Asyl: Kein Geld für Kinder auf der Flucht

(c) Clemens Fabry
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In der Debatte um minderjährige Asylwerber, die ohne Eltern in Österreich gestrandet sind, geht es um mehr als berührende Geschichten: Den beauftragten Betreuern geht das Geld aus.

Wien. Die Behördensprache beschreibt sie sachlich und sperrig als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Tatsächlich geht es um Kinder und Jugendliche, die auf der Flucht ohne Eltern in Österreich gestrandet sind. Sie altersgerecht zu versorgen wird immer mehr zum Problem.

Am meisten erfährt über sie, wer sie selbst trifft. Zum Beispiel im Haus St.Gabriel der Caritas in Maria Enzersdorf. Dann bekommt die anonyme, polit-mediale Debatte Gesichter und Namen. Ali, Rohullah, Zia oder Navid erzählen, wie sie in Afghanistan vor den Taliban flüchteten, im Iran – oder anderswo – ihre Eltern aus den Augen verloren, und heute, beim Warten auf den Asylentscheid, nachts schweißgebadet aufwachen, weinen, ihre Familien vermissen.

Das ist die emotionale, die menschliche Seite. Der eigentliche Grund, warum junge Asylwerber ohne Eltern seit Monaten in den Schlagzeilen sind, ist das Geld. Dabei wird in der öffentlichen Debatte manchmal zu sehr vereinfacht: Einen Letztverantwortlichen, der versagt, der die Mittel nicht zur Verfügung stellt, sodass alleingelassene Kinder und Teenager sich selbst überlassen bleiben, gibt es nämlich nicht.

Rückstau im Lager Traiskirchen

Wie österreichischen Minderjährigen stehen auch um Asyl werbenden Kindern und Jugendlichen besonderer Schutz und besondere Betreuung zu. In den straff geführten Erstaufnahmezentren des Bundes ist das schwer zu bewerkstelligen, in den Unterkünften, in denen die Minderjährigen die Entscheidung der Asylbehörden abwarten, ist es teuer. So teuer, dass in den Bundesländern zu wenige Plätze da sind, sodass diese über Monate nicht aus dem Lager Traiskirchen übernommen werden.

Dieser Rückstau ist Folge eines behördlichen Kompetenzdschungels zwischen Bund, Ländern und Bezirken. Generell übernehmen die Jugendämter bei allen betroffenen Minderjährigen die Obsorge und vermitteln diese – zum Beispiel an Wohngemeinschaften – zur Betreuung weiter. Handelt es sich um Kinder und Jugendliche aus Österreich oder mit dauerhaftem Aufenthaltsrecht, hat der WG-Betreiber, etwa ein gemeinnütziger Verein, Glück gehabt. Dann überweist die Behörde pro Kopf und Tag 120 Euro aufwärts für Unterkunft, Verpflegung und Betreuung.

Sind die Betroffenen jedoch Asylwerber wie Ali, Rohullah, Zia oder Navid, sind 77 Euro die Obergrenze. Aufgebracht wird das Geld von Bund und Ländern im Rahmen der Grundversorgung für Asylwerber, die Jugendämter sind eingebunden. Das bedeutet, dass die vorgegebenen Standards bei der Betreuung elternloser Jugendlicher im Asylbereich kostendeckend nicht zu erfüllen sind. Die Folge: Plätze fehlen.

Kein Ort für Teenager

Aufstehen um sieben Uhr, raues Männerklima im Zimmer, kaum Freizeit- und Bildungsprogramm, Licht aus um 22 Uhr: Für Navid, einen 17-jährigen Afghanen, der von einer Ausbildung zum Automechaniker träumt, war das Erstaufnahmezentrum Traiskirchen die Hölle. Seit er in St. Gabriel ist, hat er Deutsch gelernt, geht mit anderen während der Freizeit in den Fitnessraum, macht sich wieder chic für die Mädchen – wie das eben so ist bei Teenagern.

Was Navid nicht weiß: Pro Wohngemeinschaft für Asylwerber, das sind 15 bis 20 Plätze, muss die Caritas jährlich 50.000 bis 70.000 Euro an Spendengeld zuschießen. „Kinder und Jugendliche in Österreich werden abhängig vom Aufenthaltsstatus ungleich behandelt“, sagt Klaus Schwerter, Generalsekretär der Caritas Wien.

Während Bund, Länder und Jugendämter den WG-Trägern die Standards für die Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vorgeben, wurden die Förderungen dafür gekürzt. Seit 2004 hat sich die Zahl der Betroffenen auf zuletzt 2082 verdoppelt. Der maximale Tagsatz hingegen stieg in diesem Zeitraum einmal, und zwar 2012 von 75 auf 77 Euro. Berücksichtigt man den Verbraucherpreisindex, müssten es heute 92,9 Euro sein. Oder in anderen Worten: Während der Bedarf an Plätzen erheblich stieg, gingen die Ausgaben aufgrund der Inflation real um fast ein Viertel, nämlich um 23,8 Prozent, zurück.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2015)

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