Mutter erstochen: 23-Jähriger vor Gericht

Der Angeklagte vor Gericht
Der Angeklagte vor GerichtAPA/HELMUT FOHRINGER
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Die Staatsanwältin sieht keine Handlung im Affekt. Der Angeklagte bestritt, die Tat geplant zu haben und sprach von jahrelangem Psychoterror.

Wegen Mordes an seiner Mutter ist ein 23-Jähriger am Freitag am Landesgericht Korneuburg vor Geschworenen gestanden. Laut Anklage hatte er die Frau (43) am 1. September 2014 in der gemeinsamen Wohnung in Strasshof (Bezirk Gänserndorf) im Zuge eines Streits durch zahlreiche Messerstiche getötet. Das gab er auch zu, wenngleich die Tat aus Sicht der Verteidigung als Totschlag zu bewerten sei. Verteidiger Marcus Januschke zufolge war sein Mandant jahrelangem Psychoterror seitens der Mutter ausgesetzt. Es gebe viele Argumente dafür, dass die Tat aufgrund der traurigen Vorgeschichte kein Mord, sondern Totschlag gewesen sei, sagte der Anwalt in seinem Eröffnungsplädoyer zu den Geschworenen. Das Leben seines Mandanten, der zunächst bei den Großeltern aufgewachsen war, sei ab dem 13. Lebensjahr durch "totale Unterordnung" geprägt gewesen. Bis zuletzt habe ihn die Mutter sogar an den Haaren gezogen - eine Frau, die unter schweren psychischen Problemen gelitten habe. Der Anwalt sprach von Wahnvorstellungen und Stimmungsschwankungen von aggressiv bis völlig lethargisch, eine Behandlung habe die Mutter abgebrochen, Medikamente verweigert.

Staatsanwältin Elisabeth Böhm-Gratzl führte zur Lebensgeschichte des jungen Mannes aus, dass die damalige Beziehung seiner Mutter 1992 noch vor seiner Geburt auseinandergebrochen war und er seinen Vater nie kennengelernt hatte. Er wuchs zunächst bei den Großeltern und dann bei seiner Mutter auf. Die beiden lebten sehr zurückgezogen und hatten auch zu Verwandten nur sporadisch Kontakt. Nach Matura und Präsenzdienst studierte der Angeklagte Rechts- und dann Politikwissenschaften. Beides brach er ab und nahm bis zuletzt die finanzielle Unterstützung seiner Mutter in Anspruch, sagte die Anklägerin. Die Frau habe wiederholt die Lebensgestaltung des Sohnes kritisiert.

Mutter geschlagen und erstochen

An jenem Abend kam es erneut zum Streit um seine berufliche Zukunft und seine geplante USA-Reise. Die 43-Jährige habe ihrem Sohn vorgeworfen, ein Träumer zu sein. Als sie sich an den Esstisch im Wohnzimmer setzte, habe er zu einem faustgroßen Briefbeschwerer in Form einer Glaskugel gegriffen und ihr damit mit großer Wucht von hinten auf den Kopf geschlagen. Sie sank zu Boden, er ergriff ein langes Küchenmesser und stach ihr 36 Mal in den Nacken.

Anschließend ließ der damals 22-Jährige die Tote liegen. Am folgenden Tag kaufte er in einem Baumarkt Reinigungsmittel, im Lagerhaus erstand er Baufolie. Dann putzte er die Wohnung, wischte die Blutspuren weg, wickelte die Leiche ein und legte sie in die Bettzeuglade der Wohnzimmercouch. Am Nachmittag suchte er im Internet intensiv nach Flügen in die USA und buchte tags darauf bei einem Reisebüro für 8. September einen Flug von Schwechat via Amsterdam nach Atlanta.

Dann räumte der Angeklagte all seine Sachen weg, entsorgte die Festplatte seines Laptops und auch sein Mobiltelefon, so Böhm-Gratzl. Am 8. September löste er sein Bankkonto auf, behob 3.000 Euro und fuhr mit dem auf die Mutter angemeldeten Pkw zum Flughafen, wo er den Wagen parkte. Unmittelbar vor dem Flug hob er noch mit der Bankomatkarte der Frau 400 Euro ab.

Angeklagter auf der Flucht verhaftet

Am 18. September zeigte die Schwester des Opfers an, dass sie beide nicht telefonisch erreichen konnte - im Zuge der folgenden Wohnungsöffnung durch die Polizei wurde die Leiche entdeckt. Nachdem der abwesende Sohn sofort unter dringendem Tatverdacht gestanden sei, wurde ein internationaler Haftbefehl erlassen und der Verdächtige am 6. Oktober in den USA festgenommen. Eine Woche darauf erfolgte die Auslieferung nach Österreich.

Wie die Staatsanwältin weiter ausführte, verantwortete sich der Verdächtige in U-Haft im Jänner 2015 geständig. Er gab an, die Kontrolle verloren zu haben, Zorn sei hochgekocht. Es sei ihm bewusst gewesen, dass seine Mutter die Stiche nicht überleben wird. Das Opfer sei nach dem Schlag bewusstlos gewesen, als von hinten auf sie eingestochen wurde. Verletzungen am Hals würden darauf hindeuten, dass der Angeklagte auch versucht haben könnte, ihren Kopf abzutrennen.

Verbrechen dürfte geplant gewesen sein

Böhm-Gratzl zufolge stellte ein IT-Sachverständiger trotz der Löschversuche des Angeklagten am Laptop noch Einiges fest: So habe der junge Mann bereits im August im Internet recherchiert, wie man sein Aussehen verändern und zu einer anderen Identität kommen könne. Er habe auch nach dem Thema Verbrecher auf der Flucht gesucht. Der Angeklagte bestritt, die Tat geplant zu haben, das sei "absolut nicht" der Fall gewesen.

Dem Beschuldigten werde eine Persönlichkeitsstörung höheren Grades attestiert. Es mangle ihm an der Fähigkeit, allein Probleme zu lösen, er sei aber zurechnungsfähig - und habe aus Sicht der Staatsanwaltschaft nicht im Affekt und nicht im Zustand allgemein begreiflicher Gemütserregung gehandelt, betonte Böhm-Gratzl.

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