Denkmalschutz: Die Krönung der Kirche Breitensee

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Nach mehr als zehn Jahren bekommt die Kirche zum heiligen Laurentius eine Spitze. Die Hälfte der Kirchen der Erzdiözese Wien braucht Sanierungen – das Geld fehlt.

Wien. Das ist Spitze – nach mehr als zehn Jahren bekommt die Kirche zum heiligen Laurentius in Breitensee wieder eine Kirchturmspitze. Diese musste 2004 abgenommen werden, weil sie sich plötzlich neigte und herabzustürzen drohte. „Die Arbeiter konnten sie mit reiner Muskelkraft um drei Meter drehen“, sagt Harald Gnilsen, Bauamtsleiter der Erzdiözese Wien. Grund: Weil die Ziegel nicht zu den Zementfugen passten, rissen Mörtelteile auseinander. In die Zwischenräume konnte vermehrt Wasser eindringen, und es kam zu einer verstärkten Frost-Tau-Beanspruchung. Die Ziegel der Backsteinkirche begannen zu bröckeln, somit hatte der Turm plötzlich keinen Halt mehr und begann im Wind zu schwanken, bis er schließlich von seinem Fundament abriss.

„Wir tüfteln seit Jahren, wie man die Kirche am besten sanieren kann, damit der Kirchturm auch hält“, sagt Oliver Schreiber vom Bundesdenkmalamt. Es gab mehrjährige Testphasen mit Probesanierungen in Klimakammern – einer Art Glasrahmen, der an der Außenmauer befestigt wird und mit dem verschiedene Wetterbedingungen simuliert werden können. Jetzt ist klar: Der Mörtel in den Fugen muss weicher sein als der Ziegel, damit eine höhere Dehnbarkeit erreicht werden kann – und die Sanierung der Kirche schreitet zügig voran.

Mit Blech eingekleidet

Die Spitze soll in den nächsten Wochen auf den Turm gesetzt werden, der für höhere Stabilität mit Blech eingekleidet wird. Die Kreuzrose liegt schon fertig am Fuß der Kirche und wartet auf die Krönung. Bis Oktober 2016 sollen die Arbeiten am Hauptturm fertig sein – die Kosten werden auf rund 2,2 Millionen Euro geschätzt. Die Sanierung der ganzen Kirche, die 1896 bis 1898 vom christlich-sozialen Politiker und Baumeister Ludwig Zatka errichtet wurde, belaufen sich auf acht Millionen Euro. „Wann die Kirche dann wirklich fertig sein wird, hängt stark von den finanziellen Gegebenheiten ab“, sagt Gnilsen. Der sehr lebendigen Gemeinde in Breitensee ist jedenfalls an einer schnellen Fertigstellung gelegen. Allein 2014 konnten 33.000 Euro an Spendengeldern lukriert werden. „Breitensee hat dörfliche Strukturen, und das Zentrum eines Dorfes ist eben meistens eine Kirche. Und die braucht eine Spitze“, sagt Pfarrer Georg Fröschl.

80 Prozent der Sanierungskosten tragen Pfarre und Erzdiözese Wien zusammen – sie werden aus Kirchenbeiträgen bestritten. 15 Prozent steuert die Stadt Wien bei und fünf Prozent das Bundesdenkmalamt.

Sorgenkinder der Jahrhundertwende

Nicht nur der neugotische dreischiffige Sichtziegelbau in Breitensee ist ein Sorgenkind seiner Zeit. Es gibt insgesamt 25 Backsteinbauten in Wien, die fast alle dieselben Probleme haben. Auch bei der Pfarrkirche Rudolfsheim drehte sich der Kirchturm, der 1994 erst neu errichtet worden war. Er konnte mittlerweile wieder befestigt werden. Der Turm wurde mit Blech ummantelt und erstrahlt seit 2014 in neuem Glanz.

Die Kirche Maria am Siege am Mariahilfer Gürtel kämpft genauso mit losen Ziegeln und kaputten Fugen wie Breitensee und muss generalsaniert werden – die Kosten werden auf zehn Millionen Euro geschätzt. Geld, das die Erzdiözese Wien eigentlich nicht mehr aufbringen wollte. Eine Schenkung an die serbisch-orthodoxe Kirche scheiterte am Denkmalschutz, weil gewisse katholische Heiligenfiguren nicht entfernt werden durften.

„Es gibt kaum eine Kirche, die keine Baustelle ist“, sagt Bauamtsleiter Gnilsen. Von den rund 1000 Sakralgebäuden der Erzdiözese Wien würden derzeit an rund 500 davon Bauarbeiten stattfinden. Rund 25 Millionen Euro kann die Kirche jährlich für derartige Bauvorhaben aufbringen – viel zu wenig, wie Gnilsen meint, und das Budget sinke jährlich. Dazu nimmt auch die wirtschaftliche Unterstützung durch Kirchenbeiträge ab. Gnilsen wünscht sich mehr finanzielle Unterstützung seitens des Staates, denn: „Kirchen sind ein kulturelles Gut, das erhalten werden sollte. Davon profitieren alle.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2015)

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