Jugendtäter: Haft wird zurückgedrängt

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Ministerrat beschließt Novelle: Junge Straftäter sollen nur noch dann ins Gefängnis, wenn es gar keine Alternative gibt.

Wien. 127 Jugendliche befanden sich zuletzt in heimischen Gefängnissen, 80 Personen davon in Untersuchungshaft (Stand 14. Oktober). Justizminister Wolfgang Brandstetter will diese Zahl minimieren. Am Dienstag beschloss der Ministerrat die Reform des Jugendgerichtsgesetzes. Diese soll heuer auch noch durchs Parlament gehen und ab 2016 mehrere Erleichterungen für junge Straftäter bringen:

• Der Ausnahmecharakter der Untersuchungshaft für Jugendliche wird besonders betont. Richter und Staatsanwälte müssen nach der Novelle ausdrücklich begründen, warum in einem Fall gelindere Mittel nicht ausreichen und eine Untersuchungshaft nötig ist. Alternativen zur Haft nach einer Verurteilung (etwa betreute Wohngemeinschaften) werden ebenso forciert wie eine Sozialnetzkonferenz: Bei dieser erstellen Angehörige und Experten einen Hilfsplan für den Täter.

• Bestimmte mildere Regeln für jugendliche Straftäter (bis zu 18 Jahren) gelten künftig auch für junge Erwachsene (bis zu 21 Jahren). Dies bedeutet geringere Strafdrohungen.

• Keine U-Haft soll verhängt werden, wenn für die Jugendstraftat ein Bezirksgericht zuständig ist. Darunter fallen etwa Diebstahl, Körperverletzung oder Sachbeschädigung in ihren einfachen Varianten.


• Junge Straftäter dürfen künftig eine gegen sie verhängte Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren aufschieben, wenn dies für ihre Ausbildung nötig ist. Bisher war dies nur bei geringeren Haftstrafen (von bis zu einem Jahr) möglich.

• Die Novelle wird auch klarere und einheitliche Fristen für die Frage bringen, wann eine einmal verhängte Untersuchungshaft wieder zu überprüfen ist.

• Eine sogenannte Härteklausel soll jungen Vermögensstraftätern entgegenkommen. Hat jemand sich unrechtmäßig bereichert und kann das gesuchte Vermögen aber nicht sichergestellt werden, setzt das Gericht einen Betrag fest, den der Täter zu zahlen hat. Bei Jugendlichen soll von diesem Betrag künftig aber ganz oder zum Teil abgesehen werden können, wenn die Zahlung den Verurteilten finanziell zu sehr belasten würde.

Justizminister Brandstetter begründet die im Begutachtungsverfahren weitgehend unumstrittene Novelle damit, dass man jungen Tätern leichter eine neue Chance geben will. Deren Verhalten sei „noch stark beeinflussbar“ und Chancen auf den Neubeginn hoch.

Homosexuelle: Urteile getilgt

Beschlossen wurde auch die Tilgung aller Verurteilungen wegen homosexueller Handlungen, die einst strafbar waren. Die Einträge können auf Antrag der Justiz, aber auch des Betroffenen und seiner Angehörigen gelöscht werden. Rund 200 Personen sind noch von den Eintragungen betroffen. (aich)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2015)

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