Reisen: Bahn beschleunigt beim Umsteigen

Hauptbahnhof Wien
Hauptbahnhof WienDie Presse
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An immer mehr Bahnhöfen kommen und fahren Züge innerhalb knapper Zeitfenster. Das spart Zeit beim Umsteigen. Bis das bundesweit funktioniert, werden aber noch zehn Jahre vergehen.

Wien. Es sind oft die kleinen Dinge, die über Erfolg und Misserfolg eines Produkts entscheiden. Bis Ende 2007 noch fuhr – beispielsweise in der Steiermark – der Großteil der Regionalzüge in die Bahnhöfe, wie es ihm gefiel. Seit man jedoch versucht, die Verbindungen aufeinander abzustimmen, die Nettofahrzeit auf einer Strecke nicht mehr als alleiniges Dogma sieht, sondern dem gleichzeitigen Einfahren in größere Bahnhöfe mit anderen Zügen Priorität einräumt, steigt die Zahl der Fahrgäste. Seit damals um satte 32 Prozent.

Ende des Jahres folgt der nächste Schub. Österreichs größter Bahnhof, der Wiener Hauptbahnhof, geht erstens in Vollbetrieb und tut das dann zweitens als sogenannter Taktknoten. Das bedeutet, dass ab Dezember die meisten internationalen, nationalen und regionalen Züge nahezu gleichzeitig zur vollen und/oder halben Stunde ein- und anschließend wieder ausfahren. Ein Zeitfenster von wenigen Minuten soll es möglich machen, dass Reisende alle anderen Züge ohne lange Wartezeit erreichen. Die Verkehrsplaner in der bevölkerungsreichen Ostregion (Wien, Niederösterreich, Burgenland) erwarten sich dadurch einen massiven Schub bei den Fahrgastzahlen.

Der Hauptbahnhof-Vollbetrieb ist jedoch nur ein – wenn auch wichtiger – Baustein eines viel größeren Projekts, an dessen Ende ein bundesweiter Taktfahrplan steht. Taktfahrplan bedeutet in diesem Zusammenhang, dass bis Ende des Jahres 2025 alle größeren, für Österreich wichtigen Bahnhöfe einen gemeinsamen Herzschlag haben. Dazu gehören auch einige wenige Stationen im nahen Ausland. Für Bahnfahrer, die umsteigen müssen, kann das bestimmte Verbindungen erheblich beschleunigen, obwohl die Züge selbst gar nicht schneller fahren.

Zeit sparen beim Umsteigen

Am Beispiel Hauptbahnhof Wien erklärt, bedeutet das: Wer aus dem dicht besiedelten Raum südlich der Hauptstadt – etwa von Baden aus – nach Salzburg will, benötigt dafür heute drei Stunden und 20 Minuten. Mit Vollbetrieb des Hauptbahnhofs (inklusive seines zum System gehörenden Bahnhofs Meidling) ist die gleiche Strecke in 2:50 Stunden, also 30 Minuten schneller zu schaffen. Vorausgesetzt allerdings, dass die Züge die angefahrenen Taktknoten auch pünktlich erreichen.

Bereits jetzt arbeitet eine ganze Reihe von Bahnhöfen auf der Schiene im Taktbetrieb (siehe Grafik). Im Lauf der kommenden Jahre sollen viele andere hinzukommen und in einem weiteren Schritt auch den öffentlichen Busverkehr in dieses System einbinden.

Railjet zu schnell für Takt

Damit dieses komplexe Netzwerk überhaupt funktionieren kann, sind einige Voraussetzung zu erfüllen. So müssen zwischen den einzelnen Bahnhöfen die Züge bestimmte Richtzeiten einhalten, die ebenfalls in der Grafik abgebildet sind. Im Takt verkehrende Züge, die schneller fahren könnten, passen ihre Geschwindigkeit an oder warten im Bahnhof. Infrastrukturen, auf denen die Richtzeiten nicht möglich sind, werden baulich angepasst – also Strecken beschleunigt oder Bahnhöfe und Bahnsteige so erweitert, dass die rasche Abfertigung mehrerer Züge gleichzeitig funktioniert.

Das ist einer von vielen Gründen, warum das bundesweite Taktsystem erst jetzt langsam in Fahrt kommt. Die Schweiz etwa hat diesen langwierigen und teuren Prozess längst hinter sich.

Einerseits macht es das Taktsystem möglich, die Kapazität des Schienennetzes um circa 20 Prozent zu erhöhen und die Reisezeiten insbesondere für Pendler – 85 Prozent der jährlich 278 Millionen Fahrgäste verkehren im Regionalverkehr – zu verkürzen. Andererseits ergeben sich durch den synchronen Herzschlag des Systems auch Einschränkungen für jene, die nicht daran teilnehmen.

Der für den Taktbetrieb zu schnelle ÖBB-Railjet etwa muss seine Abfahrtszeiten so anpassen, dass es zu keinen Konflikten mit im Takt verkehrenden Zügen kommt. Dem Taktsystem wird nun im Eisenbahngesetz sozusagen Priorität bei Konflikten mit anderen Bahnanbietern eingeräumt. Um die staatlichen ÖBB gegenüber Privatanbietern wie der Westbahn, die im Vorfeld gegen das Vorhaben protestiert hat, nicht zu bevorzugen, können sich auch diese um Dienstleistungen im Taktbetrieb bewerben. Wer das nicht möchte, oder schneller als im Taktbetrieb fahren will, muss jedoch seine Fahrpläne – siehe Railjet – geringfügig anpassen. Das Gesetz soll im Herbst beschlossen werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2015)

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