Spielefest Wien: Das ist doch kein Kinderspiel!

Spielefest Wien
Spielefest Wien(c) APA (BARBARA GINDL)
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Einmal im Jahr, wenn das Spielefest in Wien gastiert, sieht man es deutlich: Brettspiele sind auch unter Erwachsenen ungemein populär. Den digitalen Zeiten zum Trotz.

Wien. Viele von ihnen sind schon ziemlich alt: Das eine feierte im Vorjahr seinen 100. Geburtstag, das andere wurde soeben 80. Und trotzdem sind „Mensch ärgere Dich nicht“ und „Monopoly“ – und mit ihnen zahlreiche andere Brettspiele – immer noch nicht in die Jahre gekommen.

Auch wenn die Originalversionen heute rein optisch ziemlich alt aussehen und einige Spiele im Lauf der Jahre das eine oder andere Facelift bekommen haben („Mensch ärgere Dich nicht“, anfangs übrigens ein ziemlicher Ladenhüter, ist da die Ausnahme): Dass das Brettspiel, analog und, ja, altmodisch, immer noch so ungebrochen beliebt ist, jedes Kind die Regeln von „Mensch ärgere Dich nicht“ kennt, mag in digitalen Zeiten wie diesen und trotz der Konkurrenz von Videospielen und unüberschaubar vielen Spiele-Apps doch überraschen.

„Brett ist in“, verkündete die „Süddeutsche“ neulich – stimmt das denn? Dieter Strehl, Geschäftsführer beim österreichischen Spiele- und Spielkartenhersteller Piatnik und Ururenkel des Firmengründers, antwortet mit einer Gegenfrage: „Wieso sollte es nicht stimmen?“ So wie sich ein Konzertbesuch oder gemeinsames Fußballspielen in der digitalen Welt nicht ersetzen lassen, werde auch das Spielen, für das man sich um einen Tisch versammelt, nicht verschwinden. „Dieses Erlebnis ist digital einfach nicht herstellbar“, sagt Strehl. „Das haptische, analoge Spielen wird ganz sicher bleiben.“

Gerade in Österreich. Während der deutsche Spielemarkt vor einigen Jahren tatsächlich einen Einbruch verzeichnete (und Spielen dort tatsächlich erst „wieder in“ wurde), kann sich der heimische Spielwarenhandel seit Jahren darauf verlassen, dass etwa 20 Prozent des Umsatzes mit Brettspielen gemacht werden. Damit sind Brettspiele – nach Lego, das etwa 30 Prozent des Umsatzes ausmacht – das zweitwichtigste Segment für die Spielzeuggeschäfte. „Die Umsatzzahlen sind konstant. Wir hatten nie gravierende Einbrüche“, sagt Johannes Schüssler, Berufsgruppensprecher der Spielwarenhändler in der Wirtschaftskammer.

Wobei es zwei Trends gebe: Für Familien zählen nach wie vor die klassischen Brettspiele – welcher Haushalt verfügt nicht über eine Spielesammlung mit Halma, Mühle und Co.? „Mit Kindern holt man gern die Klassiker hervor, die eine begrenzte Spielzeit haben und einfache Regeln“, sagt Schüssler. Abseits dieser Klassiker – zu denen etwa auch „DKT“ zählt oder „Activity“, das wiederum im Hause Piatnik das umsatzstärkste Zugpferd ist – gibt es eine unüberschaubare Zahl an aufwendig gestalteten, sogenannten Autorenspielen, die mit ihren komplexen Regeln, innovativen Spielideen und langer Spieldauer vor allem Erwachsene ansprechen.

Denn, ja, um sich zum gemeinsamen Spielen zu treffen, braucht man längst keine Kinder mehr. Wer dafür einen Beweis sucht, wird auf dem Spielefest fündig, das ab heute, Freitag, in Wien gastiert (siehe Info-Box): Tausende Erwachsene ohne Kinder sitzen hier – gern mit Chips, Soletti und Kaffee aus Thermoskannen ausgerüstet – an hunderten Tischen, um stundenlang neue Brettspiele auszuprobieren.

Und die gibt es in rauen Mengen: Denn statt gegen Apps, Playstation und Co. müssen Spiele heutzutage vor allem gegen andere Brettspiele bestehen. Vor 30 Jahren, sagt Strehl, kamen im deutschsprachigen Raum etwa 100 neue Spiele pro Jahr auf den Markt. Heute sind es 2000 bis 3000. „Da hat sich tatsächlich viel geändert“, sagt Strehl. „Diese unglaubliche Fülle an Kreativität gab es früher nicht.“

Einen großen Teil der neu erschienenen Spiele kann man auch beim Spielefest testen. „Die Auswahl ist mittlerweile so vielfältig“, sagt Ferdinand de Cassan, als Obmann der IG Spiele Organisator des Spielefest, „dass der Handel längst nicht mehr alle Spiele führen kann.“ Als das Spielefest vor 31 Jahren mit nur „100 bis 200 Spielen“ startete, „hat auch niemand bei sich zu Hause einen Spieleabend organisiert. Heute ist das üblich.“

„Trivial Pursuit“ und „Catan“

Bahnbrechend dabei waren zwei Spiele: Zum einen das Wissensquiz „Trivial Pursuit“, das 1984 auf den Markt kam – und bis heute in diversen Versionen weltweit mehr als 100 Millionen Mal verkauft wurde. Im Bereich der Autorenspiele war „Die Siedler von Catan“ wegweisend, „weil es das erste Spiel war, bei dem alle Mitspieler gleichzeitig spielen. Man musste plötzlich nicht mehr warten, bis man an der Reihe ist“, so de Cassan. Auf „Catan“ folgten immer mehr, immer aufwendiger gestaltete Spiele („Village“, „Dominion“ oder „7 Wonders“ , alle als „Kennerspiel des Jahres“ prämiert, seien als Beispiele genannt.) „Die Siedler von Catan“ selbst werden heuer 20 Jahre alt, zum Jubiläum findet auf dem Spielefest die Catan-EM statt. Daran muss man nicht teilnehmen. Es kann aber auch nicht schaden. Denn, wie es bei Piatnik heißt: „Wer nicht spielt, nimmt sich viel zu ernst.“

AUF EINEN BLICK

Das Spielefest, mit mehr als 60.000 Besuchern Österreichs größte Spielemesse, findet ab heute, Freitag, bis Sonntag (jeweils von 9 bis 19 Uhr) im Austria Center (Hallen X4, X3 und X2) in Wien (22., Bruno-Kreisky-Platz 1) statt.

Veranstalter ist die IG Spiele, die die Messe bereits zum 31. Mal in Wien organisiert. Zahlreiche große Spielefirmen von Piatnik über Ravensburger bis Haba sind mit Ständen präsent, außerdem können mehr als 4000 Spiele kostenlos (Einsatz: ein Ausweis) ausprobiert werden. Spiele und Spielzeug können allerdings nicht vor Ort gekauft werden.

Auch Autoren bekannter Spiele sind anwesend, darunter Klaus Teuber, dessen bekanntestes Spiel, „Die Siedler von Catan“, heuer 20-Jahr-Jubiläum feiert, sowie der Österreicher Alexander Pfister („Mombasa“).

Eintritt für Erwachsene zehn Euro, Kinder unter sechs zahlen nichts, ab sechs Jahren: fünf Euro.

Infos: www.spielefest.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2015)

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