Verfassungsschutzbericht: Der Jihadismus als größte Bedrohung

PROZESS GEGEN MUTMASSLICHEN TERRORISTEN IN KREMS
PROZESS GEGEN MUTMASSLICHEN TERRORISTEN IN KREMS(c) APA/HERBERT PFARRHOFER
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Religiös motivierten Extremismus sehen die Staatsschützer derzeit als größte Gefahr. Aber auch gewalttätige Übergriffe wegen Islamfeindlichkeit werden erwartet.

Wien. Die größte Bedrohung für Österreich geht von religiös motiviertem Extremismus und Terrorismus aus. Das ist eine Erkenntnis des Verfassungsschutzberichts 2014, der am Freitag im Innenministerium präsentiert wurde. Es gebe durchaus Anlass zur Sorge, sagte Konrad Kogler, Generaldirektor für öffentliche Sicherheit. Es handle sich um einen anhaltend steigenden Trend. Man gehe weiter von einer erhöhten abstrakten Gefährdungslage aus.

Österreich und Europa werden von islamischen Extremisten als Gebiet von Anders- und Ungläubigen gesehen, heißt es. Und Terrorgruppen wie al-Qaida oder der sogenannte Islamische Staat (IS) haben eine Strategie des globalen Jihad gegen westliche Staaten entwickelt. In Österreich haben sich demnach mehrere Personenverbindungen gebildet, die diese Gruppierungen ideologisch und aktiv unterstützen. Insbesondere junge Muslime aus der zweiten und dritten Generation sowie Konvertiten würden sich von diesem Diskurs angesprochen fühlen – und zur Bildung einer „home-grown“-Szene in Österreich beitragen.

233 in den Jihad gereist

Bisher seien schon 233 Personen identifiziert worden, die ausgereist sind, um im sogenannten Heiligen Krieg in Syrien und im Irak zu kämpfen. Allein im ersten Halbjahr 2015 waren es laut Peter Gridling, Direktor des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), rund 60. Von 39 Personen wird vermutet, dass sie im Krisengebiet getötet wurden. Mehr als 70 seien dagegen wieder nach Österreich zurückgekehrt. Von ihnen gehe eine potenzielle Gefahr aus – weil sie sich auch nach ihrer Rückkehr extremistischen und terroristischen Aktivitäten widmen könnten. Umso wichtiger sei es, die Reisebewegungen dieser Personen zu erkennen, um möglichen Anschlägen vorbeugen zu können.

Insgesamt wurden bereits 174 Strafverfahren nach den Terrorismus-Paragrafen des Strafrechts gegen mögliche Jihadisten eingeleitet. Bisher gab es 14 Verurteilungen. Bei aller abstrakten Bedrohungslage betont Peter Gridling aber, dass es derzeit keine Hinweise auf eine unmittelbare Anschlagsdrohung in Österreich gebe.

Angesichts der Bedrohung durch islamistischen Terror gab es im vergangenen Jahr aber auch einen Anstieg von Aktionen, die gegen Muslime gerichtet waren. Im Bericht gelistet wird etwa die Beschmierung eines türkischen Kindergrabes mit einem Hakenkreuz, das Überkleben von Straßenschildern rund um eine Moschee und die Beschmierung eines Kebablokals mit Schweineblut und der Hinterlegung von Schweineteilen.

In dieser Hinsicht ist im Bericht auch die Rede davon, dass ein weiterer Anstieg derartiger Aktionen durch die rechtsextreme Seite zu erwarten sei. „Antisemitismus, Islam- und Muslimfeindlichkeit stellen aktuell die wesentlichen thematischen Stoßrichtungen dar“, heißt es. Und die Verfassungsschützer rechnen mit einer weiteren Steigerung: „Es ist davon auszugehen, dass sich die bisherigen Provokationen zu gewalttätigen Übergriffen entwickeln können.“

Insgesamt gab es im Bereich des Rechtsextremismus erneut einen Anstieg der Anzeigen – bedingt unter anderem durch steigende Hinweiszahlen bei der Meldestelle NS-Wiederbetätigung. Gab es 2013 noch 1186 Anzeigen, so wurden 2014 schon 1201 verzeichnet. Die Aufklärungsquote lag zuletzt bei 59,7 Prozent. Die Zahlen für 2013 mussten übrigens nachkorrigiert werden – von 1027 auf nun 1186 Anzeigen –, weil Beschädigungen, unter anderem von Stolpersteinen zur Erinnerung an die Opfer des Holocausts in Salzburg, verspätet gemeldet wurden. Eine akute Bedrohung für die demokratischen Strukturen Österreichs sei derzeit aber nicht erkennbar. Zudem, so heißt es im Bericht, bewege sich der Rechtsextremismus in Österreich „nach wie vor auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau“.

Linksextreme bei FPÖ-Ball

Zuwächse gab es auch beim Linksextremismus. 2014 wurden 545 Anzeigen (Aufklärungsquote: 25,3 Prozent) vermerkt, nach 411 im Jahr zuvor. 208 Anzeigen davon erfolgten im Rahmen der gewalttätigen Proteste gegen den Akademikerball der FPÖ. Insgesamt betrachten die Verfassungsschützer den Linksextremismus gegenwärtig als keine ernsthafte Gefahr für die Funktions- und Handlungsfähigkeit des Staates“. (eko/APA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2015)

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