Fall Alijew: "Einen Freitod schließen wir aus"

Pressekonferenz im Landtmann: Links das Bild von Alijew, präsentiert von dessen früheren Anwälten Klaus Ainedter, Manfred Ainedter und Otto Dietrich (von links)
Pressekonferenz im Landtmann: Links das Bild von Alijew, präsentiert von dessen früheren Anwälten Klaus Ainedter, Manfred Ainedter und Otto Dietrich (von links)APA/Hans K. Techt
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Nach dem in U-Haft begangenen Suizid des Ex-Botschafters Rachat Alijew weisen die Anwälte die offizielle Version vom Tod des 52-Jährigen zurück, vermeiden aber das Wort „Mord“.

Es war ein regelrechtes Medienspektakel, das sich Montagvormittag in einem – viel zu kleinen – Nebenraum des Café Landtmann abspielte: Unfreiwillig abgeschnitten durch eine dicht vor dem Rednerpult errichtete „Barrikade“ aus TV-Kameras, Lampen, Stativen und natürlich Kameraleuten meldeten die Wiener Rechtsanwälte Manfred und Klaus Ainedter sowie Otto Dietrich vor Dutzenden Journalisten erhebliche Zweifel an der offiziellen Suizid-Version im Fall Alijew an. Mehr noch, die drei ehemaligen Rechtsvertreter des kasachischen Ex-Diplomaten erklärten: „Ein Freitod ist aus unserer Sicht ausgeschlossen.“

Auf die sich zwingend ergebene Nachfrage, ob sie der Ansicht seien, der U-Häftling Rachat Alijew sei in der Nacht auf den 24. Februar in seinem Einzelhaftraum innerhalb der Krankenabteilung des Gefangenenhauses Wien Josefstadt ermordet worden, blieb das Trio betont zurückhaltend. Man könne das nicht sagen. Es lägen noch zu wenige Informationen vor. Das Wort „Mord“ wollte keiner in den Mund nehmen (geschweige denn die Vermutung, wer denn dann der Mörder gewesen sei). Tatsächlich: Ein abschließender Obduktionsbericht der Wiener Gerichtsmedizin fehlt noch. Vor allem der Bericht des Toxikologen wird mit Spannung erwartet. Zudem sollen auch Institute in Innsbruck und in St. Gallen (Schweiz) zur Sicherheit eine weitere Obduktion vornehmen.

Alijew kam per Privatflug aus Athen

Schon seit einer Woche steht jedoch fest – um kurz bei dieser wohl äußerst unwahrscheinlichen These zu bleiben, dass ein etwaiger Mörder sowohl die elektronische Registrierung der Zellentür-Bewegungen als auch die Bänder der in den Gängen der Anstalt angebrachten Überwachungskameras manipuliert haben müsste – zeigen doch die Videos nur, dass eben niemand in der Todesnacht zu dem Haftraum geschlichen ist.

Andererseits: Alijew habe sich sorgfältig auf seinen Geschworenenprozess wegen Doppelmordes (der Ex-Botschafter soll im Februar 2007 zwei kasachische Bankmanager aus finanziellen Motiven erdrosselt haben) vorbereitet, ergänzten nun seine frühere Verteidiger. Warum hätte er sich also gerade in der Phase selbst töten sollen. Er sei zudem im Juni 2014 freiwillig nach Österreich zurückgekommen, so Manfred Ainedter. Jedoch: Als Alijew zu dieser Zeit (mit einem Privatflugzeug!) in Wien-Schwechat ankam – die Maschine war in Athen gestartet – war bereits ein EU-weiter Haftbefehl vorgelegen.

"Zwanglos Erhängen wenig wahrscheinlich"

Dass nun ein erster Schnelltest des Blutes der Leiche Spuren eines Schlafmittels ergeben habe, sei für sich allein genommen nicht so außergewöhnlich, so Manfred Ainedter. Denn es sei eben vorgekommen, dass Alijew in seiner Zelle spätabends ein Schlafmittel eingenommen habe. Aber: „Es ist wenig wahrscheinlich, dass jemand, der ein Schlafmittel erhält, ein paar Stunden später ins Bad geht und sich zwanglos erhängt, noch dazu im Sitzen.“ Alijew habe Medizin studiert. „Er würde sich das so nicht antun.“

Wenn schon, dann hätte der 52-Jährige wohl eine Schere oder ein Stromkabel benutzt – über diese beiden Gegenstände habe der U-Häftling nämlich auch verfügt. Was nun die Zweifel an der offiziellen Suizid-Version anlangt, so hegt diese auch die Witwe. In einer Botschaft an die Medienvertreter, die am Montag von den Anwälten verlesen wurde, schreibt sie: Ihr Mann habe „die wahre Geschichte“ hinter den Morden in Kasachstan aufdecken wollen. Im Hinblick auf die beiden gemeinsamen Kinder, die Alijew hinterlässt, meint die Witwe: „Es ist ausgeschlossen, dass er freiwillig aus dem Leben geschieden ist, er hätte uns nie im Stich gelassen, dafür hat er uns viel zu sehr geliebt.“ In dem Wort „freiwillig“ steckt offenbar jener Erklärungsansatz, der bereits vor Tagen von der Verteidigung vorgebracht worden war, nämlich, dass irgendeine nicht näher genannte „Macht“ Alijew in den Selbstmord getrieben haben könnte.

Gespräche zwischen Lansky und der Kripo

Angriffe kamen von den Anwälten auch in Richtung der internationalen Anwaltskanzlei LGP, dessen Frontmann Gabriel Lansky die Witwen der mutmaßlichen Alijew-Opfer vertritt. Ein Aktenvermerk (8. 9. 2011) betreffend Korrespondenz zwischen der Kanzlei und zwei Beamten des Bundeskriminalamts zeige, dass letztere auf eine Verhandlung gegen Alijew hingearbeitet hätten bzw. erklärt hätten, sie würden „fix davon ausgehen“, dass es zu einer solchen komme.

An einer Stelle notiert ein Mitarbeiter der Kanzlei Lansky in dem Vermerk: "Gefragt nach den derzeitigen Prioritäten der einzelnen Fälle sagt K. (einer der Beamten, Anm.) wörtlich: "Wir untersuchen alles (...) und (sic!!!) "Wir wollen, dass es zu einem Geschworenenprozess wird." 

Daher brachten die Anwälte nun Strafanzeige wegen des Verdachts des Amtsmissbrauches gegen die Beamten ein. Lansky wies indessen eine Beeinflussung von Beamten „auf das Schärfste“ zurück.

Mordprozess ab 14. April

Mittlerweile steht fest, dass der Prozess gegen die beiden mutmaßlichen Mittäter von Alijew, darunter befindet sich der frühere kasachische Geheimdienstchef Alnur Mussajew, am 14. April starten soll. Mussajews Anwalt Martin Mahrer rechnet mit einem Freispruch. Die Beweislage gegen seinen Klienten (Mussajews Einspruch gegen die Anklageschrift wurde nun gerichtlich abgewiesen) sei denkbar dünn. Tatsächlich wird in der Anklageschrift das eigentliche Motiv Mussajews nur diffus dargestellt. Es scheint so, als hätte sich die Anklage in erster Linie auf Alijew konzentriert.

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