Jihad: Großaktion im Kampf gegen Terror

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Insgesamt vier Männer und eine Frau wurden am Donnerstag in Wien und Krems verhaftet. In Graz sitzen seit Montag drei Mädchen in U-Haft, die Jihadisten in Syrien heiraten wollten.

Wien. Zwei Männer und eine Frau in Wien-Meidling sowie zwei Männer in Krems am Donnerstag, dazu kommen drei Mädchen in Graz am Montag: Acht Personen wurden diese Woche in Summe festgenommen, weil sie verdächtigt werden, Mitglieder der Terrororganisation Islamischer Staat zu sein. Wie die „Presse“ aus Ermittlerkreisen erfuhr, wurden Donnerstagfrüh eine Frau (36) und zwei Männer Mitte zwanzig in der Rotenmühlgasse in Meidling verhaftet. Die drei Tschetschenen sind alte Bekannte von Yunus F. (34), jenem Schlepper, der zig IS-Sympathisanten mit Pkw nach Syrien geschleust haben soll.

Am 18. August 2014 wurde er erwischt, als er neun tschetschenische Islamisten in zwei Pkw von Österreich in die syrischen Kriegsgebiete bringen wollte. An der Grenze griffen Antiterror-Kommandos der Cobra zu. Yunus F. sitzt seitdem in U-Haft und ist teilweise geständig. So erfuhren die Ermittler auch, dass F. die drei Verdächtigen schon vorigen Sommer in die Türkei geschleust hatte. Sie wurden dort von der türkischen Grenzpolizei an der Einreise nach Syrien gehindert und mussten wieder nach Österreich fahren. Die Einvernahmen der Verdächtigen dauerten gestern den ganzen Nachmittag.

Drei Mädchen in Graz in U-Haft

Auch in Krems wurden den ganzen Tag zwei Verdächtige vernommen. Die beiden volljährigen Männer – ebenfalls Tschetschenen –, die in der Nähe des Bahnhofs wohnen, wurden um 4.30 Uhr von einem Einsatzteam der Cobra überrascht. Anders als die drei mutmaßlichen IS-Anhänger in Wien sollen sie schon in Syrien gewesen sein und dort Menschen getötet haben. Bei einer Hausdurchsuchung wurden Datenträger beschlagnahmt, die beweisen sollen, dass die Männer noch immer in Kontakt mit den Terroristen in Syrien stehen.

Ausschlaggebend für den Zugriff seien Informationen aus Deutschland gewesen, teilte die Staatsanwaltschaft Krems Donnerstagnachmittag mit. Es sei dazu nicht bekannt, dass die Männer in Kontakt zu anderen Jihadisten aus Österreich stünden. Aufgrund laufender Ermittlungen wurden keine weiteren Details bekannt gegeben.

Und in Graz sitzen seit Montag drei tschetschenische Mädchen in U-Haft in der Justizanstalt Jakomini. Die jungen Frauen im Alter von 15, 16 und 19 Jahren wollten ausreisen, um Männer in Syrien zu heiraten. Laut Staatsanwalt Christian Kroschl hatte die 19-Jährige ihre Ausreise per Flugzeug von Wien geplant und dafür auch schon ein Ticket gekauft. Die Mädchen werden noch bis mindestens 7. April in Untersuchungshaft bleiben.

Dass vor allem immer wieder Tschetschenen aufgegriffen werden – beziehungsweise viele Jugendliche Sympathien für IS hegen – kommt nicht von ungefähr. „Man muss das auch vor dem Hintergrund des Kriegstraumas sehen, das die Jugendlichen persönlich erlebt haben“, sagt Nikolaus Tsekas, Leiter von Neustart, einem Verein, der straffällige Jugendliche betreut.

255 Anrufe bei Terror-Hotline

Es habe zwar Asyl für viele, aber zu wenig psychologische Betreuung und Aufarbeitung gegeben – immerhin handle es sich um eine Generation, die in Blut und Krieg groß geworden ist und wohl einen der brutalsten Kriege der letzten 20 Jahre miterleben musste. „Den jungen Tschetschenen fehlen dazu oft positive Vorbilder. Ihre Väter sind häufig arbeitslos, nicht in die Gesellschaft integriert und geben ihr Kriegstrauma weiter.“ Es brauche konkrete Angebote und konkrete Beziehungsarbeit, damit Jugendliche eine Perspektive haben.

Einen ersten Schritt zu einer guten Beziehungsarbeit hat das Innenministerium mit der Deradikalisierungshotline gemacht. Eine erste Bilanz wurde Donnerstag veröffentlicht: In drei Monaten haben 255 Personen die Nummer gewählt, ein Großteil der Hilfesuchenden war weiblich. Die Hotline kann aber nur ein Anfang sein, denn Aussteigerprogramme, Angehörigenbetreuung und umfassende Sozialarbeit gibt es derzeit für diesen Bereich noch nicht.

Derzeit befinden sich laut Innenministerium rund 100 Männer und Frauen in Syrien, um dort an der Seite der Terrormiliz IS für die Errichtung eines Kalifats zu kämpfen. Dazu soll es rund 60 Rückkehrer geben, gegen die das Innenministerium aktuell ermittelt. Derzeit sitzen rund 15 mutmaßliche IS-Mitglieder in Untersuchungshaft.

Auf einen Blick

Verhaftungen. Donnerstag gelangen der Polizei zwei Schläge gegen die Terrormiliz IS. In Wien wurden zwei Männer und eine Frau festgenommen, die laut Behörden nach Syrien ausreisen wollten. In Krems stürmte die Cobra um 4.30 Uhr eine Wohnung nahe dem Bahnhof, verhaftete dort zwei Männer und stellte Beweismaterial sicher. In Graz sitzen seit Montag junge Frauen in Haft: Auch sie wollten nach Syrien reisen, um dort zu heiraten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2015)

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