Cobra: Schlangengift gegen Terror

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Die Innenministerin will Millionen in den Kampf gegen den Terror stecken. Die Cobra führt ihn bereits jetzt sehr erfolgreich.

Man muss als Terrorist schon sehr gut trainiert sein, wenn man in der kurzen Zeit reagieren will. Mehrere Menschen stehen in einem kleinen Raum, zwei Geiselnehmer bedrohen sie mit Waffen. Plötzlich macht es krach, es blitzt, macht wieder krach, und schon liegen die Geiselnehmer mit dem Gesicht nach unten am Boden. Gefühlte drei Sekunden hat es von der Lebensgefahr bis zur Befreiung gedauert.

Abgelaufen ist es so: Nach einer Aufklärung mit Minikameras, die zeigten, wo im Raum sich die Geiselnehmer aufhalten und wie sie bewaffnet sind, postierten sich Teams des Einsatzkommandos Cobra vor den zwei Türen. Eine Tür wurde mit einem Rammbock aufgebrochen, die andere gesprengt. Dann flogen Blendgranaten, die mit ihrem sehr hellen Lichtblitz und dem lauten Knall die Geiselnehmer desorientierten. Und diese Zeit genügte dem Spezialkommando, um die Täter auszuschalten. Unblutig.

Künftig vermutlich öfter blutig. Denn die Bedrohungsart hat sich geändert. Es geht nicht mehr um gewöhnlich Kriminelle, die mit Geiselnahmen Geld oder eine Flucht erpressen und lebend davonkommen wollen. Heute geht es um Selbstmordattentäter, die mit ihren Taten ein politisches Statement setzen wollen. Überleben ist zweitrangig, erstrangig ist, mit breitestmöglicher Wirkung Terror zu verbreiten.

Spätestens seit dem Anschlag auf „Charlie Hebdo“ in Paris ist die Angst auch in Österreich angekommen, das allein aufgrund seiner Größe und politischen Bedeutung nie als primäres Ziel von Anschlägen galt. 300 Millionen Euro will Innenministerin Johanna Mikl-Leitner in ein Sicherheitspaket stecken, mit dem sich Österreich besser vor allem gegen islamistischen Terror soll wappnen können. In Wiener Neustadt, in der Zentrale der Spezialeinheit Cobra, macht man das seit vielen Jahren - still, heimlich und erfolgreich.

„Bedrohung ist Bedrohung, egal, von wem sie ausgeht“, erklärt ein Offizier, der, wie auch andere Gesprächspartner, nicht mit Namen in der Zeitung stehen will. Es geht um die Frage, wie sich das Bedrohungsszenario durch radikale Islamisten geändert hat. Wie geht man gegen Geiselnehmer vor, die bereit sind zu sterben und vielleicht auch noch eine Sprengstoffweste tragen?

Vor vielen Jahren, im November 1996, beendete das Einsatzkommando seinen bisher vermutlich öffentlichkeitswirksamsten Einsatz, eine Geiselnahme im Gefängnis Graz-Karlau, sogar ohne Verletzte. Drei Schwerverbrecher hatten drei Frauen als Geiseln genommen und zwei Justizwachebeamte schwer verletzt. Die Cobra stürmte und überwältigte die Täter, bevor die eine Brandfalle zünden konnten.

„Hätten sie eine Sprengweste getragen, wären wir anders vorgegangen.“ Die Ausbildner in Wiener Neustadt haben schon vor vielen Jahren bei israelischen Spezialeinheiten gelernt, wie man mit Selbstmordattentätern umgeht. Daher gehe es eben bei einem Einsatz in erster Linie um die Art der Bedrohung, erst in zweiter darum, wer der Täter ist. „Für uns war der Einsatz gegen den Wilderer vom Annaberg (der gezielt auf die Einsatzkräfte geschossen hat, Anm.) so dramatisch, wie wenn es gegen Terroristen geht.“

Alois H. überlebte den Einsatz nicht, er starb durch eigene Hand. Die Täter der jüngsten Terrorattacken in Paris und Sydney überlebten ebenfalls nicht, sie starben durch Polizeischüsse. Die Debatte über die Legitimität des „finalen Rettungsschusses“, die vor 27 Jahren nach der Geiselnahme im deutschen Gladbeck breit geführt worden war, gibt es heute nicht mehr. Es scheint gegeben, dass der, der durch das Schwert lebt, auch durch das Schwert stirbt.


700 Mitglieder. „Niemand kann einen tödlichen Schuss befehlen“, sagt einer der Offiziere. Bei einer Geiselnahme obliegt es den einzelnen Beamten der Cobra, wie sie den Geiselnehmer unschädlich machen. Ob ein Scharfschütze einen tödlichen Schuss abfeuert, entscheidet nur er – weil er sich am Ende auch dafür verantworten muss. „Die Verantwortung kann man nicht in der Befehlskette nach oben abtreten.“ Ob man damit dem einzelnen Polizisten nicht eine schier unmögliche Bürde auflastet? „Wir trainieren dafür. Was wir sicher nicht wollen, ist, dass ein Vorgesetzter befiehlt, jemand anderen zu töten oder sich jemand auf einen Befehl ausreden kann.“

380 „klassische“ Mitglieder hat das Sonderkommando. Als „klassisch“ bezeichnen wir die Männer in schwarzen Overalls, die zu Einsätzen, die gemeinhin als gefährlich gelten, ausrücken. Im Jahr sind es etwa 900, bei denen Täter festgenommen werden. Dazu kommen Personenschützer (etwa für den Bundeskanzler), Mitglieder des Entschärfungsdienstes und Flug-Marshalls, insgesamt sind es 700 Personen. Sie teilen sich auf mehrere Standorte in Österreich auf, binnen 70 Minuten sind sie schon jetzt an jedem Ort des Landes.

Die Ausbildung unterscheidet sich wenig von der, die die Mitglieder des nur wenige Kilometer entfernten Jagdkommandos des Bundesheeres in Wiener Neustadt erhalten. Auch das sind hoch spezialisierte Sondereinsatzkräfte, die allerdings auf den Tag X trainieren. Die Cobra wird tagesaktuell eingesetzt. Natürlich gibt es Animositäten zwischen Jagdkommando und Cobra: Beide halten jeweils sich selbst für besser gerüstet und besser trainiert für den Kampf gegen den Terror. Weil die Terroristen militärisch agierten oder weil man mehr Erfahrung durch praktische Einsätze hat. Und natürlich wäre es nicht Österreich, würde es nicht eine strikte Trennung geben: Ein gemeinsames Training gab es noch nie.

Übrigens: Was man mit jemandem macht, der mit einem Finger am Knopf einer Sprengweste Geiseln hält? Da gibt es nur eine Möglichkeit. „Man muss genau in das Klein- oder Stammhirn schießen“, sagt ein Präzisionsschütze. „Damit schaltet man das zentrale Nervensystem ohne jeden Zeitverlust aus.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2015)

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