Debatte: Rauchen im Auto verbieten?

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Zahlreiche Länder verbieten das Rauchen im Pkw, wenn Kinder mitfahren. In Österreich ist eine derartige gesetzliche Regelung weiterhin nicht geplant.

Wien. In Zypern gilt es seit einigen Jahren, in Griechenland ebenso. Nach Frankreich und Großbritannien hat nun auch Italien nachgezogen: Immer mehr Länder verbieten das Rauchen im Auto gesetzlich, wenn ein Kind mitfährt. Im Fall Italiens gilt das Verbot auch, wenn eine schwangere Frau mitfährt.

Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) nimmt die Gesetzesänderung in Italien zum Anlass, um erneut ein solches Rauchverbot im Auto auch für Österreich zu fordern. Die Schadstoffkonzentration in einem verrauchten Auto ist laut Studien höher als in einem Raucherlokal. Selbst bei geöffnetem Fenster und Belüftung bleibt die Belastung gerade für Kinder enorm. Bei starkem Verkehr sei laut VCÖ innerhalb eines Pkw die Feinstaubbelastung ohnehin erhöht. Durch das Rauchen werde die Luftqualität zusätzlich massiv verschlechtert. Laut einer 2014 durchgeführten Umfrage (Makam-Research) raucht jeder achte Lenker im Auto. Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) findet ein solches Rauchverbot im Auto, wenn Kinder mitfahren, „diskussionswürdig“, konkrete Pläne gibt es aber nicht. Man werde aber die Erfahrungen in den Ländern beobachten, heißt es aus ihrem Büro – und appelliere an das „Verantwortungsbewusstsein der Eltern“. Hier vorab ein Pro und Contra:

PRO

Die persönliche Freiheit – wie oft wird sie doch von Rauchern beschworen. Als ob man so frei wäre, wenn man sich zum Inhalieren in eine Nische draußen vor der Haustür drücken oder sich nachts zum nächsten Automaten durchschlagen muss, um für satte fünf Euro Nikotin einzukaufen. Und jetzt wieder: Es sei ein Eingriff in die Privatsphäre, im Auto das Rauchen zu verbieten, wenn Kinder mitfahren, heißt es.

Nun sind Kinder insofern nicht Teil dieser „Freiheit“, als Kinder niemandes Eigentum sind. Und dass Kinder prinzipiell schützenswert sind (Stichwort Kinderrechte), werden sogar Drei-Packungen-pro-Tag-Raucher zugestehen. Stellt sich die konkrete Frage, ob Kinder als Beifahrer in einem Pkw und damit in einem geschlossenen Raum (sofern man nicht Cabrio fährt) als schutzwürdig einzustufen sind. Selbstverständlich sind sie das.

Anlässlich der heute, Donnerstag, beginnenden Pneumologen-Jahrestagung in Graz erklärt Lungenspezialistin Angela Zacharasiewicz: „Es gibt jetzt eine Metaanalyse mit elf Studien zu 2,5 Millionen Geburten und 247.000 akuten Verschlechterungen von Asthma bei Kindern. Sobald strengere Gesetze mit Verbot des Rauchens in der Öffentlichkeit zu greifen begannen, ging die Rate der Frühgeburten um 10,4 Prozent innerhalb eines Jahres zurück. Die Zahl der Spitalsaufnahmen von Kindern wegen Asthma reduzierte sich um zehn Prozent.“ Dazu noch zwei Hinweise der Initiative Dontsmoke.at: In Österreich stirbt jede Stunde ein Mensch an den Folgen des Rauchens. Und: In Österreich stirbt jede achte Stunde ein Mensch an den Folgen des Passivrauchens.
Bleibt also abseits der Fakten etwaiges Unbehagen über zu viel Eingriff in die private Sphäre. Allerdings: Gibt es diese überhaupt noch? Oder ist sie längst zwischen Handyverbot und Gurtenpflicht verloren gegangen? Darüber kann man debattieren. Ebenso über die Frage, wie sehr Rauchen am Steuer (samt Anzünden und Ausdämpfen) vom Fahren ablenkt.

CONTRA

Sympathische Argumente dafür, dass das Rauchen an sich und im Speziellen im Auto zu fördern, oder zumindest nicht zu bekämpfen wäre, gibt es eigentlich nicht. Tabakrauch, das ist objektiv belegt, schädigt Lunge, Atemwege, Herz, Gefäße, Mundhöhle und Verdauungstrakt. Vermutlich sogar noch mehr. Hinzu kommt, dass gerade die Organismen von Kindern besonders sensibel auf die im Rauch vorhandenen Schadstoffe und Gifte reagieren. Trotzdem: Rauchen im Auto zu verbieten, wenn Kinder anwesend sind, ist der falsche Weg. Nicht wegen des Anlassfalls, sondern aus Prinzip.

Die Gesundheit von Kindern zu schützen und zu fördern ist wichtig. Dafür ist es nötig, Eltern die für eine eigene Entscheidung nötigen Informationen möglichst umfassend zur Verfügung zu stellen. Dem Staat exekutierbaren Zugang in das Privatleben seiner Bürger zu gewähren, jedoch nicht. Die Überlegung, die dahintersteht, lautet: Wo fängt das an, wo hört es auf?

Dazu nur ein Beispiel: Jährlich werden Studien zur Jugend- und Kindergesundheit veröffentlicht. Dabei zeigt sich, dass die größten gesundheitlichen Probleme unseres Nachwuchses nicht durch Passivrauchen, sondern durch mangelnde Bewegung oder schlechte Ernährung entstehen. Bisher kam jedoch noch niemand auf die Idee, Eltern per Gesetz und unter Strafandrohung vorzuschreiben, welches Essen sie ihren Kindern vorzusetzen hätten.

Was noch nicht ist, könnte freilich noch werden. Tatsächlich zeigt das Gedankenspiel aber, worum es geht. Es geht um die Frage, ob wir uns ein Verhalten verordnen lassen wollen, das sich in allen Details wissenschaftlichen Erkenntnissen oder strengsten moralischen Grundsätzen unterwirft. Ein Verhalten, das bei geringen Abweichungen, kleinen Makeln oder nur allzu menschlichen Lastern mit staatlichen Sanktionen wieder auf den vermeintlich rechten Weg geleitet wird. Kleine menschliche Schwäche stehen dann unter Strafe. Heute das Rauchen, morgen das Essen. Übermorgen, zugespitzt, schmutzige Gedanken?

Gegen das Rauchverbot im Auto sprechen noch andere Gründe. Unachtsamkeit, dazu zählt auch Ablenkung durch Rauchen, ist die Ursache für jeden siebenten Unfall. Denkt man das weiter, stünden wohl bald auch Gespräche mit dem Beifahrer oder Hantieren am Autoradio unter Strafe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2015)

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