"Chemische Kastrationen": Europarat rügt Justizanstalt Stein

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Das Antifolterkomitee des Europarates soll in der Hafteinrichtung Krems-Stein schwere Mängel festgestellt haben.

Das Antifolterkomitee des Europarates (CPT) übt schwere Kritik an den Zuständen in der niederösterreichischen Justizanstalt Krems-Stein. Das berichtet der "Falter", dem ein entsprechender Rohbericht vorliegt. Im Herbst 2014 hat das Gremium des Europarats demnach die österreichischen Hafteinrichtungen und Psychiatrien besucht, um sich ein Bild zu machen. In dessen Bericht werden nun Vorwürfe laut, dass Häftlinge der Justizanstalt Krems-Stein "chemische Kastrationen" unterzogen würden, um Haftlockerungen zu erhalten. Das Justizministerium dementierte.

Von 22. September bis 1. Oktober 2014 hat sich die Delegation nicht nur in Krems-Stein umgesehen, sie besuchte u.a. auch Graz-Karlau, Graz-Jakomini und die Justizanstalt Josefstadt sowie das Schubhaftzentrum Vordernberg, das Wiener und das Grazer Polizeianhaltezentrum und die Psychiatrische Abteilung des Otto-Wagner-Spitals. Nun liegt der Rohbericht vor, der noch streng geheim ist. Die durch den Besuch der CPT-Experten gewonnenen Erkenntnisse sollen in einem Endbericht im Herbst veröffentlicht werden.

Inakzeptabler Mangel an Ärzten

In jenem dem "Falter" vorliegenden Rohbericht zeigte sich das CPT über die strukturellen Mängel in Krems-Stein entsetzt. Es bestehe ein inakzeptabler Mangel an Ärzten. Psychisch kranke Insassen würden von Nachmittag - an Wochenenden ab Mittag - bis zum nächsten Tag weggesperrt. Zudem würden Sexualstraftäter unter Anwendung psychischen Drucks mit Antiandrogenen behandelt. Diese Medikamente werden eingesetzt, um die Androgenproduktion in den Hoden zu verringern - eine sogenannte "chemische Kastration". Laut dem Bericht wäre den Betroffenen danach Lockerungen im Vollzug versprochen worden.

Diesen Vorwürfen widersprach das Justizministerium. Derzeit würden sich in der Justizanstalt Krems-Stein drei Insassen des Maßnahmenvollzuges in einer solchen Antiandrogenbehandlung befinden. Allerdings wären diese eingehend über die Wirkung und etwaige Folgen belehrt worden und hätten dieser Behandlungsform schriftlich ohne Druckausübung zugestimmt. Das Justizministerium verwies auch auf einen weiteren Insassen, der diese Behandlung dezidiert ablehnte, obwohl dies dringend angeraten wurde.

Kritik vonseiten des CPT gab es auch am Otto-Wagner-Spital und den beim Besuch der Delegation entdeckten Netzbetten. Ein Sprecher des Krankenanstaltenverbundes (KAV) verwies auf einen Erlass des Gesundheitsministeriums, das den Einsatz dieser Betten mit Stichtag 1. Juli verbietet. "Das Thema gehört der Vergangenheit an", erklärte der Sprecher. Die Netzbetten werden entsorgt.

(APA)

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