Nach Unfall: Fahrerflucht auf Skiern

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Ein Bub stürzt aus dem Sessellift. Doch die beiden Männer, die den Haltebügel zu früh geöffnet haben, helfen dem Achtjährigen nicht, sondern flüchten. Es ist kein Einzelfall.

Wien. In diesem einen Fall konnte man sie ausfindig machen. Jene beiden Männer, die am Mittwoch beim Skifahren in Flachau einen verletzten Achtjährigen im Stich gelassen haben.

Die Männer und der achtjährige Bub aus Wien waren mit dem Sessellift unterwegs, als die zwei Erwachsenen beim Aussteigen den Haltebügel zu früh öffneten. Der Achtjährige, der mit einer Skischulgruppe unterwegs war, rutschte nach vorn und stürzte fünf Meter in die Tiefe. Er brach sich den Unterarm und erlitt Schürfwunden. Doch anstatt sich um den Verletzten zu kümmern, begingen die beiden Männer Fahrerflucht auf Skiern. Erst am Donnerstag konnten die beiden Urlauber aus den Niederlanden, einer 50, einer 62 Jahre alt, ausfindig gemacht werden.

Es ist kein Einzelfall. Wenige Stunden nach dem Unfall wurde auch eine 35-jährige Polin beim Skifahren in Tirol schwer verletzt. Ein unbekannter Skifahrer rammte sie mit hoher Geschwindigkeit, die Frau brach sich ein Bein, der Mann wird immer noch gesucht. Im Gegensatz zum 28-jährigen Snowboardfahrer, der Anfang Jänner im Skigebiet Dachstein mit einem siebenjährigen Mädchen zusammenstieß. Auch er wollte flüchten, wurde aber von Zeugen festgehalten. Was passiert nun mit ihm und wie oft gibt es Fahrerflucht auf der Skipiste? Ein Überblick.

1 Wie oft kommt Fahrerflucht auf Skiern vor? Nimmt die Zahl zu?

Fahrerflucht auf Skiern (oder mit dem Snowboard), das passiert sogar ziemlich häufig. Bei 15 bis 20 Prozent der Unfälle mit Fremdverschulden verschwinde der Unfallverursacher einfach, sagt Hans Ebner, Leiter des Alpindienstes im Innenministerium. Wobei es keine Zahlen gebe, ob mehr Männer als Frauen, mehr Touristen als Einheimische, mehr Jüngere als Ältere flüchten. Nur die Zahl sei seit Jahren konstant. Den oder die Gesuchten nachher ausfindig zu machen gestaltet sich dafür oft schwierig. Wenn es auch immer wieder vorkomme, dass Zeugen dem Flüchtigen nachfahren und ihn aufhalten.

2 Was passiert, wenn der Flüchtige erwischt wird?

Bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe (oder eine Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen) sieht das Gesetz bei Fahrerflucht vor. Im günstigsten Fall. So steht es im Strafgesetzbuch § 94 („Imstichlassen eines Verletzten“). Sollte das Opfer schwer verletzt sein, kann die Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahre dauern, stirbt das Opfer, sogar bis zu drei Jahre.

3 Was müssen Zeugen bei so einem Unfall leisten?

Sobald jemand verletzt ist, ist man verpflichtet, Erste Hilfe zu leisten. Das gilt auch für die Skipiste. Einzige Ausnahme: wenn man sich selbst oder andere beim Leisten der Hilfe in große Gefahr bringen würde. Abgesehen davon bittet die Polizei immer wieder um Hinweise, wenn es darum geht, flüchtige Skifahrer zu identifizieren.
Im Fall des Buben, der vom Sessellift gestürzt ist, hat etwa das Liftpersonal die beiden Urlauber wiedererkannt. Gegenüber der Polizei gaben die beiden an, sie seien davon ausgegangen, dass dem Buben bereits geholfen wurde – und deswegen nicht stehen geblieben. Zudem hätten sie den Vorfall einem Mitabeiter der Bergbahnen gemeldet. Sie wurden wegen fahrlässiger Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung angezeigt.

4 Wie oft passieren Unfälle auf der Piste. Wer ist betroffen?

Rund 3700 Unfälle mit Fremdverschulden gab es laut Statistik der Alpinpolizei in der Saison 2013/2014. 39 Menschen sind dabei gestorben. Unfälle auf der Skipiste, etwa Skifahrer, die sich aus Eigenverschulden ein Bein brechen, gibt es freilich weitaus mehr.

Tendenziell seien mehr Männer als Frauen in Unfälle mit Fremdverschulden verwickelt, so Ebner vom Alpindienst. Die Zahl der Unfälle mit Fremdverschulden ist in den vergangenen Saisonen gestiegen (2011/2012 hat es 3125 gegeben; 2012/2013 rund 3300 Unfälle). Das sei laut Ebner aber mehr vom Wetter abhängig als vom Verhalten der Skifahrer. „Österreichweit gibt es an einem Wochenende mit guten Schneeverhältnissen 60 bis 80 Verletzte pro Tag“, sagt er. Mehrere schlechte Wochenenden würden die Statistik daher stark verschieben. In dieser Saison hätte man bis jetzt 1100 Unfälle gezählt. Das seien deutlich weniger als im Vergleichszeitraum davor, erklärt Ebner. Aus einem einfachen Grund: Das schlechte Wetter hat den Saisonstart 2014/2015 nach hinten verschoben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2015)

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