Sensible Daten: Staat will Zugriff auf Handysender

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Die Information, wer wann mit seinem Handy wo telefoniert hat, kann schwere Straftaten aufklären. Bei der Auswertung geraten jedoch auch Unschuldige in den Raster.

Tatort Kärnten im Dezember 2013: Ein Einbrecher steigt in die Firma eines Unternehmers ein. Der Inhaber ist zufällig anwesend, vertreibt und verfolgt den Kriminellen. Während des Laufduells nimmt der Geschäftsmann einen telefonierenden Mann wahr, der ebenfalls schlagartig flüchtet – offenbar ein Komplize.

Die beiden Verdächtigen entkommen, ohne verwertbare Spuren zu hinterlassen. Doch der Staatsanwalt hat eine Idee: Über eine sogenannte Funkzellenabfrage ließe sich möglicherweise erheben, welche Mobiltelefone zum Tatzeitpunkt in der Region, also über die nächstgelegenen Sender, in Betrieb waren. Schaffe man es, die Telefonnummern der Unverdächtigen von jenen der Täter zu trennen, könne man wertvolle Informationen erhalten. Allerdings: Das Gericht, das eine solche Abfrage genehmigen muss, sagte Nein. Der Eingriff in das Kommunikationsgeheimnis Dritter sei zu tief. Ende der Ermittlungen.

Die Geschichte ist kein Einzelfall. Im Lauf der vergangenen Jahre stießen Behörden immer wieder an Grenzen, wenn sie im Zuge ihrer Arbeit wissen wollten, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt und in einer bestimmten Region ein Handy in Betrieb hatte. Für die Ermittler muss dieses Nein frustrierend gewesen sein, für die Opfer wenigstens unverständlich. Für die beim OGH angesiedelte Generalprokuratur war der eingangs geschilderte Einbruch in Kärnten Anlass, eine höchstgerichtliche Entscheidung über die künftige Vorgehensweise bei Funkzellenabfragen zu erwirken. Eine Entscheidung, die morgen, Donnerstag, fallen soll.

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Wertvolle, aber sensible Daten

Das Ermittlungsinstrument, um das es geht, ist ein mächtiges Werkzeug und betrifft, wenn es angewendet wird, nicht nur Straftäter. Wie weit die Möglichkeiten reichen, zeigen Ausschnitte aus der Ermittlungsakte eines anderen Falls. Eine Funkzellenabfrage muss nämlich, wenn sie zum Ziel führen soll, in den Mobilnetzen aller am Tatort verfügbaren Provider stattfinden. Dabei beschränkt die Auswertung sich in der Regel nicht nur auf die nächstgelegene Sendestation und die Handys, die über diese Station „online“ waren. Insbesondere in dicht besiedelten Gebieten überschneiden die Sendegebiete der Basisstationen sich teilweise großflächig. Das bedeutet, dass die Endgeräte innerhalb der Reichweite einer Vielzahl von Sendern und Netzen ausgewertet werden müssen.

Meistens fordern die Ermittler, wie in einem Fall aus Oberösterreich, die Daten jener Telefone an, mit denen in der abgefragten Region und während eines bestimmten Zeitraums aktiv oder passiv telefoniert wurde. Dazu gibt es die passenden Telefonnummern, Handyseriennummern, die Seriennummern der SIM-Karten sowie – falls vorhanden – die Namen der Anschlussinhaber. Im vorliegenden Antrag für die Überwachungsmaßnahme steht auch, dass Ermittler (unter Verwendung der inzwischen nicht mehr vorhandenen Vorratsdaten) die Kommunikationsprofile verdächtiger Anschlüsse in der Vergangenheit durchleuchten wollen, um so, möglicherweise, noch mehr Straftaten aufzuklären.

Was ist verhältnismäßig?

Zuletzt war es so, dass der Rechtsschutzbeauftragte des Justizministeriums solch groß angelegte Auswertungen häufig beeinspruchte – und vor Gericht recht bekam. Meistens mit der Begründung, dass die Schwere des Verbrechens in keinem Verhältnis zur hohen Anzahl an Unbeteiligten stehe, die so in den Akten der Ermittler landen würden. Das war allerdings noch zu einer Zeit, in der die Vorratsdatenspeicherung, also die Speicherung von Kommunikationsdaten über einen Zeitraum von sechs Monaten, erlaubt war.

Heute sind diese Datenbestände nur deutlich kürzer verfügbar. Genehmigt ein Richter Staatsanwaltschaft und Polizei die Abfrage einer Funkzelle, hat der Rechtsschutzbeauftragte derzeit keine Parteienstellung mehr.

Staatsanwälte und Polizisten erwarten nun mit Spannung die für Donnerstag angekündigte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, die sozusagen als Leitlinie für die Zulässigkeit künftiger Datenerhebungen benötigt wird.

Laut Justizministerium führt das Ressort keine zentrale Statistik über die Häufigkeit von Funkzellenabfragen. Im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen (17,5Mio. Einwohner) soll die Methode laut Antwort auf eine Anfrage im dortigen Landtag 2013 insgesamt 4145-mal zum Einsatz gekommen sein.

AUF EINEN BLICK

Mittels Funkzellenabfragen können Staatsanwaltschaft und Polizei Informationen darüber sammeln, wer sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Nähe eines Tatorts befunden hat. Immer wieder wurden so Straftaten geklärt. Bei der Auswertung der Mobilfunkdaten tauchen auch viele sensible Informationen über Unbeteiligte auf – der Grund, warum Gerichte diese Maßnahme bisher häufig nicht genehmigten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.03.2015)

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