Fall Alijew: Die falsche Spur zu Gusenbauer

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Eine Zeugenaussage, die kurz vor Freigabe der Anklage auf Geheiß des Justizressorts zustande kam, enthüllt, wie die Kasachstan-Affäre in ein politisches Fahrwasser geleitet wurde.

Wien. Hätte Bestsellerautor John le Carré den Stoff niedergeschrieben (vielleicht tut er es ja noch) – man hätte diesen Thriller wohl für überfrachtet gehalten. Doch die Realität ist oft hintergründiger als jeder Roman. Eben auch in der Kasachstan-Affäre um den in Wien in U-Haft sitzenden Ex-Botschafter Rachat Alijew. Vor ein paar Wochen, kurz vor Freigabe der Anklageschrift durch das Justizressort – Alijew soll zwei kasachische Bankmanager ermordet haben – wurde quasi als Last-Minute-Zeuge ein Landsmann des Verdächtigen befragt. Dessen Aussage birgt Sprengstoff.

Der unter Wahrheitspflicht von einer Wiener Haftrichterin einvernommene Zeuge, der kasachische Banker Lev N., belastet den Ex-Diplomaten schwer. Und N. sagt, dass ihm von Alijew 500.000 Euro versprochen worden seien – für den Fall, dass Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer, andere europäische Politiker und der kasachische Geheimdienst KNB in die Affäre hineingezogen würden.

Tatsächlich: Lev N. sandte belastende Schreiben an die österreichische Botschaft in den Vereinigten Arabischen Emiraten und an einen österreichischen Ermittler. Und schuf so die zweifelhafte Grundlage für Spionage-Ermittlungen gegen Gusenbauer.

Noch einmal zurück zur Anklage gegen Alijew: Diese ist, wie berichtet, fertig. Aber noch nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft Wien nimmt darin nicht nur Alijew (52), sondern auch den früheren kasachischen Geheimdienstchef Alnur Mussajew (61) und den Ex-Alijew-Leibwächter K. (42) ins Visier. Allen dreien wird der Doppelmord vorgeworfen. Von einer geschlossenen Indizienkette ist die Rede. Als Motiv nimmt die Anklage bei Alijew – frei „übersetzt“ – so etwas wie Habgier an. Bei den beiden mutmaßlichen Mittätern bleibt die Motivlage jedoch wolkig. Alle drei bestreiten die Vorwürfe. Alijew, einst Schwiegersohn des kasachischen Machthabers Nursultan Nasarbajew, spricht von einer kasachischen Geheimdienstfehde. Und von politischer Verfolgung.

„Politischer Lärm“

Hier schließt sich der Kreis zum Zeugen N. Der Mann, der an einer neurologischen Erkrankung leidet und via Videokonferenz in einem Krankenhaus in der kasachischen Großstadt Almaty unter Kontrolle der österreichischen Konsulin schriftlich auf die Fragen antwortete, erklärte, dass ein politischer Konnex konstruiert werden sollte. Es hätte, so heißt es in einem Vernehmungsprotokoll vom 17. Dezember 2014, „gezeigt werden sollen, dass Kasachstan ihn (Alijew, Anm.) ausschließlich aus politischen Motiven (...) verfolgt.“ Weiter: „Politischer Lärm“ hätte erzeugt werden sollen. Dieses Komplott orientierte sich an der Tatsache, dass Gusenbauer (wie auch der britische Ex-Premier Tony Blair) tatsächlich Beratungsdienste für die kasachische Führung erbrachte. Nun hieß es in den von N. verfassten (und gemäß dessen Aussage von Alijew bestellten) Schreiben, dass Gusenbauer auch vertrauliche Informationen Richtung Kasachstan weitergereicht habe. Und vom KNB Millionen bekommen habe.

Der Ex-Kanzler bestritt zwar alle Vorwürfe. Die Sache fand aber, wie geplant, ihren Weg in die Öffentlichkeit. Auch wenn das Spionageverfahren gegen den Ex-Kanzler längst eingestellt ist (jenes gegen den Rechtsvertreter der mutmaßlichen Alijew-Opfer, Gabriel Lansky, läuft noch immer), zeigt die Aussage doch dessen Entstehung. Und sie bringt einen neuen Zeugen ins Spiel. Den kasachischen Unternehmer M. Diesem habe – laut Lev N. – der nunmehr mitangeklagte Leibwächter K. brisante Informationen anvertraut. Nämlich Alijews Beteiligung an der Ermordung der beiden Bankmanager.

Gericht glaubt dem Zeugen N.

Wie sind nun die Angaben von N. zu bewerten? Das Justizressort wollte diese Befragung unbedingt haben – und hielt sogar die Fertigstellung der Anklage solange zurück. Indes liegt auch eine Art Wertung durch die Haftrichterin des Verfahrens vor. Diese schreibt in ihrer Begründung der Verlängerung der über den Ex-Botschafter verhängten U-Haft: „Der Zeuge N. machte entgegen den Darstellungen des Beschuldigten (...) einen durchaus glaubwürdigen Eindruck.“ Und sie hebt einen weiteren Punkt der Aussage von Lev N. hervor: „Alijew soll nach Angaben des Zeugen N. zwei Millionen Euro an den Mitbeschuldigten K. (den Leibwächter, Anm.) für dessen Schweigen in Bezug auf die gegenständlichen Vorfälle bezahlt haben.“ Apropos Entlohnung: N. selbst will von den ihm angeblich versprochenen 500.000 Euro keinen Cent gesehen haben.

DER MORDVORWURF

Dem früheren Botschafter Kasachstans in Wien, Rachat Alijew, wird vorgeworfen, im Februar 2007 in Kasachstan die beiden Banker Zholdas Timralijew und Aybar Khasenov getötet zu haben. Er soll dabei zwei Mittäter gehabt haben. Das Trio bestreitet dies. Österreich ist zur Übernahme der Strafverfolgung verpflichtet, da es die Auslieferung der Verdächtigen nach Kasachstan verweigert. Der spektakuläre Prozess könnte in der ersten Jahreshälfte 2015 in Wien beginnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2015)

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