Mehr Macht für große türkische Verbände

IGGiÖ-Präsident Fuat Sanaç muss am Sonntag eine neue Verfassung durch den Schurarat bringen.
IGGiÖ-Präsident Fuat Sanaç muss am Sonntag eine neue Verfassung durch den Schurarat bringen.Jenis / Die Presse
  • Drucken

Am Sonntag beschließt die Islamische Glaubensgemeinschaft eine neue Verfassung – die aller Voraussicht nach die großen türkischen Verbände stärkt und weniger direkte Mitbestimmung durch Wahlen bringt.

Wien. Lange hat sie nicht gehalten, die Verfassung, die sich die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) im Jahr 2009 gegeben hat. Denn das im Frühjahr beschlossene Islamgesetz verpflichtet sie zu einer erneuten Änderung. Diese soll am Sonntag vom Schurarat, dem gesetzgebenden Organ der IGGiÖ, nun beschlossen werden. Eine Verfassung, die im Hintergrund mit teils heftiger Kritik bedacht wird. Im Mittelpunkt steht vor allem die interne Struktur der Glaubensgemeinschaft, die komplett neu organisiert werden muss.

So ist im Islamgesetz die Auflösung sämtlicher religiöser Vereine vorgeschrieben. Das betrifft unter anderem Dachverbände wie Atib oder die Islamische Föderation, die die Verbreitung der religiösen Lehre in ihren Vereinsstatuten führen. Derzeit sieht der Plan vor, dass sie künftig zu sogenannten Kultusgemeinden umgewandelt werden – deren Einrichtung wird im Islamgesetz explizit verlangt. Die Vereine würden damit zu Körperschaften öffentlichen Rechts umgewandelt, die der IGGiÖ unterstehen.

Allerdings würden die Gremien der Glaubensgemeinschaft künftig auch von genau jenen Kultusgemeinden beschickt. Hier setzt auch Kritik ein: Damit würden vor allem vier große türkische Verbände, also Atib, Islamische Föderation, Union türkischer Kulturzentren und Türkische Föderation, die Macht übernehmen. Unter anderem deswegen, weil die bisherige 50-Prozent-Grenze für ethnische Gruppierungen in der neuen Verfassung fallen soll. Diese war dazu gedacht, dass nicht eine große ethnische Gruppierung, konkret sind das vor allem die türkischstämmigen Muslime, alle anderen verdrängt. Immerhin, für kleine Organisationen wird ein sogenannter Beirat geschaffen, der eine gewisse Zahl an Vertretern in den Schurarat entsenden kann. Doch wäre dies trotz allem eine Schwächung der kleinen und mittleren Vereine und der zahlenmäßig kleineren ethnischen Gruppen von Muslimen.

Beschwerde beim Höchstgericht

Interessante Notiz am Rande: Sowohl Atib als auch Islamische Föderation haben beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) wortgleiche Beschwerden gegen den Passus eingereicht, laut dem die Vereine aufgelöst werden müssen. Ein Spruch der obersten Richter steht noch aus – sollte er nicht noch in der Dezembersession kommen, müssten die Vereine mit Ende Februar aufgelöst werden. Sollte der VfGH der Beschwerde stattgeben, könnten sie sich allerdings wieder neu gründen.

Kritik regt sich auch daran, dass die neue Verfassung weniger Demokratie vorsieht. So soll es keine IGGiÖ-weiten Wahlen zum Schurarat geben, sondern die einzelnen Kultusgemeinden Mitglieder direkt entsenden können. Sie werden dann allerdings, so wie bisher, die Mitglieder des Obersten Rats und den Präsidenten wählen. Wichtig ist, dass dies möglichst bald geschieht – denn die vierjährige Funktionsperiode der Organe ist bereits Mitte des Jahres abgelaufen. Und das Islamgesetz sieht eine Nachfrist von maximal einem Jahr vor. Sollte bis dahin die Außenvertretung der Glaubensgemeinschaft nicht bestellt sein, müsste ein Kurator bestellt werden. Dass es soweit kommt, gilt als unwahrscheinlich – unter anderem, weil der komplizierte Wahlvorgang auf Ebene der Moscheen und Gemeinden künftig wegfällt.

Sanaç: „Es gibt keine Probleme“

IGGiÖ-Präsident Fuat Sanaç rechnet trotz aller – mehr oder weniger verdeckt geäußerten – Kritik nicht mit Problemen. Die habe es, so meint er, auch im Laufe der Diskussionen nicht gegeben. „Seit neun Monaten arbeiten wir mit Experten und Kommissionen daran.“ Man werde also, so Sanaç, am Sonntag zu einem Ergebnis kommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18. Dezember 2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.