Fall Alijew: Witwen kämpfen allein weiter

Gabriel Lansky
Gabriel Lansky(c) APA/HELMUT FOHRINGER
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Der Staatsanwalt wollte ursprünglich Mordverurteilungen, bekam Freisprüche und kapitulierte letztendlich. Die Hinterbliebenen der beiden Opfer geben aber nicht auf. Ihnen hilft: Die Kanzlei Lansky.

Wien. Am 10. Juli dieses Jahres zeigte sich die Staatsanwaltschaft Wien noch durchaus kämpferisch. An diesem Tag hatte sie nach jahrelangen Ermittlungen anstatt der verlangten Mordverurteilungen Freisprüche hinnehmen müssen. Doch es war schließlich das Alijew-Strafverfahren, der „Prozess des Jahres“, wie ihn viele Medien nannten.

Also dachte die Anklage zunächst nicht ans Aufgeben. Und meldete sofort Rechtsmittel gegen das aus ihrer Sicht unerwünschte Urteil an. Später kam, wie berichtet, die Kapitulation. Man verspreche sich nichts mehr von einer Nichtigkeitsbeschwerde, hat es plötzlich geheißen. War es das? Mitnichten. Die Witwen der mutmaßlichen Alijew-Opfer kämpfen nun allein weiter.

Kurzer Rückblick: Dem früheren kasachischen Botschafter in Wien, Rachat Alijew (er war einst Schwiegersohn des Präsidenten Kasachstans, Nursultan Nasarbajew), war vorgeworfen worden, mit zwei Mittätern im Februar 2007 die Bankmanager Zholdas Timralijew und Aybar Khasenov in Almaty (Kasachstan) ermordet zu haben. Kurz vor Prozessbeginn erhängte sich Alijew jedoch in seiner Zelle. Der Suizid und seine Umstände boten Stoff für zahlreiche Verschwörungstheorien. So konnten nur die mutmaßlichen Komplizen, Alnur Mussajew und Vadim Koshlyak, vor Gericht gestellt werden. Doch sie wurden im Zweifel von den Mordvorwürfen freigesprochen. Lediglich bei Koshlyak ist am Ende ein Teilschuldspruch wegen Freiheitsentziehung in Bezug auf einen der beiden Banker übrig geblieben.

89 Seiten voller Beschwerden

Nun versuchen die Opfer-Witwen und weitere Angehörige, doch noch Verurteilungen zu erwirken. Sie tun das, was die Staatsanwaltschaft als aussichtslos erachtet. Sie bringen nun selbst – als Privatbeteiligte sind sie dazu unter gewissen Voraussetzungen berechtigt– Nichtigkeitsbeschwerde gegen die (Teil-)Freisprüche ein. Das 89 Seiten starke Papier liegt der „Presse“ vor.

Richter Böhm in der Kritik

Es spart nicht mit Kritik am Richter, der die Verhandlung in erster Instanz geleitet hat: Dieser, Andreas Böhm vom Straflandesgericht Wien, sei befangen gewesen. Zur Erinnerung: Selbst die Staatsanwaltschaft hatte in der Verhandlung zumindest den Anschein der Befangenheit ins Treffen geführt. Grund dafür: Der Richter hatte die Angeklagten nach fünf Verhandlungstagen aus der U-Haft entlassen. Wenig später wurden sie auf Geheiß des Oberlandesgerichts jedoch wieder eingesperrt.

Außerdem hatte der Prozessleiter einige Beweisanträge der Verteidigung zurückgewiesen. Auch das wird nun in der Nichtigkeitsbeschwerde massiv kritisiert. Dutzende (belastende) Zeugen hätten zusätzlich geladen werden müssen, heißt es in dem von der Anwaltskanzlei Lansky, Ganzger und Partner ausgearbeiteten Papier. Übrigens: Der Richter selbst hatte sich seinerzeit keineswegs als befangen erachtet.

Abgesehen davon, dass die Hinterbliebenen die Freisprüche in erster Instanz als ungerecht empfinden, geht es ihnen auch um zivilrechtliche Ansprüche. Ebendiese seien leichter durchzusetzen, wenn „die strafrechtliche Schuld der Angeklagten“ festgestellt würde, heißt es. Welche Ansprüche sind das? Hier werden in der Beschwerde Schadenersatzforderungen für entgangenen Unterhalt, Schock- und Trauerschäden sowie etwa für Begräbniskosten aufgezählt.

Nun liegt es am OGH, über dieses Rechtsmittel zu entscheiden. Entweder er weist die Beschwerde ab, oder er folgt ihr – und lässt den gesamten Monsterprozess wiederholen. Letzteres wäre aus Sicht der Hinterbliebenen ein denkwürdiger Erfolg. Dann hätten nämlich (anwaltlich vertretene) Privatleute etwas geschafft, was die öffentliche Anklagebehörde zuvor für nicht durchsetzbar gehalten hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2015)

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