Taxitänzer: Tanzpartner für 40 Euro

Gerhard Toth
Gerhard Toth (c) Clemens Fabry
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Wenn ein Partner für Tango oder Walzer fehlt: Für das rhythmische Vergnügen stehen männliche und weibliche "Tänzer auf Abruf"zur Verfügung. Die Taxitänzer werden von Lokalen oder Privatpersonen gemietet.

Er tanzt weich, butterweich. So mancher Mann wird ihn um seine Geschmeidigkeit auf dem Tanzparkett beneiden. Und so manche Frau um sein dichtes, langes, lockiges Haar. Er ist 39, hat gute Manieren, ist eloquent und charmant, und dennoch kein Schwiegermutterideal. Gerhard Toth ist Taxitänzer in Wien. Jeden Tag auf Achse, jeden Tag Boogie, Discofox und Walzer, jeden Tag andere Frauen, viele Frauen.

Das Missverständnis sei von Anfang an ausgeräumt: Es geht äußerst seriös zu bei der Agentur „Original Taxi-Dancer“, die Toth, schon seit Jugendjahren leidenschaftlicher (Turnier-)Tänzer, 1989 gegründet hat. „Unser Kodex erlaubt keinerlei Zutraulichkeiten, Anbaggern ist strikt verboten, wer das tut, wird rausgeschmissen. Aber das ist Gott sei Dank noch nicht vorgekommen. Wir tanzen, mehr nicht.“ Punktum. „Wir“, das sind Toth selbst und weitere 70 bis 80 Taxitänzer, die der gelernte Einzelhandelskaufmann unter Vertrag hat. Rund ein Drittel davon sind Frauen.


Nie zweideutige Angebote. Wieso um Himmels willen Frauen, wo es doch unter Tanzwilligen ohnehin einen exorbitanten Frauenüberschuss gibt und die meisten Männer geborene Tanzmuffel sind? Weil mancher Vertreter des starken Geschlechts schwächelt, wenn es ums Auffordern geht. Zwei, drei Tänzchen mit einer Taxitänzerin, ein paar taktvolle Schritte, und das Eis ist häufig gebrochen, der Gusto geweckt. „Darf ich bitten?“

Gaby S. hat eigentlich noch nie einen Korb bekommen. Sie tanzt „unheimlich gerne, ein anderer Sport kommt für mich nicht infrage.“ Wie alle anderen originalen Taxi-Dancer – außer Toth – tanzt sie nebenberuflich. Bei Tag werkt die 40-Jährige als Filialleiterin in einem Textildiskonter in Neunkirchen, durchschnittlich zweimal wöchentlich fordert sie Männer nächtens zum Tanz auf.

Probleme mit Grapschern und zweideutigen Angeboten? „Nein, noch nie“, beteuert die Blondine. „Ich bin sehr positiv überrascht von den Männern, ich habe nur gute Erfahrungen.“ Das führt sie zum Teil auch auf die Uniform – weiße Bluse, rote Hosenträger (bei Männern kommt noch ein roter Schlips dazu) – zurück. „Die Uniform schafft ein wenig Distanz.“

Distanz auch beim Tanz. L'Amour-Hatscher ohne Tuchfühlung. Getanzt wird unter anderem in 17, 18 Tanzlokalen in Wien und Umgebung, auch in der Villa deluxe im Prater. Geschäftsführer Andreas Hackl, der die Taxitänzer engagiert: „Das bringt zusätzliche Öffnungstage und ganz andere Gästeschichten, Ältere und tanzwütige Jüngere.“

Toth und sein Team tanzen aber auch in Seniorenheimen – „Die alten Damen sind besonders lieb, manche sind regelrecht tanzwütig“ –, auf Hochzeiten, bei Geburtstagen und sogar „ganz privat“. Wenn also bei Einzeldamen Tanzpartnermanko herrscht: „Anruf genügt.“ Das gemietete Walzer- und Tango-Vergnügen ist aber nicht billig: 40 Euro die Stunde plus Getränke und – im Fall eines Balles – Eintritt.

Skoda oder Mercedes.„Bei solchen Buchungen muss man aber schon aufpassen, dass man nicht ins Eck Begleitservice gerät“, meint Andreas Dobnig, 37 Jahre und Boss der steirischen Tanzpartner- und Künstlervermittlung „allround-dancer“. Pro Stunde kassiert er zwischen 25 und 35 Euro pro Tänzer. „Es gibt auch private Taxitänzer, die machen es mitunter schon für 15 Euro die Stunde.“ Aber man müsse sich halt entscheiden, ob man einen Skoda oder einen Mercedes wolle.

Seine 83 aktiven Tänzer seien freilich alle Kategorie Mercedes. Die müssten nicht nur ordentlich tanzen können, Discofox und Boogie seien allemal zu wenig. Die müssten auch alle wissen, ob Arbeiter oder Akademiker, wie man sich zu benehmen hat, wie man eine Dame auf die Tanzfläche führt, wie man kommuniziert. „Bei den billigen, privaten Taxitänzern sind auch etliche Abschlepper drunter.“

Damit tut man dem pensionierten Beamten und Regierungsrat Peter Richter wahrlich Unrecht. Der verlangt gar nichts, „ich lass' mir von einer Frau nicht einmal einen Kaffee zahlen“. Richters schönstes Hobby ist eben der Tanz. Dass diese Freizeitbeschäftigung „einfachen Zugang zu Damen bietet“, ist nur willkommene Nebensache. Hauptsache ist der Spaß. Sechs- bis siebenmal die Woche tanzt Richter, in Tanzschulen, auf Bällen, in Hotels.

Die regelmäßige rhythmische Bewegung ist für ihn aber auch Hirnjogging, Gewichtsstabilisator und so etwas wie Therapie. Die Schmerzen nach einem Oberschenkelhalsbruch hält er mit Tanzen in Schach, „ich bin überzeugt, dass mir die Tanzerei bislang auch eine künstliche Hüfte erspart hat“. Zudem ist die musikbegleitete Fitnessvariante Balsam für sein Herz, das bereits einen Infarkt hinter sich hat. Richter hat immerhin 69 Jahre am tanzgestählten Buckel.


Der Fettpölsterchen Feinde.Der älteste Taxitänzer bei Toth ist 54, bei Dobnig 55, die Frauen sind um einiges jünger. Letzteren verzeiht man Beleibtheit offensichtlich nicht. „Bei uns ist keine einzige Tänzerin dick, ein paar Männer schon“, sagt Gaby S. „Männern sieht man ein Bäuchlein eher nach.“

Bei Toth selbst ist der Hang zum Bauch keine Gefahr – Speckschichten und Schwimmreifen haben bei ihm nicht die geringste Chance, denn 30 bis 40 Wochenstunden am Parkett lassen Fettpölsterchen gar nicht erst zu. Und diese Stundenzahl wird in nächster Zeit wohl nicht weniger werden, die Buchungslage wird eher besser denn schlechter. Viervierteltakt, Boogie und Cha-Cha-Cha kennen eben keine Wirtschaftskrise.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2009)

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