Schlepper am Flughafen Wien: Tipp kam aus den USA

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Am 23.Februar bemerkte ein US-Beamter bei der Einreisekontrolle, dass die Papiere eines aus Wien kommenden Passagiers nicht zur Person passten. Seine Meldung löste Ermittlungen gegen eine 13-köpfige Organisation aus.

Wien. „Wien, ihr habt da ein Problem.“ So, oder so ähnlich, muss es sich wohl angehört haben, als sich am 23.Februar 2015 ein Mitarbeiter des US Department of Homeland Security (DHS) bei Österreichs Behörden und der Fluglinie Austrian darüber beschwert hat, dass man jenseits des Atlantiks der Arbeit offenbar nicht sorgfältig genug nachgegangen ist. Bei der Einreisekontrolle in den Vereinigten Staaten fiel einem Officer nämlich auf, dass das vorgewiesene Reisedokument und die elektronische Reisegenehmigung (Esta) nicht zum aus Österreich kommenden Passagier passten.

Bereits einen Tag später, am 24.Februar, eröffnete die zuständige Staatsanwaltschaft Korneuburg eine Akte wegen des Verdachts auf gewerbsmäßige Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung. Strafdrohung: ein bis zehn Jahre Haft. Zu Wochenbeginn hat der „Kurier“ geschrieben, dass zwei Verdächtige, einer stammt aus Sri Lanka, der andere aus Polen, in Untersuchungshaft sitzen.

Mitarbeiter entlassen

Die Bande, die Flüchtlinge illegal und für viel Geld via Flugzeug nach Amerika (und auch Großbritannien) schleppte, dürfte jedoch deutlich größer sein. Die Ermittlungen des Landeskriminalamts Niederösterreich richten sich gegen elf weitere, also insgesamt 13 Personen. Alle Verdächtigen leben nach derzeitigem Kenntnisstand in Österreich, über Verbindungen zu ausländischen Mittätern ist (noch) nichts bekannt. Derzeit sind den Behörden elf Flüge bekannt, mit denen „Illegale“ transportiert wurden.

Wie die Verdächtigen am Flughafen Wien tatsächlich vorgingen, dazu gab es offiziell noch wenig Details. Auf Basis der bekannten Rahmenbedingungen und weiterer Recherchen lassen sich jedoch einige Details rekonstruieren.

Eine Schlüsselrolle spielte ein inzwischen entlassener Mitarbeiter des privaten Sicherheitsdiensts G4S. Das Unternehmen arbeitet am Flughafen für Austrian. Das amerikanische DHS schreibt der Fluglinie vor, US-Reisende unmittelbar vor dem Boarding einer zusätzlichen Dokumentenkontrolle zu unterziehen. Genau dort dürfte aber nicht so genau hingeschaut worden sein. Denn: Am entsprechenden Gate erschienen die Geschleppten mit von Komplizen gelösten Tickets und Esta-Genehmigungen, die auf andere Namen lauteten. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang das leichtfertige Vorgehen der Verdächtigen. Ihnen allen muss klar gewesen sein, dass der Schwindel spätestens bei der Einreise in die USA auffallen würde, und dass das „Geschäftsmodell“ deshalb ein natürliches Ablaufdatum hatte.

Wie aber kamen die Flüchtlinge in den gesicherten Bereich des Flughafens? Für US-Reisende sind folgende Checkpoints vorgesehen: Check-in, Sicherheitskontrolle, Passkontrolle und Dokumentenkontrolle beim Boarding. Für die Helfer der Schlepper, die von Österreich aus Tickets buchten und Esta-Formulare ausfüllten, waren diese Hürden kein Problem. Doch wie übergaben sie die Unterlagen?

Nach bisherigen Berichten soll der Austausch nach der Pass- und vor der Boardingkontrolle stattgefunden haben. Die Geschleppten seien hierfür durch eine „Hintertür“ in den sensibelsten Bereich des Flughafens gebracht worden. Genau das schließt der Flughafenbetreiber jedoch zu 100 Prozent aus. Ausnahmslos jeder, der sich in dieser Zone des Gebäudes bewege, müsse durch die Sicherheitskontrolle. Zwar wird bei der Sicherheitskontrolle selbst der Reisepass nicht geprüft, spätestens aber bei der anschließenden Passkontrolle durch Beamte des Innenministeriums. Was umgekehrt bedeutet: Da sich auch die Passkontrolle innerhalb des Sicherheitsbereichs befindet, müssten die Schlepper Komplizen bei der Polizei gehabt haben. Wie sonst wäre es zu erklären, dass illegal Reisende, die nach Angabe des Flughafens nicht an der Sicherheitskontrolle vorbeikönnen, unbemerkt die Passkontrolle passieren?

Drehscheibe Transitbereich?

Die Behörden dementieren das jedoch. Zudem befindet sich unter den 13 Verdächtigen laut Staatsanwaltschaft kein Beamter. Außerdem: Gegen die Theorie mit der „Hintertür“ spricht weiters, dass es viel einfacher und mit deutlich weniger Risiko verbunden gewesen wäre, wenn man die Reiseunterlagen bereits außerhalb des Flughafengebäudes an die Geschleppten übergeben hätte.

Die Lösung des Rätsels dürfte woanders liegen. Recherchen zeigen, dass die einfachste Möglichkeit für den Austausch der Papiere eine Übergabe im Transitbereich ist. Das bedeutet, dass die Geschleppten bereits mit dem Flugzeug kamen und das Flughafengebäude nie verließen. Dieses Detail erklärt auch, warum sich Behörden, Austrian, G4S und der Flughafen so zugeknöpft geben: Die Ermittlungen zu den Hintermännern im Ausland laufen noch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2015)

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