"Nazikeller"-Prozess: Bedingte Haft wegen Wiederbetätigung

Der Angeklagte am Donnerstag vor Gericht
Der Angeklagte am Donnerstag vor GerichtAPA/ROBERT JAEGER
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Weil er seinen "Nazikeller" in einem Ulrich-Seidl-Film zur Schau gestellt hatte, stand ein Burgenländer wegen Wiederbetätigung vor Gericht.

In Eisenstadt hatte am Donnerstag die sogenannte "Nazikeller"-Affäre ein gerichtliches Nachspiel: Der Besitzer des mit Hakenkreuzfahnen, Wehrmachtsuniformen und allerlei anderen NS-Devotionalien bestückten Kellers im Bezirk Mattersburg, der in einem Film des Regisseurs Ulrich Seidl zu sehen war, wurde wegen Wiederbetätigung nach dem Verbotsgesetz zu zehn Monaten bedingter Haft verurteilt.

Seidl hatte in der Zeit von April bis Juli 2009 an sechs Tagen für seinen Dokumentarfilm "im Keller" in dem Keller in Marz (Bezirk Mattersburg) gedreht. Im Streifen war schließlich auch der 58-Jährige Burgenländer zu sehen, wie er mit vier Freunden in dem Keller saß und man sich zuprostete. Auch gegen die Bekannten war ermittelt worden, die Verfahren wurden jedoch eingestellt.

Anwalt: "Nicht eine der besten Ideen"

Dem 58-Jährigen warf Staatsanwalt Heinz Prinke vor, in doppelter Hinsicht gegen Paragraf 3g des Verbotsgesetzes verstoßen zu haben: Einerseits, indem er den mit Nazi-Abzeichen und Hitlerbildern dekorierten Keller im Film einer breiten Öffentlichkeit zur Schau gestellt habe. Andererseits dadurch, dass er das Lied des NSDAP-Mitglieds Hans Baumann, "es zittern die morschen Knochen", mit seinem Blasinstrument gespielt habe. Vor einem Hitler-Porträt habe der Angeklagte gemeint, das sei "das schönste Hochzeitsgeschenk in meinem Leben".

Verteidiger Werner Tomanek erklärte, sein Mandant bekenne sich nicht schuldig. Dass es "nicht eine der besten Ideen" des Angeklagten gewesen sei, an dem Film mitzuwirken, das stehe außer Streit. Der 58-Jährige sei "ein Sammler aus Leidenschaft" und habe zu Hause vieles aufbewahrt. Der Besitz der Gegenstände, die er im Keller hatte, sei allein nicht strafbar, argumentierte Tomanek. Nur zeigen und propagieren dürfe man das nicht.

"Man hat schon den Eindruck, dass das, was sie hier sagen, von ihnen kommt, weil das ihre Auffassung ist", hielt ihm die Vorsitzende Karin Lückl seine Aussagen im Film vor. "Das stimmt nicht, dass das meine Auffassung ist. Ich bin nur ein Sammler", rechtfertigte sich der Angeklagte. Er sei eben an Geschichte interessiert.

Sitzordnung kam vom Regisseur

Die Fragen des Senats an den Angeklagten und die Zeugen konzentrierten sich vor allem darauf, unter welchen Umständen es zu den Szenen gekommen war, die schließlich im Film gezeigt wurden. Teilnehmer des "geselligen Beisammenseins" sagten aus, Seidl habe ihnen nicht wörtlich gesagt, was sie reden sollten. Der Regisseur habe aber beispielsweise Anweisungen gegeben, wo man sitzen sollte.

Der 58-Jährige sagte dem Gericht, dass er Bedenken geäußert habe, ob alles rechtens sei. Seidl habe deshalb Rechtsberatung eingeholt. Der Regisseur habe auch angedeutet, dass der Film "scheitern" könne und womöglich gar nicht gezeigt werde. Dies bestritt der Filmemacher nachdrücklich: Jeder Film habe seine Verträge und müsse fertig werden: "Ich hafte dafür". Ein Dreh sei genau geplant, erläuterte der Regisseur: Im Film passiere, was "der Wahrheit entsprechend" sei für den jeweiligen Protagonisten: "Wo er sich hinbewegt, das ist von mir gekommen, der Text nicht."

Warum letztlich der Angeklagte das Lied "Es zittern die morschen Knochen" gespielt habe, konnte niemand mehr sagen. Es seien einige Stücke zur Auswahl gestanden, schilderte er. Welche, war nicht mehr zu eruieren. Tomanek konfrontierte Seidl mit der Information, dass auch er als Beschuldigter geführt worden sei, das Verfahren aber eingestellt worden sei. Er habe davon nichts gewusst, meinte Seidl. Auf die Frage, ob er den Eindruck gehabt habe, dass der Angeklagte sich im nationalsozialistischen Sinn betätigen wollte, meinte der Filmemacher: "Da ist er weit davon entfernt".

Eindeutiger Schuldspruch der Geschworenen

Zeugen schilderten, dass bei dem Dreh auch Wein getrunken worden sei. Der Angeklagte habe jedoch gewusst, was er sage, meinte ein Kameramann. Als "immer ziemlich normal und irrsinnig nett", beschrieb ein Tontechniker den Gastgeber.

Tomanek ersuchte in seinem Schlussplädoyer um einen Freispruch: Sein Mandant habe "nichts gemacht, was strafrechtlich relevant ist", sagte der Anwalt des 58-Jährigen. "Der Besitz solcher Dinge ist straflos. Ich kann in meinen eigenen vier Wänden aufhängen, was ich will."

Anders sah dies der Staatsanwalt: Hätte der Angeklagte keine Zweifel daran gehabt, dass alles rechtlich in Ordnung sei, hätte er nicht deshalb nachgefragt. Der Angeklagte sei auch stolz gewesen, dass der Film gedreht worden sei.

Die Geschworenen bejahten die Frage des Vorliegens einer Wiederbetätigung mit 7:1 Stimmen. Der Burgenländer nahm das Urteil an, der Staatsanwalt gab keine Erklärung ab. Die Eventualfrage, ob der Angeklagte das Unrecht seiner Tat aufgrund eines Rechtsirrtums nicht erkannt habe, wurde mit 7:1 Stimmen verneint. Das Gericht ordnete weiters an, die Gegenstände mit Bezug zur NS-Zeit wie Hakenkreuzfahnen, Hitlerbilder, Orden und Abzeichen zu konfiszieren.

Als mildernd wurde die bisherige Unbescholtenheit berücksichtigt. Der Verurteilte habe zudem hinsichtlich der von ihm geäußerten Bedenken auf das ihm Gesagte vertraut. Die Gelegenheit, sich zu präsentieren, sei schließlich durch einen Dritten ermöglicht worden. Aufgrund des Überwiegens der Milderungsgründe habe man bei der Strafbemessung unter den Rahmen von ein bis zehn Jahren gehen können, so Lückl.

(APA/Red.)

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