Wolfgang Pucher: Grazer "Bettlerpfarrer" drängt nach Wien

Wolfgang Pucher
Wolfgang Pucher(c) AP (Hans Punz)
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Bekannt wurde er als der "Bettlerpfarrer", der in Graz die Obdachlosigkeit besiegte. Mit der Idee für ein "VinziDorf" in Wien beißt der Geistliche aus der Provinz jedoch seit Jahren auf Granit.

Wir sind der Meinung, dass Sie ein festes Arschloch sind.“ Briefe wie diesen hat Wolfgang Pucher, Pfarrer in Graz-Eggenberg, zuhauf bekommen. Bewirkt haben sie nichts. Anstatt seinen Einsatz für Obdachlose zu überdenken, hat Pucher Widerstand von erbosten Anrainern stets mit Widerstand beantwortet. Er ist nicht nur ein Mann des Wortes, er ist vor allem ein Mann der Tat.

Die Hartnäckigkeit des Lazaristen ist es, die die Basis der von ihm gegründeten Vinzi-Werke bildet. Mit der Hilfe von zahlreichen in Vinzenzgemeinschaften organisierten Ehrenamtlichen ist es ihm gelungen, ein dichtes Netz von Hilfseinrichtungen zu spinnen. Sie tragen Namen wie VinziBus, VinziMed, VinziTel oder VinziMarkt, orientieren sich in Form von Verpflegungsbussen, medizinischen Einrichtungen, Notschlafstellen und Sozialmärkten an den Bedürfnissen der Hilfesuchenden. Pucher wendet sich an jene, die, wie er sagt, von „hässlicher Armut“ betroffen sind, die keine öffentliche Einrichtung mehr aufnehmen will – weil sie zu laut oder zu betrunken sind.

Mit dieser Strategie nahm Pucher Graz die Obdachlosigkeit. Ein Zustand, der seiner Meinung nach auch Wien gut anstehen würde. Seit Jahren versucht er, in der Hauptstadt sein liebstes Vinzi-Werk, ein VinziDorf mit autarken Wohnmodulen für nicht therapierbare Alkoholiker, zu errichten. Und seit Jahren beißt Pucher auf Granit, was den Pfarrer sogar im Krankenbett wurmt, das er seit Wochen wegen einer Lungenentzündung hüten muss. Im Spital, wo er am 31.März seinen 70. Geburtstag feierte.

Pfarrer contra Rathaus. Warum das Rote Wien mit dem Pfarrer aus der Provinz nicht warm werden will, hat mehrere Gründe. Sowohl die Politiker als auch deren verlängerte Gliedmaßen in den Fachabteilungen glauben, dass Wien sein Obdachlosenproblem – so es aus der Perspektive des Rathauses überhaupt sichtbar ist – selbst lösen könne. Zwar genießt der Geistliche als Persönlichkeit Respekt, inhaltlich tritt man ihm jedoch mit ausgeprägtem sozialpolitischen Selbstbewusstsein entgegen. „In der modernen Obdachlosenhilfe ist Barmherzigkeit nicht alles und schon gar kein Konzept“, sagt Peter Hacker, Geschäftsführer des Fonds Soziales Wien, der fast alle Obdachloseneinrichtungen der Stadt finanziert.

Abseits inhaltlicher Differenzen stößt man sich vor allem am Auftreten Puchers, der seine Kontakte gezielt als Lobbying-Werkzeug nutzt. Kein Wunder, dass das Rathaus „not amused“ war, als der damalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel für Pucher in der SP-Hochburg auf Grundstückssuche ging, nachdem er zuvor in Aspern am Widerstand eines Siedlervereins gescheitert war: In der Pfarre hatten 1000 Personen damit gedroht, beim Bau eines VinziDorfs aus der Kirche auszutreten. Das war sogar Pucher zu viel, der sonst auch innerhalb der Kirche gerne aneckt.

Eugen Schindler etwa, Visitator der österreichischen Lazaristenprovinz, berichtet von immer wieder auftretenden „Reibungsflächen“. In einem Interview mit der „Presse“ beichtete Pucher einmal seine einstige Absicht, wegen Unzufriedenheit mit dem Katholizismus evangelisch zu werden, dass er diesen Gedanken aber wieder verwarf, weil er bemerkte, „dass dort auch nur mit Wasser gekocht wird“. Und Papst Benedikt XVI. erhielt eine öffentliche Rüge dafür, dass dieser während seines Österreich-Besuchs zwar Zeit für die „singenden Mönche“ in Heiligenkreuz hatte, nicht aber für wenigstens eines der VinziWerke.

Obwohl das Wiener VinziDorf bisher nur in Puchers Träumen existiert, gelang ihm der Schritt nach Wien durch die Hintertür. VinziMarkt (Mariahilf), VinziRast (Meidling) und VinziBett (Hernals) sind Einrichtungen, deren Realisierung der Fähigkeit Puchers zu verdanken sind, Wirtschaftskapitäne wie Hans-Peter Haselsteiner (Bau-Tycoon), Richard Trenkwalder (Personaldienstleistungen) oder Michael Gröller (Immobilien) für seine Ideen zu begeistern. Vor allem in Form finanzieller Unterstützung.

Dabei nutzt der Pfarrer jede Gelegenheit, zweckdienliche Bekanntschaften zu schließen. Während bei der Austria'05-Gala der „Presse“ die meisten Gäste das Galadiner genossen (Pucher wurde in der Kategorie Humanitäres zum „Österreicher des Jahres“ gewählt), machte er sich auf die Jagd nach prominenten Gönnern. Sein engster Mitarbeiter, Michael Bachler, erinnert sich heute noch daran, wie Pucher ihm nach der Veranstaltung einen dicken Packen Visitenkarten unter die Nase rieb und frohlockte: „Das hier katapultiert uns in eine neue Dimension.“ Eine Strategie, die ihm von Kritikern als Geltungssucht ausgelegt wird, aus Sicht seiner Mitarbeiter aber Mittel zum guten Zweck ist. Inzwischen muss Pucher Partner oft gar nicht mehr bitten, sie kommen von selbst. So wie die US-Botschaft, die ihm zuletzt spontan Nudelmaschinen im Wert von 2000 Dollar überließ.


Großes Ego. Die Zusammenarbeit mit den Ehrenamtlichen funktioniert nicht immer friktionslos. „Was er von sich selbst verlangt, verlangt er auch von anderen“, sagt Hedi Scheiner, die das VinziBett leitet. So mancher Mitarbeiter könne mit dem Elan des Pfarrers einfach nicht mithalten. Andere Weggefährten erzählen, dass der 70-Jährige über ein ausgeprägtes Ego verfüge und auf die schleichende Loslösung der Wiener Notschlafstellen von Graz verschnupft reagierte. Von seiner eigenen Überzeugung abzurücken und Kompromisse zu schließen, sei seine Sache nicht.

Genau das ist es aber, was Pucher mit seiner geschützten Marke „Vinzi“ so erfolgreich macht: Kompromisslosigkeit im Dienst der guten Sache. Weshalb das letzte Wort in Sachen VinziDorf noch lange nicht gesprochen sein dürfte. Ob Wien nun will oder nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2009)

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