Psychiatrie: Die Zeit der Netzbetten ist vorbei

Archivbild: Ein Netzbett im Otta-Wagner-Spital in Wien
Archivbild: Ein Netzbett im Otta-Wagner-Spital in WienAPA
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Die Netzbetten, in denen Patienten praktisch eingesperrt waren, wurden in Österreich jahrzehntelang verwendet - und von vielen Experten seit Jahren bekämpft.

Ende für eine seit Jahrzehnten umstrittene Praxis in der Psychiatrie und in Heimen: Die Verwendung von Netzbetten ist seit Mittwoch, 1. Juli, in Österreich verboten. Das Gesundheitsministerium hatte das Verbot bereits im vergangenen Herbst aus "verfassungsrechtlichen Gründen per Erlass" verfügt. Nun ist die Übergangsfrist zu Ende. Patientenvertreter, Menschen- und Bürgerrechtsaktivisten und viele Psychiater hatten die Praxis seit vielen Jahren bekämpft.

Dazu erklärte Siegfried Kasper, Leiter der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der MedUni Wien im vergangenen September gegenüber der Austria Presseagentur: "Ich bin fest überzeugt, dass man die Netzbetten nicht braucht. Ich habe in Jahrzehnten - unter anderem in Freiburg, Heidelberg, Washington, Bonn und Wien - nie an einer Klinik gearbeitet, an der es Netzbetten gab."

Wenn man Psychiatrie-Patienten als Kranke betrachte, müsse man auch deren allfällige Erregungszustände behandeln. Die Tradition von Netzbetten beruhe hingegen auf dem Gedanken der Disziplinierung von psychisch Kranken, so der Experte.

Kritik an österreichischer Praxis

Die Netzbetten, in denen Patienten praktisch eingesperrt waren, wurden in Österreich jahrzehntelang verwendet. Es kam auch zu Zwischenfällen. Mit der Maßnahme zieht Österreich laut dem Gesundheitsministerium nun mit den internationalen menschenrechtlichen Standards gleich. Kritik hatte es auch vonseiten der Europäischen Antifolterkonvention des Europarates sowie der Volksanwaltschaft gegeben.

Volksanwalt Günther Kräuter zeigte sich im Herbst über den Erlass erfreut: "Endlich wird mit der noch in Wien und teilweise der Steiermark gängigen Praxis aufgeräumt, psychisch kranke Menschen in käfigartige Betten zu sperren. Damit erfüllt sich eine langjährige Forderung der Volksanwaltschaft und ihres Menschenrechtsbeirates sowie des Europarates und der Europäischen Antifolterkonvention."

Die Volksanwaltschaft appellierte schon nach dem Erlass des Gesundheitsministeriums im an Einrichtungen, die noch Netzbetten im Einsatz hatten, unabhängig von der Übergangsfrist die Netzbetten umgehend zu entsorgen. Kräuter in einer damaligen Aussendung abschließend: "Ein dunkles Kapitel der österreichischen Psychiatrie wird endgültig geschlossen."

(APA)

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