridling sich seit mehr als 30 Jahren beschäftigt. Ende der 1970er-Jahre hatte er die Wahl zwischen zwei Bubenträumen: Förster oder Gendarm. Er wählte letzteren, begann seinen Dienst in Tirol und landete schließlich bei der Vorläuferorganisation der Cobra, dem Gendarmerieeinsatzkommando (GEK). Nebenher war er als Schwimmtrainer tätig (Schwimmunion Hall) und studierte Jus (Diplomarbeitsthema: Das Recht auf persönliche Freiheit: Neuregelungen durch das BVG). Unter SPÖ-Innenminister Franz Löschnak wechselte er 1992 als Referatsleiter zur Staatspolizei nach Wien. Auftrag: Die Erforschung von Ausländer- und Linksextremismus. Eine Tätigkeit, die Vertretern der Linken heute noch als Anfangsverdacht für öffentliche Behauptungen dient, Gridling und seine Behörde seien auf dem rechten Auge blind.

Dabei scheint der Mann, der wegen seiner äußerlichen Erscheinung und der Liebe zu gutem Essen und Trinken scherzhaft schon von einigen im Innenressort mit dem Schauspieler Bud Spencer verglichen wurde, mit beiden politischen Reichshälften gut zu können. Löschnaks Nachfolger und Parteikollege Caspar Einem machte ihn einst zum Leiter der Einsatzgruppe zur Bekämpfung des Terrorismus (EBT). Unter VP-Ressortchef Ernst Strasser kehrte er Wien in Richtung Den Haag den Rücken, wo er die Anti-Terror-Abteilung von Europol führte. Nach Österreich zurückgeholt hat ihn Günter Platter. Das war 2008, seither ist Gridling Direktor des BVT. Platters Nachfolgerinnen, zuerst Maria Fekter, dann Johanna Mikl-Leitner, pflegten und pflegen ein Vertrauensverhältnis zu ihm.

Arbeit unter der Käseglocke. Was man von Mitarbeitern des Staatsschutzes nicht immer behaupten kann. Nicht, dass Gridling als besonders schwieriger Chef gilt. Aber jene, die gegen seine Prinzipien verstoßen, bekommen Ärger. Das passiert dann, wenn private Tätigkeiten von Beamten den Eindruck erwecken, dass das BVT seine Arbeit, die in einem ideologischen Minenfeld stattfindet, nicht unabhängig durchführt.

Auch in einem anderen Zusammenhang wirkt der Chef des Staatsschutzes manchmal erstaunlich dünnhäutig. Auf Fundamentalkritik an staatlichen Überwachungswünschen reagiert er allergisch. Geprägt durch ein langes Berufsleben im öffentlichen Dienst hat Gridling ein nahezu unerschütterliches Vertrauen in die rechtsstaatliche Selbstkontrolle entwickelt.

Vielleicht hat die Auseinandersetzung mit Kritikern aber auch nur mit jenen Berichten zu tun, die nur Gridling und seine alte Aktentasche zu Gesicht bekommen. Der Inhalt dürfte schwer verdaulich sein. Danach gefragt gibt er eine beunruhigende Antwort: „Ich schlafe häufig schlecht.“

Geheimnisträger

Peter Gridling ist seit 2008 Direktor des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). Geboren in Osttirol führte ihn die Karriere über die Gendarmerie, das Gendarmerieeinsatzkommando, die Staatspolizei und Europol bis ins Herz der inneren Sicherheit der Republik. Der 57-Jährige diente unter SPÖ- und ÖVP-Innenministern. Wegen der sensiblen Ermittlungsfelder seiner Behörde steht er immer wieder öffentlich in der Kritik.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2015)

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