Vereinigte Bühnen: Die Kunst, Vergabeverfahren zu vermeiden

Außer dem Ronacher gehören auch das Theater an der Wien sowie das Raimund-Theater zu den Vereinigten Bühnen Wien.
Außer dem Ronacher gehören auch das Theater an der Wien sowie das Raimund-Theater zu den Vereinigten Bühnen Wien.Clemens Fabry / Die Presse
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Bühnenbild und Kostüm kosten Millionen, Vergabeverfahren führen die Vereinigten Bühnen aber nicht durch. Rechtlich ist das fragwürdig.

Wien. Es gibt das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf die Freiheit der Kunst“, sagt Thomas Drozda, Direktor der Vereinigten Bühnen Wien (VBW). Und genau auf diese Freiheit beruft er sich, um gewisse Vergabeverfahren nicht machen zu müssen.

Knapp 42 Millionen Euro Subvention bekamen die VBW dieses Jahr, zu denen neben dem Ronacher auch das Raimund-Theater und das Theater an der Wien gehören. Die VBW gehören zu 97,34 Prozent der Wien-Holding, die im Eigentum der Stadt Wien steht. Drei bis 3,5 Mio. Euro werden jährlich allein für Kostüme und Bühnenbild aufgewendet – der Großteil davon fließt in die aufwendigen Musical-Produktionen. Das Bundesvergabegesetz sieht vor, dass alle Aufträge über 100.000 Euro national ausgeschrieben werden müssen, ab 207.000 Euro europaweit. Gerade im Musical-Bereich liegen die Kosten pro Produktion für Bühnenbild und Kostüme meist deutlich drüber. Ausgeschrieben wird bei den VBW meist dennoch nicht, vielmehr werden laut Drozda mindestens drei Angebote von Firmen, mit denen man „gute Erfahrungen“ gemacht hat, eingeholt. „Es gibt einen Interpretationsspielraum des Vergabegesetzes, wenn es um die künstlerische Freiheit geht. Ich bin dafür zuständig, dass im Sinn der Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit gehandelt wird. Ich kann eine Reihe an Beispielen nennen, wie wir über dieses Vergabesystem, in dem wir die Gewerke getrennt anbieten lassen, deutlich günstiger aussteigen“, sagt Drozda zur „Presse“. Dieser „Interpretationsspielraum“ bezieht sich im Wesentlichen auf die Frage, ob es Kunst ist, Bühnenbild oder Kostüm herzustellen. Laut Bundesvergabegesetz ist es möglich, künstlerische Leistungen ohne vorherige Bekanntmachung in einem Verhandlungsverfahren – ein Beispiel wäre Musik eines bestimmten Komponisten – zu vergeben.

„Die Presse“ befragte mehrere Vergaberechtsexperten. Sie sagten unisono Folgendes: „Nein, es ist keine künstlerische Leistung, ein Kostüm nach einem Entwurf zu nähen oder ein Bühnenbild zu bauen.“ Denn dann wäre auch jeder Bauherr, der einen Entwurf eines Architekten ausführt, ein Künstler, so die Erklärung. „Mit der künstlerischen Freiheit kann eine Nichtanwendung des Vergaberechts nicht begründet werden“, sagt der Vergaberechtsspezialist Robert Ertl von der Kanzlei Breitenfeld. Auch Georg Streit, der Rechtsanwalt der VBW, weist in einem internen Dokument, das der „Presse“ vorliegt, ausdrücklich auf die Wichtigkeit der Abgrenzung hin: „Je stärker standardisiert oder definiert Leistungen sind (etwa der Bühnendekorationsbau oder die Kostümerstellung nach exakten und sehr detaillierten Vorgaben), umso eher wird wohl von der Notwendigkeit der Durchführung eines Verfahrens mit mehreren Bietern auszugehen sein“, sagt er. Standardisierung zeichnen Musical-Produktionen aus – Lizenzgeber wie Walt Disney machen genaue Vorgaben für die Ausstattung.

Archivbild: Thomas Drozda, Direktor der Vereinigten Bühnen Wien
Archivbild: Thomas Drozda, Direktor der Vereinigten Bühnen WienClemens Fabry / Die Presse

Klagen möglich

Drozdas Argumentation, es sei billiger, nicht öffentlich auszuschreiben, ist für die Experten nicht nachvollziehbar. Vergabeverfahren dienen eben gerade dazu, ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis zu garantieren. Ebenso könnten selbstverständlich Einzelgewerke ausgeschrieben werden. Was nach langweiliger Bürokratie klingt, kann schwerwiegende Folgen haben. Sollte auch nur ein Mitbewerber ein Feststellungsverfahren sechs Monate ab Vertragsabschluss initiieren, kann im schlimmsten Fall das Bühnenbild nicht aufgebaut werden und eine Premiere nicht stattfinden – ein Schaden, der in die Millionen gehen kann. Nach Informationen, die der „Presse“ vorliegen, wurden die Aufträge für die Ausstattung des Musicals „Evita“ (Premiere im März) im Juni vergeben. Dazu gibt es die Möglichkeit, anonym eine Beschwerde bei der EU-Kommission einzubringen. Diese kann, wenn sie es für gerechtfertigt hält, die Republik klagen.

Mit juristischen Spitzfindigkeiten will sich Drozda aber nicht abgeben. „Auf eine Formaldebatte will ich mich nicht einlassen, meine Aufgabe ist es, hier wirtschaftlich zu arbeiten und sobald ich eine Einsparung von 25–40 Prozent gegenüber der Gesamtvergabe erziele, stehe ich dafür ein, sofern es – wie es uns Vergaberechtsexperten im Sinne der Kunst bestätigen – rechtlich gedeckt ist.“ Darüber hinaus würde der Stadtrechnungshof regelmäßig die VBW prüfen. Auch der Aufsichtsrat hätte stets alles gewusst. Der Stadtrechungshof teilte der „Presse“ mit, sich noch nie mit diesen Vergabeverfahren der VBW beschäftigt zu haben. Im Aufsichtsrat sitzen etwa Wien-Holding-Chef Peter Hanke wie auch Mitarbeiter aus dem Finanzressort von Renate Brauner. Dort ist man vom rechtlich korrekten Vorgehen der VBW überzeugt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2015)

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