Menschenhandel: "Osteuropa-Ressourcen quasi unerschöpflich"

Symbolbild: Bettlerin
Symbolbild: Bettlerin (c) BilderBox
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Viele der Betroffenen sind Bettler oder Arbeiter auf Baustellen. In Österreich werden rund 100 Opfer pro Jahr identifiziert. In puncto sexuelle Ausbeutung nennen Experten Deutschland als "Bordell Europas".

In Österreich werden jährlich rund 100 Opfer von Menschenhändlern identifiziert. "Menschenhandel ist präsent, aber nicht so sichtbar, die Opfer melden sich kaum", sagte Oberst Gerald Tatzgern, Leiter des Büros für Menschenhandel und Schlepperei im Bundeskriminalamt bei einem Symposium zum Thema in Wien. Die Opfer stammen hauptsächlich aus Rumänien, Bulgarien und Ungarn, sagte Tatzgern.

Es habe hierzulande bereits jeder Opfer von Menschenhandel gesehen, "aber nicht erkannt", sagte der Experte. Das könnten in Wien beispielsweise Bettler sein, oder auch Arbeiter auf Baustellen, die von Subfirmen mittels Praktikantenverträgen angestellt werden. Das sei oft "beinharte Ausbeutung". Ausbeutung ist für die Klassifizierung als Menschenhandel auch obligatorisch, "Menschen werden gezwungen, etwas zu tun", sagte Tatzgern. Bei Schlepperei wiederum begeben sich Menschen freiwillig in die Hände der Schlepper.

Unterschiedliche Regelungen in EU-Staaten

Ein großes Gebiet stelle zudem die Zwangsprostitution bzw. sexuelle Ausbeutung darf. Hier gibt es "unterschiedliche Regelungen in 28 EU-Mitgliedsstaaten", erläuterte Tatzgern. Menschenrechtsorganisationen rechnen damit, dass weltweit 2,5 Millionen Menschen wie Ware gehandelt werden. Nur ein Bruchteil wird jedoch auch identifiziert.

In Rumänien wurden im Vorjahr 757 Opfer von Menschenhandel im In- und Ausland festgestellt, sagte Tudor Visan, Verbindungsbeamter der rumänischen Polizei. Die meisten hiervon wurden Opfer sexueller Ausbeutung. In der Schweiz gibt es laut Hans-Ullrich Helfer, Leiter der NGO Humanitas Helvetica, jährlich rund 56,6 Anzeigen wegen Menschenhandel und lediglich zehn Verurteilungen. Ähnlich ist auch die Situation in Deutschland. "2013 wurden 470 Opfer identifiziert", sagte Helmut Sporer von der Kriminalpolizei Augsburg.

Durch die EU-Osterweiterungen kam es zu einem massenhaften Zustrom junger Frauen, erläuterte Sporer. "Die Ressourcen aus Osteuropa scheinen unerschöpflich zu sein." So gebe es mittlerweile kaum noch Prostituierte mit deutschem Pass. Vor 20 Jahren sei dies noch anders gewesen, damals sei eine Prostituierte mit österreichischem Pass schon eine Exotin gewesen, erinnerte sich Sporer.

Deutschland, "das Bordell Europas"

Mehrere Gesetzesänderungen hätten die Situation in Deutschland "verschärft und potenziert". Die Gesetzeslage ist Täter freundlicher als in vergleichbaren Ländern, manche würden auch von einem "Zuhälterbegünstigungsgesetz" sprechen. So haben Zuhälter in Deutschland etwa auch eine Art eingeschränktes Weisungsrecht. "Fast alle Frauen werden ausgebeutet, selbstständige Prostitution ist ganz selten", sagte Sporer. "Deutschland ist mittlerweile zum Bordell Europas geworden", meinte der Kriminalist.

In Österreich tätige Sexarbeiterinnen müssen sich wöchentlich einer amtsärztlichen Untersuchung unterziehen. 2001 wurden in Deutschland verpflichtende Gesundenuntersuchungen abgeschafft. Mittlerweile habe "ein großer Anteil der Frauen noch nie einen Arzt gesehen", sagte Sporer.

Einig waren sich die Experten bei der Tagung in Wien dabei, dass es schwierig sei, Opfer sexueller Ausbeutung zu identifizieren. So würden Frauen bei Vernehmungen stereotype Antworten geben. Fragt man sie etwa danach, wie sie ihr durch Sexarbeit verdientes Geld investieren wollen, erhalte man "immer die gleichen Wünsche. Haus, Auto, Mann. Das kann nur eintrainiert sein", sagte Tatzgern.

Information

Seit 2010 gibt es im Bundeskriminalamt eine Meldestelle Menschenhandel. Hinweise, auch anonym, können unter der Telefonnummer +43-(0)1-24836-985383 oder der E-Mail-Adresse menschenhandel@bmi.gv.at abgegeben werden

(APA)

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