Paintball in Österreich: „Strache hat nie gespielt“

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Schießen mit Farbbällen – mit Politik und Wehrsport will man nichts zu tun haben. Paintball findet in Österreich nur auf 53 fixen Feldern statt.

TRAUTMANNSDORF. „Snake links, los los los, nach vorn!“ Daniel Sieder formt seine Hände zu einem Lautsprecher, die Stimme des 28-Jährigen überschlägt sich, während er seinen Teamkameraden durch den engmaschigen Zaun des Paintballfeldes Anweisungen zubellt. Am Feld selbst herrschen archaische Zustände: Mit Schutzmasken vermummte Gestalten in Mannschaftsdressen und dicken Hosen rennen zwischen orangefarbenen Plastikhindernissen herum, werfen sich mit vollem Einsatz in Deckung, legen mit ihren Büchsen, den Paintball-„Markierern“, auf die gegnerische Mannschaft an. Kleine Bälle zischen über das rund 30 mal 40 Meter große Spielfeld, einer davon erwischt einen Spieler am Arm, der Getroffene wird vom Schiedsrichter des Platzes verwiesen.

Daniel Sieder hat heute die Rolle des Coaches übernommen – er versucht, sein Team „FreeFall“ durch Zurufe von außen zu koordinieren, auf Gegner hinzuweisen und so zum Sieg zu führen. Meistens gehen seine Zurufe aber in der Hektik am Spielfeld unter – die Bewerbe der „X-Ball“-Liga, der Meisterklasse der österreichischen Paintballbundesliga, bei der zwei Fünferteams gegeneinander antreten, sind nur selten länger als zwei Minuten. So lange dauert es, bis ein Team sein Ziel erreicht hat – einen Knopf zu drücken, der sich jenseits des Spielfeldes mit all seinen Hindernissen befindet, am Startpunkt der anderen Mannschaft. Das andere Team hat dasselbe Ziel, nur umgekehrt – und wer auf dem Weg nur einmal getroffen wird, scheidet aus.

Mehr als 200 Paintballer haben sich an diesem Wochenende in Trautmannsdorf an der Leitha versammelt, um mehrere Bewerbe aus der Paintballbundesliga auszutragen. Mannschaften aus ganz Österreich und dem nahen Ausland mit bunten Namen wie „Dukes“, „Paintfull Roughnex“ oder „Toxicfightclub“ sind in drei Klassen angetreten. Neben der X-Ball-Profiklasse treten auch noch Teams in „Fünf gegen Fünf“- und „Drei gegen Drei“-Bewerben gegeneinander an, in denen es darum geht, eine Fahne aus dem jeweils gegnerischen Lager zu stehlen und ins eigene zu tragen.

„Geht nicht um Vernichtung“

Ganz wichtig ist den Spielern, dass es niemals um eines gehe: Das ganze gegnerische Team zu „vernichten“. „Das hat wichtigen symbolischen Charakter“, erklärt Claudia Binder, eine der wenigen Spielerinnen: Es gebe immer ein übergeordnetes Ziel, das Schießen sei nie Zweck an sich. Überhaupt ist den Paintballern, die bei den sechs gesicherten Spielfeldern von Trautmannsdorf zusammengekommen sind, die Abgrenzung zur Politik wichtig: „Strache hat nie Paintball gespielt“, ist Binder überzeugt.

Im Gegensatz zu wehrsportähnlichen Aktivitäten, die der FPÖ-Chef in seiner Jugend betrieben haben soll, findet Paintball heute nur auf 53 fixen Feldern in Österreich statt, die Markierer sind so gemacht, dass sie – schon allein wegen des übergroßen Trichtermagazins, in das die Farbkugeln eingefüllt werden – auch von Laien nicht mit echten Waffen verwechselt werden. Und Tarnkleidung ist auf den Feldern tabu.

Weil die Farbkugeln, die „Paints“, mit bis zu 330 Stundenkilometern aus den Markierern, die die Spieler gerne als „Guns“ bezeichnen, schießen, ist entsprechende Schutzbekleidung notwendig: Jeder Spieler muss eine Maske tragen, um seine Augen zu schützen, außerdem tragen viele noch eine Art Schutzgeschirr, um den Schmerz zu lindern, den die Bälle beim Aufprall verursachen. Außerhalb der Spielfelder müssen die Markierer doppelt gesichert sein.

Niedrige Verletzungsrate

Weil diese Schutzbestimmungen konsequent eingehalten werden, hat Paintball eine relativ niedrige Verletzungsrate – und das sind vor allem „klassische“ Sportverletzungen wie Prellungen, Brüche und Zerrungen, die sich die Schützen beim Laufen, Fallen und Decken zuziehen. Am Spielfeld geht es einerseits um Reflexe, Wahrnehmung und Kondition, anderseits aber auch um taktisches Agieren im Team.

„Die Paintballszene hat sich in den vergangenen Jahren professionalisiert“, sagt Daniel Sieder: Das Spiel sei heute ein Sport, den Menschen aus allen Schichten ansprechend finden könnten – gemeinsam hätten sie nur eins: „Ums Kriegspielen geht es hier bei uns niemandem“, versichert Sieder auch in Bezug auf die derzeitige Verbotsdebatte in Deutschland (siehe unten stehenden Bericht).

Was so freilich nicht ganz stimmt: Während für die rund 1000 Spieler, die regelmäßig in Ligabewerben im In- und Ausland antreten, die sportlich-taktische Herausforderung im Vordergrund steht, üben auch tausende Hobbyspieler, die Felder und Ausrüstung nur kurz anmieten, das Spiel aus. Sie treten häufig auf Feldern an, die – im Gegensatz zu den abstrakten Kunststoffhindernissen der Profifelder – mit Bunkeranlagen, Sandsäcken und Türmen übersät sind.

AUF EINEN BLICK

Paintball ist ein immer beliebter werdender Mannschaftssport, bei dem die Gegenspieler mithilfe von Luftdruckwaffen und Farbmunition markiert werden. Markierte Spieler müssen das Spielfeld verlassen und scheiden aus.

In Deutschland gab es monatelang eine Diskussion um ein mögliches Verbot von Paintball. Die Kritiker argumentierten, dass beim Paintballspiel das Töten mit schusswaffenähnlichen Geräten simuliert werde. Letztlich nahm man von einem Verbot Abstand.

In Österreich wurde Paintball vor allem durch FP-Chef Heinz-Christian Strache bekannt, der es gerne gespielt haben will. Die wachsende Paintball-Fangemeinde verwehrt sich aber dagegen, mit Wehrsport verglichen zu werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2009)

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