Wien: Kleine Bosheiten unter Partnern

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Seit dem Fall Akkılıç steckt die Wiener Koalition in einer Beziehungskrise. Besonders auf Bezirksebene, wo es Kleinkriege und verbale Querelen gibt. Eine Auswahl.

Die große Liebe war es ja von Anfang an nicht. Eher eine Zweckehe, die rot-grüne Regierung im Wiener Rathaus: Und so gab es auch immer wieder Differenzen, die aber meist hinter den Kulissen ausgetragen wurden und nur selten an die Öffentlichkeit gelangten: Legendär war da der öffentliche Schlagabtausch zwischen zwei besonders streitbaren Politikern, Gemeinderat Christoph Chorherr und dem SP-Klubchef Rudi Schicker vor zwei Jahren.

Doch seit dem Konflikt um das Wahlrecht und der „Abwerbung“ des Grünen Şenol Akkılıç zur SPÖ häufen sich die öffentliche Raufereien – auf Gemeindeebene, aber noch öfter auf Bezirksebene. Und auch wenn die Koalitionsparteien einen Burgfrieden bis zur Wahl im Oktober ausgerufen haben – der Kleinkrieg geht weiter. Streitthemen sind meist jene, die in der Verantwortung der Grünen liegen: also vornehmlich Stadtplanung und Verkehrspolitik.

6. Bezirk: Naschmarkt & Koran

Jüngstes prominentes Beispiel ist der Streit in Mariahilf um Naschmarkt und Linke Wienzeile. Bezirksvorstehervize Susanne Jerusalem (Grüne) wirft der SPÖ vor, bei hohen Ablösen für Marktstände wegzuschauen. Dazu verkäme der Markt immer mehr zur Touristenattraktion; um ein vielfältigeres Angebot zu bekommen, solle die Marktordnung von der roten MA 59 geändert werden.

Der rote Bezirksvorsteher, Markus Rumelhart, wehrt sich gegen die Vorwürfe und überlässt den Grünen den Markt als Thema Nummer eins im Bezirk nicht kampflos. Vor wenigen Wochen präsentierte er in Abwesenheit des Koalitionspartners, dafür in Anwesenheit von Stadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) seine Ideen für Projekte: eine App, eine Homepage, ein Bio-Eck und Veranstaltungsreihen. Außerdem möchte er eine Markthalle bauen – Jerusalem bezeichnet dieses Vorhaben als „Tod des Naschmarkts“. Rumelhart kündigte an, auch die Linke Wienzeile zwischen Hofmühlgasse und Morizgasse aufzumöbeln – mit Seitenhieb: Bereits vor sechs Jahren hätte es Pläne für eine attraktivere Linke Wienzeile gegeben, „andere Projekte in Wien hatten dann offenbar eine größere Priorität“, sagt Rumelhart in Richtung Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou.

Auch an einer anderen Bezirksgrenze Mariahilfs gibt es feindliche Linien: In der Mariahilfer Straße ist das Verteilen von Koranen auf der roten Seite des sechsten Bezirks untersagt, auf der grünen Seite des siebten Bezirks aber erlaubt. Während Bezirksvorsteher Thomas Blimlinger von Religionsfreiheit spricht, und davon, dass man das eben nicht verbieten kann (rechtlich gesehen stimmt das), kritisiert Rumelhart diese Einstellung und tut alles, um die Verteilungen zu verhindern.

2. Bezirk: Kanal & Kaiserwiese

Im Zweiten wiederum, dort, wo Karlheinz-Hora als SPÖ-Bezirkschef aktiv ist, gibt es ebenfalls Zoff. Objekt des jüngsten Streits: ein geplantes Lokal am Donaukanal. Bereits nächstes Jahr soll „Sky & Sand“ mit rund 600 Sitzplätzen in Betrieb gehen. Während Hora das Projekt begrüßt und unterstützt, starten die Grünen dagegen eine Kampagne mit dem Titel „Der Donaukanal gehört dir“. Sie fürchten um die konsumfreie Wiese beim Schützenhaus, die somit verbaut würde.

Auch im Prater gibt es in letzter Zeit immer wieder Reibereien um die vielen Veranstaltungen auf der Kaiserwiese, Hora begrüßt die Events durchaus – immerhin wird eine Vielzahl von der Prater Wien GmbH veranstaltet, die ein Unternehmen der Stadt Wien ist. Die Grünen werfen dem roten Regierungspartner unterschwellig Bereicherung auf Kosten der Natur vor – und unterstützen die Bürgerinitiativen, die dagegen mobil machen.

23. Bezirk: Wiesen & Wohnen

Interessantes spielte sich vor Kurzem im 23.Bezirk ab. Die grün geführte Stadtplanung will in dem Areal „In der Wiesen Ost“ nahe Alt Erlaa eine Wohnanlage mit mindestens 1200 Wohnungen hinstellen. Wenig Platz für Autos soll es dort geben, dafür zwei 60-Meter-Wohntürme. Anrainer sind dagegen, und auch SPÖ-Bezirksvorsteher Gerald Bischof äußerte sich kritisch: „So hohe Türme sind hier nicht notwendig, außerdem gibt es kein taugliches Verkehrskonzept.“ Die grünen „Freunde“ reagierten auf die rote Kritik mit einer Aussendung, die zwei Fotos enthielt. Eines zeigte ein Idyll: grüne Gärten, ein paar nett dargestellte Hochhäuschen und glückliche Menschen. „So wollen die Grünen es“, steht dabei. Das zweite Foto zeigt schmucklose kleine grau-weiße Reihenhäuser mit vielen Autos rundherum. Grüner Begleittext: „Und so will es der Bezirksvorsteher.“ Nicht sehr freundlich unter Freunden. „Auf das Niveau begebe ich mich nicht“, sagt Bischof zur „Presse am Sonntag“.

22. Bezirk: Auto & Tempo

Am anderen Ende der Stadt, in der Donaustadt, wird viel über Autoverkehr debattiert. Unter anderem über die Stadtstraße, die dem roten Bezirkschef Ernst Nevrivy ein Anliegen ist und wegen der er neuerdings auf die grünen Partner im Bezirk und Rathaus wenig Rücksicht nimmt. Bei der Debatte zu dem Thema im Gemeinderat hat Nevrivy vor wenigen Tagen die Grünen unmissverständlich angeschossen: „Ich habe Verständnis dafür, dass in der Frage der Mobilität, in der Frage des Verkehrs jede Partei für ihre eigene Wählergruppe Politik macht, aber wenn man Regierungsverantwortung trägt, muss man für alle Politik machen, und nicht nur für zehn bis 15Prozent.“ Dann deutet der Bezirkschef an, wo er die Grünen am liebsten hätte: „Wenn man trotzdem als Partei nur für wenige Prozent Politik machen möchte, dann sollte man das am besten von der Opposition aus machen.“

16. Bezirk: »Arsch« & Gesicht

Auch in Ottakring ist die Liebe erkaltet. Dort regiert die SPÖ und ist seit Langem durch ein spezielles Agreement mit den Grünen verbunden. Der Fall Akkılıç hat jedoch die Dämme brechen lassen. Der grüne Bezirkschef twitterte auf sehr deftige Art: „Die SPÖ sitzt mit ihrem Arsch auf unserem Gesicht.“ Die rot-grüne Bezirksarbeit ist seither deutlich belastet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2015)

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