Wien: Rote Kollision beim Gemeindebau

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Eine Studie weist 17 potenzielle Bauplätze für Häupls versprochene 2000 Gemeindewohnungen aus. Für den Bürgermeister sind sie fix, das Wohnbauressort weiß nichts davon.

Wien. Der Gemeindebau ist die symbolische Festung für die politischen Werte der Sozialdemokratie. Ein gutes halbes Jahr vor der Wahl am 11. Oktober holte Bürgermeister Michael Häupl dieses tiefrote Kernthema bei der Klubklausur in Rust aus der Versenkung und verkündetete, dass die Stadt nach zehn Jahren Abstinenz wieder Gemeindebauten errichten wolle. 2000–2500 Wohnungen wolle man in der nächsten Legislaturperiode schaffen, ein Pilotprojekt in Favoriten mit 120 Wohnungen in der Fontanastaße 1 wurde präsentiert.

Laut der Tageszeitung „Heute“ sei nun fix, wo die restlichen Wohnungen entstehen sollen. An 17 Adressen, die sich aus einer Studie von Wiener Wohnen ergeben, sollen 1927 Wohnungen entstehen. Die größten Bauten sollen in der Favoritenstraße 49–53 (Favoriten, 174 Einheiten) in der Autokaderstraße 3–7 (Floridsdorf, 204 Wohnungen), in der Rudolf-Zeller-Gasse 5–11 (Liesing, 234 Wohnungen) und in der Oskar-Grissemann-Straße 2 (Donaustadt, 314 Wohneinheiten) entstehen. (>> Karte: Wo die Gemeindebauten entstehen könnten)

Ludwig dementiert

Interessanterweise weiß der zuständige Wohnbaustadtrat, Michael Ludwig, auf „Presse“-Anfrage noch nichts von davon – aus seinem Ressort werden derartige Pläne sogar dezidiert dementiert. Die Wiener-Wohnen-Studie sei nur eine von vielen, die Liste sei im Zuge einer Erhebung entstanden, wo künftig Garagen gebaut werden könnten – und ja, man habe sich auch angeschaut, wo dazu Wohnbau möglich wäre. „Fix ist aber nix und nicht einmal ansatzweise konkret“, heißt es aus dem Büro von Wohnbaustadtrat Michael Ludwig. Weder jetzt noch in naher Zukunft werde man diese Adressen als neue Standorte der Gemeindebauten verkünden – man arbeite im Hintergrund aber an der Standortsuche und konkreten Projekten, diese deckten sich aber nicht mit den kolportierten Adressen.

Nur für eines der genannten Grundstücke gebe es derzeit konkrete Pläne – und zwar für den Handelskai 214. Dort steht neben dem vorhandenen Gemeindebau derzeit eine in die Jahre gekommene Garage aus den 1970er-Jahren. Anfang Juli präsentierte Michael Ludwig gemeinsam mit Leopoldstadt-Bezirksvorsteher Karlheinz Hora, dass hier künftig neben der Garage mit 600 Parkplätzen auch weitere 200 Wohnungen entstehen sollen.

Kommunikationsproblem

Dass die genannten Adressen „alles andere als spruchreif sind“, sieht Bürgermeister Häupl ein wenig anders. Am Rande eines Pressetermins in Aspern bestätigte er den Medienbericht und die genannten Standorte. Irgendwohin müsse man die Wohnbauten ja stellen, um die versprochenen 2000 Wohneinheiten zu verwirklichen, sagte er gegenüber Journalisten.

Dass es zwischen dem Bürgermeister und dem Wohnbauressort in Dingen Gemeindebau zu unterschiedlichen Auffassungen kommt, ist nicht das erste Mal. Nur wenige Wochen vor Häupls Ansage in Rust hat Ludwig die Rückkehr des Gemeindebaus ausgeschlossen. Er sagte im November 2014: „Mit den eingesetzten Wohnbauförderungsmitteln können wir mehr Wohnungen gemeinsam mit gemeinnützigen Bauträgern errichten, als wenn wir als Stadt selbst bauten. Das würde mindestens 20 Prozent mehr kosten.“

Einer der Ludwig doch von der Notwendigkeit des Gemeindebaus überzeugt haben dürfte, ist SPÖ-Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler, der nun seit einem guten Jahr sein Amt als Parteimanager ausübt und dazu seit 2008 Präsident der Mietervereinigung ist. In dieser Funktion betont er seit Jahren, wie wichtig es sei, Wohnraum zu schaffen, für den keine finanziellen Eigenmittel nötig sind. Auf dem privaten Markt ist dies meist in Form einer Kaution und einer Maklerprovision gegeben. Beim in den letzten zehn Jahren forcierten Modell der Genossenschaftswohnungen sind mehrere zehntausend Euro Eigenmittelanteil ebenfalls die Regel – diese Hürden seien für sozial Schwache kaum zu schaffen.

Lange Wartelisten

Nach den von Stadtrat Ludwig initiierten Smart-Wohnungen, die auch kaum einen Eigenmittelanteil haben, ist nun also der Neo-Gemeindebau ein Schritt in diese Richtung – die Mieten sollen bei 7,50 Euro pro Quadratmeter liegen. Wie hoch der Bedarf an leistbarem Wohnraum ist, zeigen die Wartelisten bei Wiener Wohnen. Derzeit warten rund 14.700 Menschen darauf, dass ihnen eine Wohnung zugeteilt wird. Weitere 11.900 sind bereits wohnversorgt, warten jedoch aufgrund von veränderten Lebensverhältnissen auf eine andere – meist größere – Wohnung. Im Schnitt muss man auf eine Gemeindewohnung eineinhalb Jahre warten.

Auf einen Blick

Neo-Gemeindebau. Derzeit warten in Wien mehr als 25.000 Menschen auf eine Gemeindewohnung. Bürgermeister Michael Häupl hat versprochen, in den nächsten fünf Jahren bis zu 2500 neue Gemeindewohnungen zu bauen. Eine Studie von Wiener Wohnen hat jetzt 17 potenzielle Standorte ermittelt. Häupl will dort fix bauen, Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) weist derartige Pläne dezidiert zurück.

>> Karte: Wo die Gemeindebauten entstehen könnten

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