Gewalt gegen Pflegekräfte: „Auch selbst schuld“

Seniorin mit Pflegerin
Seniorin mit Pflegerin(c) www.BilderBox.com (www.BilderBox.com)
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Verbale und körperliche Übergriffe von Patienten gehören zum Alltag von Pflegern und Ärzten. In Wien gibt man dem Krankenhauspersonal eine erhebliche Mitschuld. Schulungen und Securitys sollen helfen.

Wien. Krankenhäuser sind eigentlich Orte, wo Kranken und Verletzten geholfen wird – aber immer häufiger wird Menschen dort auch Schmerz zugefügt.

Beschimpfen, beißen, spucken, Schläge, aber auch sexuelle Übergriffe gehören zum Alltag von Pflegern und Ärzten – das bestätigte zuletzt ein Pilotprojekt des Spitals in Braunau (OÖ). Aus der Analyse geht auch hervor, dass sich dieses Phänomen nicht nur wie landläufig angenommen auf der Psychiatrie zeigt, sondern sich quer durch alle Stationen zieht. Vor allem Notfall-Ambulanzen sind davon betroffen.

In den Wiener Spitälern schaut es nicht anders aus als in Oberösterreich. Gegenüber der „Presse“ bestätigt die Allgemeine Unfallversicherung (AUVA), die sowohl das Unfallkrankenhaus in Meidling als auch das Lorenz-Böhler-Spital in der Brigittenau führt, dass die Aggression von Patienten und Angehörigen auf Pfleger und Ärzte ein Thema ist. Allerdings in den Ambulanzen und nicht in der stationären Pflege. Weswegen es dort regelmäßige Schulungen für das medizinische Personal gebe. „Erst letzte Woche hat mir einer einen Schuh auf den Kopf geworfen“, erzählt eine Krankenschwester, die in Meidling in der Ambulanz arbeitet. „Dass ich beschimpft werde, weil es manchen etwa zu lang dauert, erlebe ich täglich.“

Verpflichtende Schulungen

Beim Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) ist das Phänomen bekannt. Eine Umfrage unter mehr als 6000 Pflegekräften aus dem Jahr 2009 bestätigt, dass eigentlich alle in ihrem Alltagsleben mit unterschiedlichen Formen der Gewalt konfrontiert sind – bereits seit 2003 gibt es im KAV Deeskalationsmaßnahmen für Pflegekräfte, die in den vergangenen Jahren immer mehr intensiviert wurden, mittlerweile wird Deeskalation in den Krankenpflegeschulen unterrichtet. Für all jene, die auf der Psychiatrie arbeiten, sind diese Kurse verpflichtend.

Verantwortlich dafür zeichnet Oberpfleger Harald Stefan, der 2003 ein Schulungskonzept für Deeskalation entwickelt und dafür auch den Wiener Gesundheitspreis gewonnen hat. Seit 33 Jahren ist er Krankenpfleger. „Ich kann nicht unbedingt behaupten, dass ich finde, die Gewalt hat zugenommen – es war meiner Meinung nach immer so, nur wird jetzt der Fokus mehr darauf gerichtet“, sagt er.

Als Hauptgrund für Aggression im Spital nennt er aber eigenes Verschulden der Ärzte und Pflegekräfte: „Wir analysieren das laufend und in 90 Prozent der Fälle muss man sagen: dass Menschen aggressiv werden, liegt auch an schlechter Kommunikation, weil sie sich nicht verstanden fühlen. Daran ist man auch selbst schuld.“ Diese Situationen seien etwa in der Ambulanz klassisch. Dort gehe es hektisch zu, man habe wohl oft zu wenig Zeit, um auf Patienten und deren Bedürfnisse einzugehen – ihnen zu erklären, wie es jetzt weitergehe. Man könne viel Aggression schon präventiv abfangen, indem man einen Draht zu Menschen findet, sie beruhigt, auf sie eingeht, sagt er.

Dennoch gebe es auch Situationen, die für das Krankenhauspersonal gefährlich seien. Patienten, die außer Rand und Band sind. Darum wird auf der Psychiatrie und in Notfallambulanzen vermehrt Security-Personal eingesetzt. Dieses sei aber wirklich nur zum Schutz des Pflegepersonals da und dürfe Handlungen nur auf Hilferuf setzen. Auch muss das Security-Personal mittlerweile verpflichtend die Schulungen von Harald Stefan besuchen.

Kritik an Securitys

Dass Securitys eingesetzt werden, sieht die Wiener Patientenanwaltschaft nicht als Problem, wohl aber, wenn diese Patienten angreifen. „Wenn jemand tobt, dann kann es nicht die Aufgabe von Securitys sein, den Patienten zu beruhigen. Eine Behandlung muss immer vom medizinischen Personal durchgeführt werden“, sagt Margot Ham-Rubisch. Auch sie glaubt, dass Personal- und Platzmangel Gründe für die Aggression sein könnten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2015)

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