Amokfahrt: Strafverfahren gegen Eltern

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Die Eltern des Amokfahrers von Graz stehen im Verdacht, ihre Schwiegertochter bedroht und/oder eingesperrt zu haben.

Graz. Nicht nur Alen R. (26), der Amokfahrer von Graz, steht im Visier der Ermittler – auch seine in Kalsdorf, südlich von Graz wohnenden Eltern stehen im Verdacht, Straftaten begangen zu haben. Die Ehefrau von R. hatte am 11.Juni, also vor der Amokfahrt (20.Juni), angegeben, dass sie von R. geschlagen, getreten und bedroht worden sei. Aber auch dessen Eltern sollen sie massiv eingeschüchtert haben. Wie die Frau in einem in der Sendung „Thema“ ausgestrahlten Interview sagte, sei sie sogar mit Mord bedroht worden. Weiters besteht der Verdacht, die Eltern des Mannes (die Familie war aus Bosnien eingewandert) könnten an einer Freiheitsentziehung der Frau beteiligt gewesen sein.

Zunächst sei nur gegen den Sohn ermittelt worden, mittlerweile würden aber auch Ermittlungen gegen die Eltern laufen, bestätigte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Graz, Christian Krosch, der „Presse“. Er gab zu bedenken, dass die Angaben der Frau nach der Amokfahrt detaillierter geworden seien. Die Eltern bestreiten die Vorwürfe. Für sie gilt die Unschuldsvermutung.

Die Ermittlungen zu der Amokfahrt, die drei Tote (die Identität einer getöteten Frau ist noch immer unklar, die Staatsanwaltschaft wird vermutlich in Kürze ein Foto dieses Opfers veröffentlichen) und 36 Verletzte forderte, gehen freilich weiter: 50 Personen, die durch die Fahrt einer Gemeingefährdung ausgesetzt waren und zum Teil nur durch Sprünge zur Seite ihr Leben retten konnten, werden mittlerweile von der Polizei gezählt. 250 Zeugen haben sich mittlerweile bei der Polizei gemeldet. Über das Motiv der Amokfahrt ist noch immer nichts Konkretes bekannt. Zwei Psychiater sind mit Untersuchungen des in U-Haft sitzenden Mannes betraut.

Kastner: „War nicht zu verhindern“

Indes verlieh die Amokfahrt einer Grazer Veranstaltung beklemmende Aktualität: In einer vom Verein „Sicher leben in Graz“ und der Stadt organisierten Fortbildung für Polizei, Staatsanwaltschaft und Pädagogen zum Thema „Gewalt erkennen, behandeln, verhindern“ sagte die Psychiaterin Adelheid Kastner am Dienstag: Aufklärung könne Gewalttaten verhindern, wenn auch nicht immer. „Das Ereignis am 20.Juni fällt in diese Kategorie, man hätte es nicht verhindern können.“ Zur Amokfahrt sagte Kastner auch, dass solche Ereignisse extrem selten seien, in Österreich noch viel seltener als etwa in Deutschland. (m. s./APA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2015)

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