Integration: Notstand bei Deutschkursen

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Flüchtlinge warten derzeit im Schnitt zwei Monate oder länger auf einen Platz im Deutschkurs in Wien. Die Einrichtungen sind durch den Ansturm an Flüchtlingen überlastet.

Wien. Abdul ist leicht deprimiert, obwohl er eigentlich jeden Grund hat, erleichtert zu sein. Anfang des Jahres wurde der Syrer vom österreichischen Staat als Flüchtling anerkannt. Nach einer Flucht über verschiedene Länder und wochenlangem Schlafen im Freien ist er nun endlich im sicheren Wien angelangt – und darf bleiben.

Für seine Zukunft hat sich der 29-Jährige, der seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen will, auch schon einen Plan zurechtgelegt. Er will so schnell wie möglich Deutsch lernen und in Wien einen Job finden. Sein Studium im kriegszerstörten Aleppo hat er fast zu Ende gebracht. Auch er weiß: Deutsch ist der Schlüssel zum österreichischen Arbeitsmarkt. Je schneller er die Sprache lernt, desto schneller kann er auf eigenen Füßen stehen. Doch so einfach ist es mit dem Deutschlernen derzeit in Wien nicht.

Seit Anfang Februar wartet Abdul auf einen Platz im Deutschkurs für Flüchtlinge – bekommt ihn aber nicht. Denn die Kurse sind meist voll, die Warteliste endlos lang. Im Durchschnitt dauert es zwei Monate, einen Platz in einem Kurs zu bekommen, ist auch von Hilfsorganisationen zu hören.

Zeit, in der die Flüchtlinge von der Mindestsicherung leben, auf die sie rechtlich gesehen einen Anspruch haben. „Je länger sie kein Deutsch können, desto länger hängen sie im System fest“, sagt ein Mitarbeiter einer Hilfsorganisation, der nicht namentlich genannt werden will. Das Thema ist heikel, auch weil niemand seinen Fördergeber verärgern will.

Nur: Je länger Flüchtlinge im System hängen, desto länger muss der Staat für die Mindestsicherung aufkommen. Obwohl die Menschen auf dem Arbeitsmarkt vielleicht gebraucht werden. Denn es sind nicht nur schlechter gebildete Flüchtlinge, die hierher geflohen sind, sondern die typische syrische Mittelschicht: Techniker, Studenten, Anwälte – die viel zurückgelassen haben. „Es kommen auch viele Ärzte aus Syrien“, sagt der Sozialarbeiter. Nur, ohne Deutsch gibt es auch für sie keine Chance auf Arbeit.

Grund für das Problem ist die hohe Zahl an Flüchtlingen, die im Vorjahr nach Österreich gekommen sind. Auch haben viele Asylwerber (vor allem Syrer) innerhalb kurzer Zeit – bei Abdul hat es zwei Wochen gedauert – einen positiven Asylbescheid bekommen. Sie alle sollen nun Deutsch lernen.

Zahl der Anträge versechsfacht

So hat sich die Zahl der Förderansuchen beim Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF), der sowohl Sprachkurse anbietet als auch Einzelne fördert, in den Monaten Jänner und Februar versechsfacht.

Gab es im Vorjahr noch circa 500 Anträge im Jänner und Februar, seien es heuer 3300 gewesen, sagt eine Sprecherin. Aus diesem Grund nimmt der Integrationsfonds seit März keine neuen Förderanträge mehr an. Erst Mitte, Ende April will man wieder neue annehmen – wenn die bereits vorhandenen abgearbeitet sind. Bisher konnten Menschen, die einen Deutschkurs besuchen wollten, einen Antrag beim ÖIF stellen, und sich mit dem Fördergeld ihren Kurs finanzieren.

Auch beim AMS, das über Trägervereine der größte Anbieter für Deutschkurse für Flüchtlinge in Wien ist, ist man überlastet. Sechs bis acht Wochen könne es in der Tat schon dauern, bis die Flüchtlinge zum Clearing (also der Einstufung für den Sprachentest) zugelassen werden, die Zulassung sei wiederum abhängig von der Kapazität, erklärt AMS-Wien-Sprecher Sebastian Paulick auf Anfrage der „Presse“.

Weitere drei bis vier Wochen dauert es dann, bis die Clearing-Stelle, die bei der Wiener Volkshochschule angesiedelt ist, einen passenden Kurs für die Betroffenen gefunden hat. „Ich kann nicht verhehlen, dass wir für Deutschkurse mehr Geld brauchen würden“, sagt Paulick. Wegen einer Umschichtung des Budgets hat das AMS in diesem Jahr um acht Millionen Euro weniger für Deutschkurse zur Verfügung. Eine Entspannung sieht Paulick auch in den nächsten Monaten nicht. „Außer man sagt uns mehr Geld zu.“

Auch im Integrationsfonds sind die Prognosen eher düster. Für die eigenen Integrationsfonds-Sprachkurse würden derzeit 500 Menschen auf der Warteliste stehen, erklärt die Sprecherin. Zwar werden noch im April zehn Kurse starten, pro Kurs hätten aber nur 14 Teilnehmer Platz.

70 Prozent Anfängerkurse

Dabei, so die Sprecherin, sei das Budget im Vorjahr von einer Million auf 1,2 Millionen Euro erhöht worden. Für den Rest des Jahres will man nun die Förderrichtlinien überarbeiten, um zu klären, wie das noch vorhandene Geld effizient eingesetzt werden kann. 70Prozent der Kurse sollen in Zukunft Anfänger-Deutschkurse sein.

Abdul hat da die Sache schon längst selbst in die Hand genommen. Um das Warten auf den Kurs zu verkürzen und die Langeweile zu vertreiben, versucht er seine Tage durch Sport und Kochen mit Freunden zu strukturieren. Und er versucht nun, in Onlinekursen so viel Deutsch aufzuschnappen wie möglich. Richtig erfolgreich war er damit bisher nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

MINISTERRAT: KURZ
Österreich

Sprachkurse: Arbeitsgruppe geplant

Deutsch für Flüchtlinge: Minister Kurz reagiert. Das Integrationsministerium will eine Arbeitsgruppe gemeinsam mit dem Sozialministerium einrichten.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.