Flüchtlingsdrama: Fünfter mutmaßlicher Schlepper festgenommen

Police escort suspects in the deaths of 71 refugees found in a truck on an Austrian motorway, in Kecskemet
Police escort suspects in the deaths of 71 refugees found in a truck on an Austrian motorway, in Kecskemet(c) REUTERS (LASZLO BALOGH)
  • Drucken

Vom LKW-Besitzer fehlt anscheinend noch jede Spur. Nun wurde aber ein weiterer mutmaßlicher Schlepper in Ungarn festgenommen.

Nach dem grausigen Fund von 71 toten Flüchtlingen in einem auf der A4 im Burgenland abgestellten Kühltransporter am Donnerstag konnte nun nach kurzer Zeit ein fünfter Verdächtiger in Ungarn festgenommen werden. Bereits am Freitag hatte die Polizei von vier Festnahmen berichtet. Am Samstag wurde über diese Männer die U-Haft verhängt. Am Sonntag wurde eine fünfte Festnahme in Ungarn bekannt.

Bei dem fünften Verdächtigen, der am Samstagabend festgenommen wurde, handelt es sich laut ungarischer Polizei um einen bulgarischen Staatsbürger. Gegen ihn werde wegen Menschenschmuggels ermittelt. Nähere Details wurden von der Behörde zunächst nicht genannt.

U-Haft bis 29. September

Am Samstagnachmittag waren die vier Festgenommenen im Alter von 28, 29, 37 und 50 Jahren - ein afghanischer und drei bulgarische Staatsbürger - in Ungarn angehört worden. Die vier Männer bleiben nun bis 29. September in U-Haft. Das Gericht kam damit der Forderung der Staatsanwaltschaft nach, die auf die "außergewöhnliche Schwere des Verbrechens" verwiesen hatte. Außerdem warf die Anklagebehörde den Männern "geschäftsmäßig" organisierten Menschenhandel und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vor.

Unterdessen wird der sichergestellte Lkw technisch untersucht, sagte Landespolizeidirektor Hans Peter Doskozil. Hinweise auf Fluchtversuchte der Flüchtlinge gab es vorerst keine. Der Transporter war von außen auch mit einem Draht versehen. Im Fokus steht insbesondere die Kühlanlage und die Frage, ob diese vielleicht präpariert worden ist, dass eine Luftzufuhr stattfinden kann. Damit soll untersucht werden, wie dicht der Lkw war. Diese Auswertung sei ein Faktor, um ein Weg-Zeit-Diagramm erstellen zu können, um eventuell auch den Todeszeitpunkt zu klären, sagte der Landespolizeidirektor. Hier müsse man schauen, wie weit dieser eingeengt werden kann. Dann können man eine Aussage treffen, wo höchstwahrscheinlich der Tod eingetreten sei - in Österreich oder noch vor der Grenzüberfahrt in Ungarn.

LKW in Kecskemet gestartet

Dies dürfte auch für Zuständigkeit der Behörden der beiden Länder interessant sein. Am Samstag berichtete die Staatsanwaltschaft des Komitats Bacs-Kiskun in einer Aussendung, dass der Todes-Lkw in der ungarischen Stadt Kecskemet gestartet sein soll. Demnach hätten die vier Schlepper die illegal über die ungarische Grenze geflohenen Flüchtlinge in Kecskemet aufgenommen und dann weiter nach Österreich transportiert, weshalb der Fall in die Kompetenz der für Kecskemet zuständigen Staatsanwaltschaft falle.

Aber auch die Staatsanwaltschaft Eisenstadt fühlt sich zuständig. Sprecherin Verena Strnad hielt am Sonntag allerdings fest: "Es ist zu betonen, dass es keinen Streit über die Zuständigkeit gibt. Es ist wichtig, den Beschuldigten vor Augen zu führen, mit welchen strengen Sanktionen sie rechnen müssen." Ob die vier Verdächtigen nach Österreich ausgeliefert werde, hänge "untrennbar" mit der Frage der Zuständigkeit zusammen. Dazu werde es Gespräche geben.

16 Leichen obduziert

Die Leichen wurden noch am Freitagnachmittag nach Wien gebracht, wo seither von zwei Pathologen die Obduktionen durchgeführt werden. Am Samstagabend sprach man von 16 obduzierten Leichen. Nächste Woche dürften die Obduktionen abgeschlossen sein, vermutete Doskozil. Danach werde entschieden, wo die Leichen hingebracht werden. Letztendlich dürfte die Gemeinde des Fundortes, also Parndorf, für die Bestattung zuständig sein. Mit dem Vizebürgermeister habe man diesbezüglich bereits Kontakt aufgenommen.

Am Rande der Ermittlungen musste sich die Polizei auch mit der Veröffentlichung des sogenannten Todes-Fotos - es zeigt die toten Flüchtlinge im Kühltransporter - beschäftigen. Dieses wurde der "Kronen Zeitung" übermittelt, die das Foto sowohl am Freitag, als auch am Samstag und Sonntag druckte. Auch die deutsche "Bild"-Zeitung veröffentlichte das Foto.

Nachspiel bei Todesfoto

Die Übergabe des Todes-Fotos wird ein Nachspiel für den Beamten haben. Die Polizei steht bereits in engem Kontakt mit der Staatsanwaltschaft (StA), schon morgen, Montag, muss die Kriminalabteilung einen ersten Anfallsbericht an die StA übermitteln, sagte Doskozil. Anschließend werde man an das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung (BAK) herantreten, um diese Amtshandlung dorthin abzutreten.

Mit einem öffentlichen Gedenkgottesdienst im Wiener Stephansdom soll am Montag um 19.00 Uhr der in einem Schlepper-Fahrzeug zu Tode gekommenen Flüchtlingen gedacht werden. Geleitet wird die Messe von Kardinal Christoph Schönborn, der alle Kirchen bat, zu diesem Zeitpunkt die Glocken läuten zu lassen. Dieser Bitte haben sich bereits die Diözesen Graz-Seckau und St. Pölten angeschlossen, berichtete die Kathpress. Bereits um 18.00 Uhr findet am Montagabend die Demonstration "Mensch sein in Österreich" in Mariahilf statt. Auf Facebook haben sich bis Sonntagmittag mehr als 17.000 Teilnehmer zugesagt.

(APA/dpa)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Weltjournal

A4-Schlepperprozess: "Die Menschen im Kühl-Lkw tun mir leid"

Der 39-jähriger Bulgare, der vor dem Schlepper-Lkw in einem eigenen Auto die Lage sondierte, will mit den 71 Toten nichts zu tun haben. Er sei betrogen worden.
Der Hauptverdächtige und mutmaßliche Boss der Schlepperbande, der Afghane Samsooryamal L., bei der Eröffnung des Prozesses am Mittwoch. Dabei trat er mit einer Tafel auf, auf der stand, er sei „Muslim, kein Mörder“.
Weltjournal

„Todeslaster“-Prozess: Bandenvize belastet Schlepperboss

Der „Vize“ der Schlepperbande, welcher der Tod von 71 Menschen in einem Kühlwagen im Sommer 2015 angelastet wird, warf dem afghanischen Chef Gier vor.
Weltjournal

A4-Schlepperprozess: "Kühllaster zu stoppen, wäre Todesurteil gewesen"

Der mutmaßliche Schlepperboss, der 71 Flüchtlinge in einen Lkw pferchte, weist vor Gericht jede Verantwortung von sich. Der Afghane sei zu gierig geworden, belastet ihn sein Komplize.
Weltjournal

Ostautobahn-Flüchtlingsdrama: Prozess wegen Todestransport

Nach dem Tod von 71 Menschen in einem Kühllaster auf der Fahrt von Ungarn nach Österreich 2015 startet in Ungarn der Prozess gegen elf Schlepper.
UNGARN: BEGINN PROZESS NACH A4-FLUeCHTLINGSDRAMA IN KECSKEMET
Weltjournal

A4-Schlepperprozess: "Ich bin Muslim, kein Mörder"

Der erste Prozesstag um das Schlepperdrama mit 71 Toten ging am Mittwoch in Ungarn zu Ende. Am Donnerstag wird die Einvernahme des afghanischen Hauptangeklagten fortgesetzt.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.