Hochwasser: Nicht mehr absaufen

HOCHWASSER IN OeSTERREICH: OBEROeSTERREICH
HOCHWASSER IN OeSTERREICH: OBEROeSTERREICHAPA/RUBRA
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In Oberösterreich verlassen nach dem Donauhochwasser 2013 Anrainer ihre Häuser: zwischen aufwühlender Absiedlung und Ärger über "Enteignung".

Welch Kontrast: Letzte Schneereste liegen in den Furchen der umliegenden Äcker, darüber ist es still. Umso mehr elektrisiert das schwarze Plakat auf der Gartenmauer des neuen Einfamilienhauses hinter der Ortstafel von Hagenau. „Absiedeln statt absaufen“: Die Botschaft rüttelt auf. Im Juni 2013 ist in diesem Ortsteil der rund 950Einwohner zählenden Gemeinde Goldwörth (Bezirk Urfahr-Umgebung) alles unter Donauwasser gestanden. Jetzt, im Februar 2015, ist die Donau irgendwo hinter dem Auwald in rund einem Kilometer Entfernung. Aber ein Teil der Hagenauer will nicht warten, bis irgendwann die schlammigen Fluten wieder durch ihre Häuser rinnen. Sie lassen lieber ihr Zuhause zurück.


Viermal Hochwasser. Harald Rudisch, der in einem Krankenhaus in dem wenige Kilometer donauabwärts liegenden Linz arbeitet, ist einer von ihnen. 1978 haben seine Eltern das Haus in Hagenau gebaut. Mit viel Arbeitseinsatz, wie das in dieser Gegend halt üblich war und ist. Drei Jahre später kam das erste Hochwasser, 1991 das nächste, 2002 war es noch ärger. 2013 stand das Erdgeschoß, in dem die Eltern wohnen, 80 Zentimeter unter Wasser.

Danach war der Entschluss, nicht mehr zu bleiben, „relativ schnell“ gefasst, erzählt der 34-jährige Rudisch im heimeligen Wohnzimmer im Obergeschoß. Dabei hat die Familie das Haus erst vor fünf Jahren aufgestockt. Er wollte ursprünglich „das Elternhaus nie hergeben“. Es sei daher „vom Psychologischen her schwierig“ gewesen. Inzwischen hat sich die Familie mehr als angefreundet mit der Tatsache, dass in 13 Kilometern Entfernung in Niederwaldkirchen ein neues Zuhause errichtet wird. Geholfen hat vor allem die Überzeugung: „Das Wasser wird wiederkommen.“ Schon vor dem letzten Hochwasser habe sein Vater 2012 gesagt: „Eigentlich samma überfällig.“ Nun übersiedeln die Eltern mit.

Das ist im Sinn der Landespolitik. Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) und Umweltlandesrat Rudi Anschober (Grüne) haben, gestützt auf den Landesrechnungshof, für Absiedlungen geworben. Denn dies sei „die einzige zu hundert Prozent sichere Maßnahme“. In Goldwörth sind ein Drittel der Fläche und fast 50 Gebäude potenziell betroffen. Insgesamt sind es in der Zone zur freiwilligen Umsiedlung 154 Liegenschaften in sechs Orten im Eferdinger Becken. Für 146 Liegenschaften wurden Schätzgutachen erstellt. 80 Prozent des von Gutachtern bestätigten Wertes wird von der öffentlichen Hand bezahlt. Bestehende Gebäude müssen geschliffen werden.

Die Landespolitik hat für die Gebiete ein 250-Millionen-Euro-Budget mit der Bundesregierung ausgehandelt. Das sind nüchterne Zahlen. Dahinter stehen Schicksale, die aufwühlen. Für die Lokalpolitiker bedeutet das Wegziehen auch Einnahmenverluste. „Aber wir können's nicht ändern“, sagt Amtsleiter Hubert Pommermayr.

Rudisch und seine Familie waren mit der Umzugsentscheidung früher als andere dran, manche nützen die Bedenkzeit bis Ende 2015. Die Parzellen mit Ersatzgrundstücken in Sichtweite auf dem Mursberg in der Nachbargemeinde Walding sind schon weg. Obwohl sie rund dreimal teurer als der Grund in Niederwaldkirchen waren. Für Rudisch war das Warten auf das Schätzgutachten „ein Nervenkrieg“. Nun heißt es wieder warten: auf die Unterschrift des Vertrages. „Wir scharrren schon mit den Füßen, es vergeht ja noch Zeit, bis wir das Geld kriegen.“


Protestkundgebung. Trotz des Hochwasserrisikos denken andere nicht daran, ihre Häuser zu räumen. Einige hundert Meter weiter steht ein grob gezimmerter Plakatständer wie ein Mahnmal neben der Bundesstraße Richtung Linz. „Hochwasserschutz statt Enteignung“, haben Absiedlungsgegner geschrieben. Sie rufen zu einer Protestkundgebung am 28. Februar auf dem Linzer Hauptplatz: „Geh mit!“

Unweit davon steht ein wuchtig-eleganter Vierkanter mit dem kleinen Marterl vor der Haustür. Diese Familie hat sich entschieden – sie bleibt. In der dösigen Februarstimmung, die nicht durch geschäftig brummende Traktoren gestört wird, scheint das nichts Besonderes. Die Donau ist hinter dem Auwaldsaum nur zu vermuten. In den Gehirnen ist das Hochwasser 2013 aber auch hier noch. Die Familie richtet sich nun im Obergeschoß ein.

Absiedler

Harald Rudisch (34) war mit seiner Familie im Sommer 2013 wie weitere Einwohner in Hagenau in der Gemeinde Goldwörth (Bezirk Urfahr-Umgebung) vom Donauhochwasser betroffen. Seine Entscheidung zum Umzug stand schon früh fest, andere Betroffene überlegen noch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2015)

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